Stadtentwicklung mit Bier: Holsten will woanders brauen
Carlsberg will mit der Holsten-Brauerei aus Altona verschwinden. Um das Unternehmen in der Stadt zu halten, sucht der SPD-Senat nach geeigneten Flächen.
Die Brauereigruppe Carlsberg Deutschland will den Standort in Altona aufgeben. Findet sich ein geeigneter Standort, soll der Umzug bereits innerhalb der nächsten drei Jahren vonstatten gehen. Während der Scholz-Senat „in engem Kontakt“ mit dem Unternehmen geeignete Flächen ausfindig macht, um die Brauerei in der Stadt zu halten, wollen Bezirkspolitiker aus Altona der Spekulation mit dem Grundstück an der Holstenstraße nun einen Riegel vorschieben.
Carlsberg begründet die Verlagerungspläne mit der veränderten Situation in Altona. Vor 135 Jahren, als sich Holsten in Altona niederließ, befand sich das Gebiet noch in einer Randlage. Heute kommt laut Unternehmens das eng besiedelte Wohngebiet – und die Entwicklung der Neuen Mitte Altona – der Brauerei-Nutzung in die Quere.
„Die logistischen Gegebenheiten und die Zufahrtswege sind jetzt nicht mehr optimal für unseren Betrieb“, sagt Carlsberg-Sprecherin Linda Boos. Außerdem sei der Bierkonsum in den letzten Jahrzehnten rückläufig, so dass das Gelände inzwischen schlicht zu groß geworden ist.
Dass mit der Neuen Mitte Altona in den nächsten Jahren das zweitgrößtes Bauprojekt der Stadt nach der Hafencity in unmittelbarer Nachbarschaft zum 86.500 Quadratmeter großen Brauerei-Areal entsteht, hat aber auch noch einen anderen Effekt: Bezirkspolitiker aus Altona befürchten, dass die Immobilienspekulation nun die Preise in die Höhe treibt.
Vor über zehn Jahren, am 20. Januar 2004, kaufte die dänische Brauereigruppe Carlsberg die Hamburger Holsten-Brauerei.
Seit 135 Jahren wird auf der 86.500 Quadratmeter großen Fläche in Altona Bier gebraut.
Weil die Markenidentität von Holsten und Astra sehr stark auf Hamburg ausgerichtet ist, will Carlsberg auch künftig in der Stadt bleiben. Gesucht wird eine Fläche, auf der das Unternehmen rund um die Uhr ohne Einschränkungen produzieren kann.
Mit den Erlösen aus dem Grundstücksverkauf in Altona soll der geplante Neubau der Brauerei finanziert werden. Darüber hinaus müsste aber auch die dänische Unternehmenszentrale in den neuen Standort investieren.
Um zu klären, ob es bereits entsprechende Verpflichtungen gibt, stellte CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny eine entsprechende Anfrage an das Bezirksamt. Bislang ist das Gelände im Bebauungsplan als Gewerbefläche mit Brauerei-Nutzung ausgewiesen. Geht es nach dem Willen der Bezirksfraktionen, soll das auch erst mal so bleiben.
„Damit die Spekulationen nicht anfangen, müssen wir zunächst abwarten, welche städtischen Interessen bei der Standortverlagerung überhaupt gewahrt bleiben“, so der CDU-Fraktionschef: Zumindest bevor man anfange, das Grundstück mit der Aussicht auf einen möglichen Wohnungsbau zu vergolden.
Die Grünen in Altona haben einen Antrag auf Vorbereitende Untersuchungen nach Paragraf 165 des Baugesetzbuchs gestellt. „Wir wollen die städtischen Interessen sichern und so die Grundstückspreise einfrieren“, sagt Christian Trede, der sich in der grünen Bezirksfraktion mit Stadtplanung beschäftigt. Welche Nutzung das Gelände zukünftig haben wird, sei noch völlig offen.
In Altona wird derweil darüber gemutmaßt, ob das Gelände bereits an den Bauunternehmer Helmut Greve und Projektentwickler Prokom Invest vergeben wurde. Carlsberg-Sprecherin Boos bestätigt das nicht: „Das Gelände ist definitiv noch nicht verkauft.“ Zumindest sei der Vertragsabschluss noch nicht finalisiert. „Natürlich befinden wir uns in Gesprächen mit unterschiedlichen Interessenten“, sagt sie. Doch über laufende Verhandlungen wolle man keine näheren Auskünfte geben.
Zur Sicherung der Hamburger Dependenz setzt die Brauereigruppe auf eine effizientere Lösung, die auch einen Stellenabbau mit sich bringt. Der soll der Carlsberg-Sprecherin zufolge „unter Einbeziehung rentennaher Lösungen“ und „sozialverträglich“, möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen, gestaltet werden.
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