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Staatsstreich in Burkina FasoVon einem Putsch zum nächsten

In Burkina Faso gab es erneut einen Staatsstreich. Welche Rolle spielt Russland? Und sollte sich die Bundeswehr nun aus der Region zurückziehen?

Gehüllt in die Farben Russlands: Proteste in Ouagadougou am 30. September Foto: Sophie Garcia/ap

1In Burkina Faso hat es einen Militärputsch gegeben. Was ist passiert?

Am frühen Morgen des 30. September fielen in der Hauptstadt Ouagadougou Schüsse. Das Viertel Ouaga 2000, in dem viele Behörden und internationale Organisationen ihren Sitz haben, wurde größtenteils abgeriegelt. Das Staatsfernsehen RTB sendete nicht mehr. Nachmittags kam es im Zentrum zu Protesten, bei denen auch russische Flaggen geschwenkt wurden. Die De­mons­tran­t*in­nen forderten die Freilassung von Oberst Emmanuel Zoungrana, der seit Anfang des Jahres wegen mutmaßlicher Geldwäsche sowie Gefährdung der Staatssicherheit inhaftiert ist.

Spekulationen, ob es sich um einen Staatsstreich handelt, wurden am Abend des 30. September bestätigt: Soldaten setzten Paul-Henri Damiba ab und machten Ibrahim Traoré zum Junta-Chef. Damiba beschuldigten sie, den Terrorismus im Land nicht wirkungsvoll zu bekämpfen.

2 Moment, schon wieder?

Bereits Ende Januar hatten Militärs um Damiba gegen Ex-Präsident Kaboré geputscht und das mit der schlechten Sicherheitslage und Ausstattung der Streitkräfte begründet. Dieser Vorgang hat sich nun im Grunde wiederholt. Allein im September starben mindestens 46 Menschen durch Terrorangriffe. Dazu kamen Machtkämpfe innerhalb der Armee. Damiba wurde vorgeworfen, einen zu engen Kontakt mit der verhassten Kolonialmacht Frankreich zu pflegen und die Probleme des eigenen Landes zu ignorieren. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 hat Burkina Faso eine lange Tradition der Staatsstreiche. Langzeitherrscher Blaise Compaoré kam 1987 ebenso wie der als Nationalheld verehrte Thomas Sankara durch einen Coup an die Macht.

3 Auch in Mali und Guinea wurde seit 2020 insgesamt dreimal geputscht. Besteht da ein Zusammenhang?

Die Staatsstreiche in Mali und Burkina Faso haben tatsächlich Ähnlichkeiten. Zugrunde liegt die allgemeine Unzufriedenheit über die schwere Sicherheitskrise in der Sahelzone. Die Umstürze weckten bei den Menschen Hoffnung, dass sich die Lage bessert, die Junta wurde in beiden Ländern anfangs bejubelt. Obwohl sich an der Situation der Menschen nichts veränderte, hat die Militärregierung in Mali weiterhin überraschend viel Unterstützung. Zumindest wirkt es so – verlässliche Meinungsumfragen gibt es nicht.

Der Putsch in Guinea hatte allerdings andere Gründe. Dort richtete sich der Zorn gegen Alpha Condé, dem durch eine Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit gelang. Schon im Jahr vor seiner Wiederwahl hatte es dagegen Proteste mit Dutzenden Toten gegeben. Der Intellektuelle und jahrzehntelange Oppositionelle galt 2010 als Hoffnungsträger, brachte einem Großteil der Bevölkerung aber keine besseren Lebensbedingungen.

4 Wer kann in Burkina Faso etwas­ verändern?

Junge Menschen haben in dem Land politisch kaum Einfluss. Dominant ist die Oppositionsbewegung Le Balai Citoyen, die 2014 nach wochenlangen Protesten einen der letzten Langzeitherrscher Westafrikas, Blaise Compaoré, stürzte. Doch Strukturen können sie nicht verändern. Ohnehin sind Mitsprachemöglichkeiten gering. In Bargny in Senegal haben sich Einwohner*innen, Ak­ti­vis­t*in­nen und Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­­nen zusammengeschlossen, um gegen Kohlekraft, Rohstoffhafen und ein neues Industriegebiet zu demonstrieren.

Obwohl sie gut organisiert sind und finanzielle Mittel haben, trifft die Regierung die Entscheidungen ohne sie. Sowieso ist die politische Klasse meist ein geschlossenes System, zu dem es kaum Zugang gibt. Wer dazu gehört, hat sich gut eingerichtet, wie etwa der Sohn des malischen Ex-Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta. 2020 feierte er auf Luxusyachten Partys, während die Bevölkerung immer stärker unter Angriffen der Terroristen litt. Doch selbst ohne Sicherheitskrise sind die Herausforderungen enorm. Die Bevölkerung wächst. Es fehlt an Wohnraum, Schulen, guter Ausbildung und Arbeitsplätzen.

5 Machen die Staatsstreiche alles noch schlimmer?

In Mali und Burkina Faso hat sich die Lage seit 2020 verschlechtert. In Mali schränkt Militärherrscher Assimi Goïta Meinungs- und Pressefreiheit ein. Auch hat er sich nicht an den mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ­Ecowas abgesprochenen Wahltermin gehalten. Demnach hätten bereits im Februar Wahlen stattfinden müssen. In Burkina Faso haben laut Acled, einer NGO, die Konflikte weltweit dokumentiert, seit dem Putsch im Januar Angriffe von bewaffneten Gruppen um 23 Prozent zugenommen. Der Staat kontrolliert nur noch 60 Prozent des Landes.

6 Beim Putsch in Burkina Faso schwenkten Protestierende russische Fahnen. Welche Rolle spielt Russlands Regierung?

Spätestens seit im vergangenen Jahr der Deal zwischen Malis Junta und der russischen Gruppe Wagner bekannt wurde, gilt Russland als neuer Partner. Die russischen Söldner arbeiten inzwischen mit der malischen Armee zusammen. Viele Menschen in der Region sind überzeugt, dass sich die Sicherheitslage in Mali seit 2012 nicht verbessert, weil die einstige Kolonialmacht Frankreich mit ihrer Anti-Terror-Mission Bar­khane versagt hat. Diese Unzufriedenheit weiß Russland zu nutzen. So baut der staatliche Auslandssender Russia Today (RT) aktuell seine ­Präsenz in Südafrika aus.

Gerade über ­Facebook, das meistgenutzte soziale Netzwerk in Burkina Faso, lassen sich leicht Falschnachrichten verbreiten. Wagner-Chef Evgueni Prigoschin kündigte zudem an, man wolle den neuen Junta-Chef Burkina Fasos, Traoré, unterstützen. In Anspielung auf den Ende Januar gestürzten Ex-Präsidenten Kaboré sagte er, die Bevölkerung habe unter dem Joch der Kolonialisten gestanden, die die Menschen ausplünderten. Spekulationen, dass womöglich sogar Wagner für den Coup verantwortlich sein könnte, lassen sich nicht belegen. Russland profitiert allerdings von der antifranzösischen Stimmung.

7 Die Bundeswehr ist weiterhin in Mali stationiert. Sollte sie sich angesichts der Lage nicht besser komplett aus der Region zurückziehen?

Das ist die große Frage. Militärherrscher Goïta gilt als schwieriger Gesprächspartner. Eines muss man seiner Übergangsregierung lassen – sie findet deutliche Worte: Man sei ein souveräner Staat und lasse sich nichts vom Westen vorschreiben. Im globalen Norden wird gerne vergessen, wie Prä­si­den­t*in­nen in Westafrika an die Macht kommen. Meist ist die Wahlbeteiligung niedrig, Wahlen sind nicht transparent und Regierungen korrupt. Von der Mehrheit legitmiert sind sie wohl kaum. Und warum soll es in Ordnung sein, mit Herrschern wie Paul Biya in Kamerun und Faure Gnassingbé in Togo zusammenzuarbeiten, die zwar offiziell gewählt wurden, aber Grundrechte einschränken und Oppositio­nelle verhaften – jedoch nicht mit Putschisten?

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1 Kommentar

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  • Ihr Artikel dient einer Übersicht und ist objektiv. Bis auf den letzten Satz. Paul Biya in Kamerun und Faure Gnassingbé in Togo lassen sich nicht miteinander in einen Topf werfen. Nur sehr oberflächlich scheint beides gleich. Paul Biya hat ein für Afrika relativ reiches und wohl geordnetes Land in eine unfassbare Kriminalität mit riesiger Korruption gerissen, während Faure Gnassingbé das totalitäre seines Vaters immer mehr abgestreift hat und Togo weitgehend von Korruption frei gemacht hat. Die letzten Wahlen schienen mir und den internationalen Beobachtern korrekt abgelaufen zu sein. Eine kompetentere Opposition würde Togo allerdings guttun. Sie musste sich unterstellen lasse, auch nur an die vollen Töpfe zu wollen und konnte nicht mit Alternativen überzeugen.