piwik no script img

Sprecher des US-RepräsentantenhausesIm 15. Durchgang gewählt

Kevin McCarthy hat nun doch die erforderliche Mehrheit für das Amt errungen. Dem gingen dramatische Szenen in seiner republikanischen Fraktion voraus.

Vor dem 15. Wahldurchgang: Der republikanische Abgeordnete Richard Hudson (l) muss seinen Fraktionskollegen Mike Rogers in Schach halten, damit der nicht gegenüber einem der Fraktionsrebellen handgreiflich wird Foto: Andrew Harnik/dpa

WASHINGTON taz | Es ist vollbracht. Der republikanische Fraktionsvorsitzende Kevin McCarthy ist nach einer viertägigen Wahlschlacht am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) zum neuen Sprecher des US-Repräsentantenhauses gewählt worden. Der Abgeordnete aus Kalifornien sicherte sich das Amt mit 216 Stimmen im 15. Wahldurchgang. An Drama war das Geschehen in Washington kaum zu überbieten.

„Mein Vater hat immer gesagt hat: Entscheidend ist nicht, wie du anfängst, sondern wie du es zu Ende bringst“, sagte McCarthy nach seinem Wahlsieg.

Nun beginne die harte Arbeit, erklärte er, und wenn die vergangenen vier Tage ein Indikator waren, dann werden die nächsten zwei Jahre ihm und der republikanischen Partei alles abverlangen. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was ihn als neuen Sprecher erwarten könnte, gab es bereits.

Nachdem McCarthy im 14. Wahldurchgang am späten Freitagabend erneut gescheitert war – es fehlte ihm nur eine Stimme – kam es zu einer dramatischen Szene im Raum. Der Abgeordnete Mike Rogers aus Alabama musste davon abgehalten werden, auf seinen Parteikollegen Matt Gaetz aus Florida loszugehen.

Grund für die beinahe Handgreiflichkeit war die Tatsache, dass Gaetz mit seiner Stimme McCarthy auch in diesem Wahldurchgang um den Sieg gebracht hatte. Es passierte um kurz nach 23 Uhr. Zuvor sah alles danach aus, als hätte es McCarthy nach zähen Verhandlungen geschafft, die parteiinternen Differenzen zu überbrücken und dem tagelange Wahlkrimi in der US-Hauptstadt ein jähes Ende zu setzen.

Hat am Ende mit viel Entgegenkommen das gekriegt, was er wollte: Kevin McCarthy Foto: Jon Cherry/reuters

Am Schluss musste ein weiterer Wahldurchgang her. Der 57 Jahre alte McCarthy, der in der zentralkalifornischen Arbeiterstadt Bakersfield geboren wurde, ersetzt nun die Demokratin Nancy Pelosi als Sprecher des US-Repräsentantenhauses.

Den Sieg hat McCarthy vor allem einer Reihe von Zugeständnissen zu verdanken, die er und seine Unterstützer in den vergangenen Tagen ausgehandelt hatten. Diese überzeugten nach und nach die 20 rebellierenden Abgeordneten aus den eigenen Reihen doch ihn als neuen Sprecher zu wählen.

Über das genaue Ausmaß der Zugeständnisse herrscht noch Unklarheit, doch US-Medienberichten zufolge musste McCarthy erhebliche Machteinbußen hinnehmen, um die benötigten Stimmen hinter sich zu vereinen. So reicht in Zukunft der Antrag eines einzigen Abgeordneten, um die Absetzung des Sprechers auf die Tagesordnung zu setzen. Auch werden zwei Mitglieder aus dem rechten republikanischen Fraktionslager, die McCarthys Wahl während der vergangenen Woche blockiert hatten, Positionen in dem so wichtigen Regel-Ausschuss erhalten.

Diese und andere Konzessionen zeigten im Verlauf des Tages ihre Wirkung. Stimmten in den vorherigen Tagen jeweils mindesten 20 Republikaner gegen McCarthy, so waren es in den ersten beiden Wahldurchgängen am Freitag nur noch sieben, beziehungsweise sechs Abgeordnete.

„Wir vertrauen Herrn McCarthy mit der Macht nicht“, sagte Matt Gaetz während der Nachmittagswahl. Gaetz, der zu den Anführern der McCarthy-Gegner zählt, stimmte im entscheidenden Wahldurchgang mit „Present“, also „Anwesend“. Insgesamt stimmten sechs Republikaner „Present“. Aus diesem Grund reichten am Ende 216 Stimmen anstelle der normalerweise benötigten 218 Stimmen zum Sieg.

Mit der Wahl eines neuen Sprechers kann der 118. Kongress in der Geschichte der USA nun endlich seine Arbeit aufnehmen.

US-Präsident Joe Biden gratulierte McCarthy kurz nach dessen Wahlsieg in einer offiziellen Stellungnahme. Darin erklärte er, dass er bereit sei, mit Republikanern zusammenzuarbeiten und im Gegenzug das Gleiche erwarte.

„Die amerikanische Bevölkerung erwartet von seinen politischen Führern, dass diese in einer Art und Weise regieren, die deren Bedürfnisse über alles andere stellen. Und genau das müssen wir jetzt tun“, so Biden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Es ist ein unglaublicher Vorgang. Bevor sich die Rep's auch nur einen mm bewegen (Obamas Zeiten), unterwerfen sie sich lieber ein paar verrückter Desperados aus der eigenen Partei.



    Ich möchte es mal vorsichtig formulieren: Wissen, gepaart mit Arroganz, Rücksichtslosigkeit und IhrKönntMichAlle, bringt so einen Typen wie Matts Gaetz hervor.



    Zustimmung mit fast 70% der abgegebenen Stimmzettel.



    Wow !



    Was sagt uns das über die lupenreinen und demokratischen Bürger der USA?



    Aber: Es gibt auch eine andere USA. Die der Wissenschaft. Und da wurde, in wichtiger Zusammenarbeit mit der EU, Canada u.a. das Projekt JWT entwickelt, gestartet und in die Unlaufbahn LG 1 befördert. Link für den, der noch garnichts davon gehört hat: www.nasa.gov/missi...bb/main/index.html

  • Matt Gaetz. Eine Biographie zum Gruseln. Siehe etwa Wikipedia , Kapitel 'Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauch und Drogenkonsum '.

    • @Konfusius:

      Aber im Gegensatz zu seinen erpressbaren und bestechbaren Parteikollegen sieht er die Gefahr mit McCarthy.



      Drogenkonsum? Na und?

      Zu sexuellem Missbrauch: ist natürlich schwerer Vorwurf, aber mir kommt da als erstes der Gedanke: was ist da dran? Soll da naheliegend ein politischer Gegner mundtot gemacht werden?

      Und wer träller hier dieses Liedchen unreflektiert und ohne Links nach?

    • @Konfusius:

      Ein richtig opportunistisch, mieser und fieser Typ. Gewählt von knapp 70% der im Wahlkreis 1, Florida, an der Wahl Teilnehmenden.



      Wer wohnt da?

  • "„Die amerikanische Bevölkerung erwartet von seinen politischen Führern ..." Ernsthaft ? DIE Bevölkerung und SEINE Führer ? Und, leider, so tazzt es beinahe täglich. SÄZZER selig, wir brauchen dich zurück. In der heutigen Bildungsmisere more than ever....

    • @lesnmachtdumm:

      ... "ihre" ... "seine" ... "Führer" ...?



      Ich dachte immer es wären Vertreter.

      • @LeKikerikrit:

        Wie wahr ! Und vor wie nach Wahlen kommen sie ja auch in etwa so glaubwürdig rüber wie Staubsaugervertreter ;-]

  • Der bemerkenswerteste Zugeständnis ist doch die Reduzierung des Militärhaushaltes. Und wieso schaffen es Rechte gegen die Fraktionsdisziplin rebellieren und Linke nicht?

    • @Katev :

      Letzteres ist wirklich ein guter Punkt; der Parlamentarismus leidet, nicht nur in den USA, eher an einem Zuviel als an einem Zuwenig an Fraktionsdisziplin. Dass Abgeordnete sich nicht als Stimmvieh verstehen, sondern überzeugt werden wollen - und sich verweigern, wenn das nicht gelingt, ist erst einmal positiv - auch wenn es in diesem Fall natürlich um eine gruselige Bande geht.

  • Schade, dass der Angreifende zurück gehalten wurde. Gaetz hätte ein blaues Auge wunderbar zu seinem Anzug gepasst.

    • @Genderer:

      Sie hacken auf Gaetz rum, obwohl der sich gegen den mit gefährlichen Zugeständnissen angetretenen McCarthy stellt?

      Ich halte den Mann auf jeden Fall für mutig und vorbildlich.

  • Ooch manno! Wie lahm!



    Vor dem 15. Wahldurchgang: Der republikanische Abgeordnete Richard Hudson (l) muss seinen Fraktionskollegen Mike Rogers in Schach halten, damit der nicht gegenüber einem der Fraktionsrebellen handgreiflich wird.“



    Booey & Ohne rauchende Colts - Trump fehlt! Woll.

    • @Lowandorder:

      "Trump fehlt! Woll."



      Stimmt,



      Wir werden uns noch zurücksehnen- Die Typ*innen, die jetzt dran wollen, sind noch erbärmlicher, aber womöglich auch erfolgreich.

    • @Lowandorder:

      Traurig das ganze da hätte man doch jetzt die nächsten 2 Jahre drüber lachen können, einmal am Tag treffen sich die Reps um keinen Sprecher zu wählen

      • @Machiavelli:

        ... memsch lese auch Folgendes und greife sich ans Hirn - einfach wunderbar www.rollingstone.c...eliefs-1234657579/ Marjorie Taylor Greene, a Member of Congress, Blames ‘the Internet’ For Her Past QAnon Beliefs

  • Und mein Vater sagte immer: Ist der Ruf erst ruiniert, ....

  • Nicht nur McCarthy hat schlussendlich bekommen, was er wollte, sondern auch der faschistischste Flügel der Republikaner. Bidens Apelle an Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg wirken erschreckend weltfremd und hilflos. Keiner von den Parteirechten, die sich jetzt neue Blockade-Werkzeuge gesichert haben, wird sich für seine Apelle an das Gemeinwohl interessieren, wenn er (oder sie, Lauren Boebert war ja auch wieder mal vorn mit dabei) eine Chance wittert, die eigene Basis mit einer großspurigen Machtdemonstration aufzuhetzen.

    • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      "der faschistischste Flügel der Republikaner"



      Zu den Merkmalen des Faschismus gehören:



      - eine am Militär orientierte Parteiorganisation, die dieser Chaoshaufen ja sichtlich nicht hat.



      - eine korporative, hierarchische Wirtschaftsorganisation, die die GOPs scheuen dürften wie der Teufel das Weihwasser,



      - sowie ein totalitäres, in Funktionshierarchien gegliedertes Gesamtmodell der Gesellschaft, wohingegen die Republikaner und vA Tea-Party, Trump, et al. ihren Erfolg eben nicht aus der Gleichschaltung, sondern aus der Spaltung der Gesellschaft ziehen.



      de.wikipedia.org/w...Faschismusbegriffs

  • Hier stimmt etwas nicht. Gaetz hat im 14. Wahlgang noch mit "present" gestimmt, zur Empörung der Umstehenden, aber wenn er dies im 15. dann wiederholt hat, wieso reichen dann nun 216 Stimmen für die relative Mehrheit? Oder sind andere Republikaner aus dem gegnerischen Lager der Abstimung gezielt ferngeblieben?

    • @hedele:

      Weil noch andere dann auch "present" gestimmt haben, denke ich.