Sparen durch dynamische Strompreise: Billigstrom bei Wind und Sonne
Ökologisch und möglicherweise günstiger für Stromkunden: Dynamische Preise, die im Tagesverlauf schwanken, gibt es von immer mehr Anbietern.
Vom kommenden Jahr an müssen alle Stromanbieter zumindest einen dynamischen Tarif im Angebot haben. Das dürfte großes Thema auf der Fachmesse Intersolar vom 19. bis 21. Juni in München sein. Soeben haben der Energieversorger Lichtblick, die Firma SMA als Hersteller von Solar-Wechselrichtern und die Firma Ison als Anbieter einer zugehörigen digitalen Plattform gemeinsam einen flexiblen Tarif angekündigt.
Mit diesem sollen Kunden „von viertelstündlich aktualisierten Börsenpreisen profitieren“, indem sie ihre Verbräuche – etwa an der Wallbox – entsprechend der Produktion der eigenen Photovoltaikanlage und der Marktsignale optimieren. Auch etablierte Unternehmen wie Vattenfall haben bereits Tarife im Angebot, die sich am stündlichen Börsenpreis orientieren.
Diese sind auch ohne eigene PV-Anlage nutzbar. Wenn Privathaushaushalte ihre Stromrechnung auf Basis eines variablen Tarifs optimieren, kommt das der Energiewende zugute. Denn der Strompreis im Großhandel ist ein starkes Indiz dafür, wie sauber der Strom im betreffenden Moment ist.
Kilowattstunden-Preis ändert sich stündlich
Wenn die Sonne scheint oder der Wind stark weht, fallen die Preise erheblich – das klassische Spiel von Angebot und Nachfrage. Entsprechend der Architektur des Stromhandels verändert sich bei dynamischen Tarifen auch für Endkunden der Kilowattstunden-Preis stündlich oder sogar viertelstündlich.
Wer seinen eigenen Stromverbrauch an diesen Preissignalen orientiert, nutzt also automatisch einen überdurchschnittlichen Anteil an erneuerbar erzeugtem Strom. Das Preisportal Verivox berichtet, dass Verbraucher ihre Stromkosten mit zeitvariablen Tarifen „um bis zu 35 Prozent reduzieren“ könnten. Schließlich liegen die Preisdifferenzen zwischen der billigsten und der teuersten Stunde eines Tages an der Strombörse oft um die zehn Cent pro Kilowattstunde.
Zu den Vorteilen zählen der Tarife gehören laut Verivox die transparenten Kosten, die Entlastung des Stromnetzes und die Unterstützung erneuerbarer Energien. Außerdem die Tatsache, dass es aufgrund monatlicher Abrechnung keine hohen Nachzahlungen gebe. Zu den Nachteilen zähle, dass man – sofern man nicht die Verbraucher wie etwa eine Wallbox automatisch steuert – die Börsenpreise regelmäßig im Blick haben müsse. Zudem würden die Einsparungen geschmälert durch das jährliche Entgelt für den Smart Meter.
Sinnvoll seien die Tarife daher speziell für Haushalte mit einem hohen Stromverbrauch, also beispielsweise für Besitzer eines E-Autos, für Nutzer einer Wärmepumpe oder einer elektrischen Warmwasserbereitung, sofern man – nur dann lässt sich sinnvoll Verbrauch verlagern – über einen Wärmespeicher verfügt.
Vorsicht bei der Tarifwahl
„Wer die Tiefpreiszeiten effizient ausnutzt, zahlt in vielen Fällen weniger als 20 Cent je Kilowattstunde Strom“, so Verivox. Allerdings ist bei der Tarifwahl Vorsicht geboten, denn nicht jeder dynamische Tarif bildet wirklich den Börsenpreis im Tagesverlauf ab; manche Anbieter haben nur einen monatlich wechselnden Preis. Auch der orientiert sich zwar am Marktgeschehen, bringt im Sinne der Energiewende aber wenig, weil damit kaum ein Anreiz zur zeitlichen Verlagerung von Verbräuchen entstehen kann.
Entsprechend braucht man dafür auch keinen intelligenten Zähler. Der bekannteste Anbieter eines richtigen – also kurzfristigen – zeitvariablen Tarifs für Haushaltskunden, ist das norwegische Unternehmen Tibber. Der momentane Strompreis für den Verbraucher orientiert sich dabei stundenscharf am Spotmarkt. Dieser wird von der Strombörse Epex Spot täglich zur Mittagszeit für den folgenden Tag auf Basis der Prognosen von Angebot und Nachfrage ermittelt.
Zu dem Börsenpreis kommen Steuern und Entgelte hinzu, die aber „eins-zu-eins an den Kunden weitergegeben“ werden, wie der Stromanbieter betont. Wenn die Strompreise ganz massiv ins Minus fallen, weil der Überschuss am Markt durch die erneuerbaren Energien so riesig ist, kann das kurzfristig dazu führen, dass die Kunden für einzelne Stunden sogar eine Prämie pro verbrauchter Kilowattstunde bekommen. Im Juli des vergangenen Jahres sei das schon der Fall gewesen, heißt es bei Tibber – nämlich in einer Stunde, als der Preis am Spotmarkt auf minus 50 Cent je Kilowattstunde fiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich