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Söder bei MeloniZiemlich beste Freunde

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Zwischen Markus Söder und die Neofaschistin Giorgi Meloni passt kaum ein Blatt Papier – so zumindest wirkte deren Treffen im Palazzo Chigi in Rom.

Söder und Meloni: in ziemlich vielen Bereichen einer Meinung Foto: Oliver Weiken/dpa

D as sind doch mal gute Nachrichten. Gerade hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Rom Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni getroffen, da macht er auch schon ein paar Klarstellungen. Nein, in der Flüchtlingspolitik ist der Bayer weiter gegen das „Ruanda-Modell“, sprich: gegen die Deportation von Mi­gran­t*in­nen nach Afrika, wie sie die britische Regierung unter Rishi Sunak betreibt. Und ein zweites Nein gab es auch noch: Söder mag sich einfach nicht vorstellen, dass Melonis postfaschistische Truppe der Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) nach den im Juni anstehenden Europawahlen Mitglied in der christlich-konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) werden wird.

Fast möchte man glauben, Söder habe da mal wieder eine Brandmauer nach rechts hochgezogen. Immerhin anderthalb Stunden redete er am Freitag mit Meloni, und wenn man nur auf seine beiden Neins schaut, sieht es fast so aus, als habe er ihr kräftig die Leviten gelesen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Nicht umsonst tauschten die beiden am Ende des Gesprächs ihre Handy-Nummern aus, um in Zukunft mal eben schnell per SMS wichtige Dinge abstimmen zu können – sie haben sich, so scheint es, prächtig verstanden. Und das liegt vorneweg weniger an der Italienerin als an dem Bayern.

Noch vor einem Jahr hatte der seinen Parteifreund, den Europaparlamentarier und EVP-Vorsitzenden Manfred Weber, kräftig abgewatscht, weil der die Nähe zu Meloni gesucht hatte. Die Postfaschistin nämlich arbeitet seit ihrem Amtsantritt als Ministerpräsidentin systematisch daran, ihr Standing in Europa zu verbessern. Mit Erfolg: Bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stehen ihr mittlerweile die Türen offen, gerne gehen die beiden auch auf gemeinsame Auslandsreisen, nach Tunis oder nach Kairo. Und auch zu der ebenfalls zur EVP gehörenden Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, pflegt Meloni solch harmonische Beziehungen, wie sie sie auch zu Manfred Weber suchte.

Das alles gehört zu Melonis Spagat: Außenpolitisch gibt Italien unter ihrer Führung weiter den seriösen Partner, tut sie alles, um ihre alten Ausfälle gegen die EU als „obskure Entität von Bürokraten“, die „die nationale Identität der europäischen Völker zerstören“ wolle, vergessen zu machen. Innenpolitisch aber hält sie an ihrer reaktionären Agenda fest.

Der Spagat funktioniert, wie jetzt auch Söders Rom-Besuch zeigt. Hinter seinen beiden entschiedenen Neins verbergen sich nämlich zwei klare Jas. „Viele Gemeinsamkeiten“ hatte der bayerische Ministerpräsident nach dem Gespräch entdeckt, und die beziehen sich eben nicht nur auf die Verkehrspolitik oder auf beider Ablehnung des von der EU verfügten Aus für Verbrenner-Motoren.

Auch in der Asylpolitik konnte die Übereinstimmung nicht größer sein. Gewiss, Söder mag gegen das Ruanda-Modell sein – aber bloß, weil der afrikanische Staat „einfach zu weit weg ist“. Meloni hat eine Albanien-Lösung: Der Vertrag zur Errichtung italienischer Lager im Balkanstaat ist schon unterzeichnet, und Söder freut sich: „Das könnte ein Modell sein, das für ganz Europa trägt. Das würde ich sehr unterstützen.“

Keine Bedenken hat er dagegen, dass Italien da auf einen ebenso unmenschlichen wie sündteuren Ausweg zusteuert. Keine Bedenken wohl ließ er auch dagegen laut werden, dass Meloni die in der Seenotrettung tätigen NGOs nach Kräften schikaniert, zuletzt mit dem von der nationalen Luftfahrtbehörde ENAC ausgesprochenen Verbot für NGO-Flugzeuge, von italienischen Flughäfen zu starten, um das Seegebiet zwischen Libyen und Sizilien zu überwachen, mit der ebenso absurden wie zynischen Begründung, eben diese Flüge brächten das Leben der Migranten „in Gefahr“.

Und so ist auch das Nein zu einer zukünftigen Mitgliedschaft der Meloni-Partei FdI in der EVP gar keines. Dort nämlich will Meloni gar nicht hin. Ihre EP-Abgeordneten sitzen in der EKR, dem rechtsradikal-reaktionären Club der „Europäischen Konservativen und Reformer“, zu dem etwa die polnische PiS oder die spanische Vox zählen.

Dort will Meloni bleiben – um mit der EVP ins Geschäft zu kommen. Nicht umsonst heißt ihr Slogan im Europawahlkampf „Italien verändert Europa“. In Rom herrscht schon eine Koalition ihrer FdI mit Forza Italia (die im EP in der EVP sitzt) und mit Matteo Salvinis Lega (die zur Fraktion ID – Identität und Demokratie – zählt, an der Seite Marine Le Pens und der AfD). Von einer solchen Rechtsallianz träumen Meloni und ihre Koalition auch in Europa.

Da hilft es wenig, wenn Söder sich damit herausredet, Meloni sei zur AfD deutlich auf Abstand gegangen, ja, habe „klare Ablehnung“ gezeigt – so als sei es nun an ihr, ein Stückchen weiter rechtsaußen eben jene Brandmauer wieder zu errichten, die er gerade eingerissen hat.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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7 Kommentare

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  • Dass Problem an Meloni ist, dass sie zwar offiziell nicht mehr faschistisch ist, aber wer sich das genauer anschaut, der erkennt immer wieder zwei Sachen: Menschen werden sortiert, bewertet, nach rassischer Herkunft behandelt, bald deportiert und sie will gar keinen Staat, in dem alle Bürger gleich sind bzw. alle wirklich gleiche Rechte haben oder diese Rechte gleichwertig in Anspruch nehmen können.

    Das sind Elemente, die es bei Benito Mussolini auch schon gab. Vordergründig geht es um Sozialismus und Nationalismus, tatsächlich um eine verkrustete Art, einen Teil der Bevölkerung zu unterdrücken und schlechter zu stellen (damit andere sich bereichern könne).

    Wenn Söder sich neben so eine Regierungsschefin stellt, dann ist seine Brandmauer ein interessantes Phänomen, denn wo beginnt die dann?

    Übrigens hat sich Ursula von der Leyen auch mal neben Meloni gestellt, auf Lampedusa und dabei gleich dabei Melonis Diskurs über Asylbewerber und Überfremdung vollständig akzeptiert und ein drammatisches Bild gemalt.

    In der Realität verschiebt Meloni Asylbewerber in andere Staaten, wie Deutschland und Frankreich.



    Die müssen dann ausgleichen, was sie da macht.



    Und die Lager in Albanien sind einfach nur ein Hinweis für Geflüchtete, nicht nach Italien zu kommen.



    Wie sie dort behandelt werden, was dort wirklich vor Ort passieren kann, davon wird man lesen und das wird nicht gut sein, aber das soll es ja auch nicht.



    Und wer gerne italienische Produkte kauft, der kann oft sicher sein, dass illegale Einwanderer da kräftigt mitgearbeitet haben. Italien hat einen riesen 'schwarzen' Arbeitsmarkt. Und diese 'Ausländer' die skandalisiert die Regierungschefin eben nicht, weil die Oberschicht kräftig daran verdient.

  • Braun und Braun gesellt sich gern

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Der Autor ist Michael Braun.



      (ganz im Vertrau'n)



      taz.de/Michael-Braun/!a155/

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Sorry Herr Michael Braun.



        Ihnen wollte ich nicht zu nahe treten.



        Danke für die Aufklärung 🌚🐑

  • Das Meloni-Modell

    Zitat: „Zwischen Markus Söder und die Neofaschistin Giorgi Meloni passt kaum ein Blatt Papier.“

    FJS läßt Grüßen.

    Was hat doch die amtierende Präsidentin der EU-Kommission vor den jüngsten Parlamentswahlen in Italien für tumultuöse Drohungen an die Adresse des dortigen Wahlvolkes ausgestoßen, es solle sich unterstehen und der bekennenden Neo-Faschistin Meloni zurMacht zu verhelfen. Zugleich präsentierte sie die Folterinstrumente der EU für die Fälle, daß irgendein Wahlvolk sich erdreiste, nicht nach der Pfeife von Brüssel zu tanzen.

    Nach Tisch sah das dann überraschend allerdings ganz anders aus: Meloni wurde mit offenen Armen und Küßchen rechts, Küßchen links in den Tafelrunden der EU, der G7, der NATO usw. aufgenommen. Meloni und UvdL zeigen sich, freundlich in die Kameras lächelnd, Seit an Seit als ein Herz und eine Seele. Auf wundersame Weise hat sich die „populistische“, „postfaschistische“ und „illiberale“ Führerin der Fratelli d’Italia (FdI), dem italienischen Pendant der NPD (nicht der AfD!), über Nacht in eine seriöse und „vernünftige“ Partnerin verwandelt. Der Grund: Sie ist so clever, mit den Wölfen gegen den Kreml anzuheulen, damit den tradierten Prinzipien jeglicher Spielart von Faschismus treu bleibend. (vgl. B. Bréville, Le modèle Meloni, Le Monde diplomatique, Juli 2023)

    Der zweite zentrale außenpolitische Programmpunkt Melonis, von Brüssel beifällig aufgenommen, ist die Kooperation bei der Flüchtlingsabwehr. Im Brüsseler „Team Europe“ gehört sie zu den Architekten des milliardenschweren Türsteherabkommens mit Tunesien und hatte eigens zu diesem Zweck zu einem Gipfeltreffen nach Rom zur Sicherung der Südgrenze der „Festung Europa“ gegen unerwünschte Wirtschaftsflüchtlinge eingeladen. In deren Folge wurden hunderte afrikanische Flüchtlinge von den tunesischen Sicherheitskräften abgefangen und in Wüstengebiete deportiert, sie dort unversorgt ihrem Schicksal überlassend, was für viele von ihnen den sicheren Tod bedeutet.

  • Und wo genau ist da der Unterschied, wenn Meloni und z.B. Scholz aufeinandertreffen? Schaut der Kanzler kritischer? Kommt dann vielleicht noch jemand von den Grünen mit Bauchschmerzen daher?

  • Die Brandmauer ist aus Pappmaché.

    Wer das nicht vorher wusste ist selbst schuld.