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Social-Media-Verbot für KinderKopenhagen zeigt, wie’s geht

Anne Diekhoff

Kommentar von

Anne Diekhoff

Kinder und Jugendliche leiden eher unter einem schlechten Selbstbild. Um junge Menschen zu schützen, will Dänemark soziale Medien erst ab 15 erlauben.

In Dänemark demnächst mit Einschränkungen für Kinder: Die Nutzung von sozialen Netzwerken auch auf dem Smartphone Foto: Elisa Schu/dpa

D änemark geht voran: Kinder unter 15 Jahren sollen künftig keine sozialen Medien mehr nutzen dürfen. Die Regierung begründet das Vorhaben mit den negativen Auswirkungen auf das Wohlbefinden und das Sozialleben der Jüngsten. Zwar gehen die Pläne nicht weit genug – mit Erlaubnis der Eltern sollen doch auch schon 13-Jährige auf TikTok & Co aktiv werden dürfen. Aber wenn 13 am Ende die faktische Altersgrenze werde, sei schon viel gewonnen, hieß es von der Kinderschutzorganisation „Red Barnet“ in Dänemark.

Dass die Entwicklung der digitalen Parallelwelten außer Kontrolle geraten ist, bezweifelt wohl niemand. Studien auch aus Dänemark belegen einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Social-Media-Nutzung und einem schlechteren Selbstbild und schlechterer Stimmung unter Jugendlichen. Aber kann ein Verbot die Entwicklung zurückdrehen? Kann die Realität wieder verändert werden, in der längst auch für Erwachsene ein digitaler Dauerkonsum Normalität ist?

Pessimistisch gesehen ließe sich sagen: Der Zug ist abgefahren. Wir kommen nie zurück in die Welt, in der die zentrale Besonderheit einer Kindheit war, im Hier und Jetzt zu leben und sich höchstens um die Meinung von 25 andern Kindern in der eigenen Schulklasse scheren zu müssen. Aber Pessimismus nützt gar nichts, solange noch nicht alles versucht wurde. Verbote wie dieses – das Dänemark mit einer eigenen App zum Altersnachweis umsetzen will – sind ein weiterer Versuch, junge Menschen zu schützen.

Und wir wissen, dass Ge- und Verbote zur Entnormalisierung schädlicher Angewohnheiten beitragen können. Sich im Auto anzuschnallen und nicht einfach überall zu rauchen, wurde auf die Weise zum Standard. Nun ist die gesellschaftliche Bedeutung von sozialen Medien im Alltag allumfassender, sie verhaken sich sozusagen mit allen realen Lebensbereichen. Und sie sollen ja auch nicht abgeschafft werden. Aber dass Kinder dem ausgesetzt werden, bevor sie überhaupt in der Lage sind, die Bedeutung zu erfassen: Das könnte irgendwann als Relikt aus der Vergangenheit gelten, über das man im Nachhinein nur noch den Kopf schütteln wird.

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Anne Diekhoff
Nordeuropa-Korrespondentin
Seit 2022 bei der taz. Erst als Themenchefin in Berlin, jetzt als Korrespondentin in Schweden. Früherer Job im Norden: Trolle verkaufen am Fjord. Frühere Redaktionen: Neue OZ, Funke, Watson. Skandinavistin M.A.
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13 Kommentare

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  • "Aber dass Kinder dem ausgesetzt werden, bevor sie überhaupt in der Lage sind, die Bedeutung zu erfassen: Das könnte irgendwann als Relikt aus der Vergangenheit gelten, über das man im Nachhinein nur noch den Kopf schütteln wird."



    Allerdings mit den Relikten in der Realität, die sich in d. Arbeitswelt schon heute manifestieren oder die die Überforderung der stationären Einrichtungen sowie des ambulanten Sektors der Kinder- u. Jugendpsychiatrie eindrücklich erklären können.



    pta-forum.de:



    "Effekte auf das Kleinhirn



    Eine aktuell in »Scientific Report«, einem Journal der »Nature«-Gruppe, erschienene Arbeit untersuchte Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren, die pro Tag im Durchschnitt 4 Stunden und 44 Minuten mit digitalen Medien verbrachten. Die Forschenden beobachteten, dass eine intensive Nutzung der sozialen Medien zu einer Entwicklungsverzögerung des Kleinhirns führte. Das Kleinhirnvolumen war bei den Kindern, die sich viel in den sozialen Medien bewegten, minimal kleiner. »Das ist eine Einzelstudie und eine Momentaufnahme, eventuell holen die Betroffenen in der Pubertät auf«, kommentiert Timmermann das Ergebnis. Allerdings sei das Kleinhirn eine Kontrollinstanz für..."



    Avanti!

  • Das klingt alles gut und nett, aber wie soll es kontrolliert werden und wie verhindert man eine Umgehung? Ich glaube, da sind Jugendliche erfinderischer und besser als die Soziologen, Pädagogen und Politiker. Vielleicht nützen Zeitkontingente etwas, die könnte man direkt auf der Hardware (Handy, Tablet etc...) einrichten. Aber wenn der Weg ins Internet frei ist, sind Kontrollen kaum noch möglich. Oder hat man noch nie von Fakeprofilen, VPNs über andere Länder etc.. gehört?



    PS: das war vor 50 Jahren auch nicht anders. Wenn man wegen FSK16 einen Film noch nicht offiziell im Kino sehen durfte, hatte man eben seinen Schülerausweis vergessen, hat an der Kinokasse aber versichert, dass man natürlich schon 16 war. Skrupellosere als ich fälschten auch den Ausweis...

  • Zumindest laut Artikel ist mit dem dänischen Verbot wie befürchtet eine Zunahme der Massenüberwachung verbunden, über eine "eigene App" zur Altersverifizierung.

    Klingt irgendwie nach "ach, nur halt eine App mehr", aber es ist eine Barriere und Überwachungsmethode, die große Teile der digitalen Kommunikation betrifft und einen neuen Zwang für alle (!) einführt, sich zu authentifizieren. Das ist keine Lappalie!

    Und der Vergleich mit einem Zigarettenautomat hinkt. Beim Zigarettenautomat erwirbt man ein schädliches und nicht für die Grundbedürfnisse notwendiges Produkt, weshalb eine Altersprüfung angemessen ist. Bei digitaler Kommunikation handelt es sich aber heute um eine der Hauptformen der Kommunikation.

    Und wenn jetzt jemand sagt: geht doch nur um TikTok und Konsorten, dann frage ich zurück: was ist dann "nicht" Social Media? Foren? Dann enden die Kids womöglich bei 4chan und schlimmeren Plattformen.

    Oder kommt dann die Authentifizierungspflicht für jeden Surfvorgang? Dann haben wir nicht nur Big Brother, sondern den feuchten Traum der rechten Tech-Elite erfüllt.

    • @argie:

      Hoch Lebe der Datenschutz. Datenschutz über alles.



      Gut Ihre Meinung. Mich machts nur fertig, wie viele Verbrecher sich hinter Ihrem heiß geliebten Datenschutz verstecken können.



      Ps: was soll es denn den ''rechten Tech-Eliten'' bitte nützen, wenn die zweit wichtigste Konsumentengruppe von ihren Plattformen bis 15, bzw. immerhin wenigstens 13 verbannt werden?



      Die Autorin des Artikels spricht es mMn. echt super an.



      Man sollte zumindest versuchen, Kinder und Jugendliche zu schützen. Ob es auf diesem Weg funktioniert wird die Zeit zeigen.

  • Nicht alle Jugendlichen lieben es draußen rumzutoben, nicht alle Jugendlichen haben viele Freunde. Manche sind eher introvertiert, haben ungewöhnlich Interessen und Vorlieben - und finden in Social Media und Online-Communities Gleichgesinnte und Anerkennung, außerhalb dessen, was Klassenkameraden, Lehrer und Eltern vorleben und akzeptieren. Wer Diversität will, kann diesen Jugendlichen nicht diese Freiheit wegnehmen wollen.

    Die Paralellwelt, die nicht von Eltern und Lehrern kontrolliert wird, das sind oft eben auch die ersten Kontakte mit anderer queeren Jugendlichen, mit anderen, die denselben sexuellen Kink oder dasselbe nerdige Hobby haben.

    Es sind nicht die Kids, die sich auf Social Media daneben benehmen. Es sind oft genug die Eltern, die ohne zu zögern Fotos ihrer Kinder posten und privateste Dinge ihrer Kinder auf Social Media öffentlich machen. Es sind auch nicht die Jugendlichen, die auf Faceboik Nazikommentare posten.

    Diese Generation musste am meisten unter den Coronaregeln leiden, ihr wird der Konsum von Genussmitteln immer schwerer gemacht, zum Wehrdienst wird sie auch wieder eingezogen. Dass wir ihr ihre Online-Kultur kaputt machen, passt ins Bild.

  • Immer die gleiche Leier: als lange Haare in Mode kamen ging die Jugend unter, als die Videokassetten ihren Siegeszug begannen ging die Jugend unter, als die privaten Fernsehkanäle sendeten ging die Jugend unter, als die sozialen Netzwerke kamen ging die Jugend unter, usw. ... Seit Menschengedenken geht es mit der Jugend bergab ... und wir Erwachsene wissen es immer besser ;-)

  • Prinzipiell auf jeden Fall der richtige Weg. Über das entsprechende Alter kann man natürlich diskutieren, aber ich halte die dänischen Vorschläge für realistisch. Zum einen ist nicht jedes Kind gleich, da sollte den Eltern also ein gewisser Spielraum gegeben werden (den diese aber natürlich auch missbrauchen können), zum andern muss ja auch der Umgang mit den Sozialen Medien gelernt werden. Das muss dann entsprechend begleitet werden (Schule und Eltern).

    Was die Umsetzung angeht, ist die Kontrolle natürlich schwierig. Aber alleine das Verbot als solches schreckt ab. Und mit dem gleichen Argument könnte man Altersprüfung am Zigarettenautomat, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder die genannte Gurtpflicht streichen, weil man das alles nicht flächendeckend und lückenlos kontrollieren kann.

  • Für Eltern ist es ein schwieriger Balanceakt. Die eigene "analoge Kindheit" zum Ideal zu erheben und zu denken die Nutzung digitaler Medien wäre nur schädlich, ist natürlich falsch. Es ist rückwärtsgerichtet, wird der heutigen Lebensrealität von Heranwachsenden nicht gerecht und blendet die positiven Aspekte digitaler Mediennutzung aus. Aber natürlich gilt auch hier, dass Kinder Orientierung und dafür auch Grenzen brauchen. Und ja, die digitalen Welten und Möglichkeiten sind tatsächlich ausufernd und laden zu grenzenlosem Konsum ein. Bei Social-Media sind die dauernden, auch persönlichen Bewertungen, das Heischen nach Aufmerksamkeit und die Gefahr von Cybermobbing echte Probleme. Hier regulierend zu intervenieren halte ich für richtig und kindgerecht. Es ist auch eine Hilfe für Eltern bei ihrer Herausforderung bezüglich des Umgangs mit dem Medienkonsum ihrer Kinder.

    • @Peta Parka:

      Die Lebensrealität von Heranwachsenden wird nur zusehends auf die digitale Welt übertragen und von ihr dominiert. Fängt schon im Kleinen an.

      Wenn ich mit meinen Töchtern shoppen gehe, wird von jeder Anprobe ein Selfie gemacht und dann gepostet. Entsprechend der Reaktionen wird dann entschieden.

      Diese Einflussnahme ist in vielen anderen Bereichen auch zu finden und führt letztlich dazu, dass viele Jugendliche sich schwer damit tun autark zu handeln und eigenmächtige Entscheidungen zu treffen.

      Hinzu kommt das die Erwartungshaltung der ständigen Verfügbarkeit auch zu Abhängigkeiten und somit zu Stress und inneren Druck führt. Diesen Zwang auf Post unmittelbar zu reagieren, kenne ich ebenfalls von meinen Töchtern. Und es ist sehr schwierig davon loszukommen und sich der Gruppendynamik zu entziehen ohne gleichzeitig als Außenseiter dazustehen.

      Auf die Inhalte einzugehen, erspare ich mir an dieser Stelle. Meist ist es lediglich eine Aneinanderreihung von Nichtigkeiten.

      Die positiven Seiten von Chats und Social Media haben sich mir jedenfalls noch nicht erschlossen.

      .

  • Persönlich begrüße ich den Ansatz aus Dänemark sehr.

    In Norwegen plant die Regierung ebenfalls eine Altersverifizierung und schon jetzt ist die Nutzung für unter 13jährige untersagt. Das Problem ist nur, es hält sich keiner daran und das liegt auch an der Unterstützung durch die Eltern.

    Eine Umfrage 2024 unter norwegischen Schülern hat ergeben, dass schon 58% der Neunjährigen Social Media nutzen. In höheren Altersgruppen sind es 72%.

    In Norwegen hat es sich kulturell schon eingebürgert, dass über Gruppenchats nicht nur die Kinder sondern die ganze Familie kommuniziert. Da werden Sportveranstaltungen, Geburtstagspartys oder Einladungen geplant oder koordiniert.

    Es liegt meiner Ansicht daher weniger an den technischen Angeboten, als vielmehr an der Kultur, wie mit sozialen Medien umgegangen wird. Medienkompetenz und zwar nicht nur für Kinder sollte daher ganz oben auf der Agenda der Regierung stehen und auch entsprechend gefördert werden.

  • Kinder sollten spielen, sollten mit anderen Kindern zusammen sein. Wenn sie alleine irgendwo abgedunkelt mit einem Handy oder Tablet beschäftigt sind, fehlt ihnen etwas. In Deutschland kriegen viele Kinder mit 10/11 Jahren ihr erstes Smartphone und steigen in einen Kreislauf aus digitalem spielen und Social Media ein, der klar negative Wirkung hat. Ob sich das Problem mit einem Verbot beheben lässt?



    Da bin ich unsicher. Aber es ist eine klare Aussage.



    Ich wünsche mir, dass auf jeder Verpackung eines Handys, Tablets oder Playstation deutlich steht, dass diese Geräte süchtig machen können und Schäden anrichten können.

    • @Andreas_2020:

      Ich bin mir nicht sicher, dass derartige Hinweise gegen die gravierend ansteigende kognitive Dissonanz etwas ausrichten.



      Handeln wider besseres Wissen ist eine der häufigsten Alltagserscheinungen.

    • @Andreas_2020:

      Mit dem Verbot allein wird es sich nicht lösen lassen, aber es schafft eventuell ein gesellschaftliches Gefühl, dass sich die Haltung ändern muss. Komplett auf Handy oder Tablet wird man bis 15 keinesfalls mehr verzichten können, das funktioniert nicht mehr. Aber das ist ja nicht gleichbedeutend mit sozialen Medien (Gelegenheit macht aber natürlich auch Nutzer). Meine Söhne haben mit 10 gerade am Gymnasium angefangen und da haben sie direkt einen Account bekommen, über den die Stundenpläne abgerufen werden müssen, Meldungen verschickt werden und Krankmeldungen abgegeben werden müssen. Das gibt es einmal für Schüler, einmal für die Eltern. Die beiden haben jetzt ein Tablet (ohne Sim) mit dem sie unbegrenzt diese Seite aufrufen können, alles andere was wir zugelassen haben (sehr wenig) für maximal 30 Minuten. Bisher lief es noch recht problemlos, spannend wird es, wenn immer mehr in der Klasse ein eigenes Handy haben.