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Sitzungswoche im BundestagEin Haushalt der Zuversicht

Zum Auftakt der Haushaltsdebatte ermahnt Wolfgang Schäuble (CDU) die AfD. Finanzminister Scholz verspricht mehr Sozialwohnungen.

Die drei Optimisten: Seehofer, Scholz und Merkel während der Haushaltsdebatte Foto: dpa

BERLIN taz | Gong. Die Abgeordneten erheben sich, ebenso die Zuschauer und Journalisten auf den Rängen. Wolfgang Schäuble (CDU), Präsident des Bundestages, treibt die Räder seines Rollstuhles voran, fährt hinter das Mikrofon – und startet diese Debatte über den Bundeshaushalt 2019 anders als normal. „Ausländerfeindlichkeit, Hitlergrüße, Nazisymbole, Angriffe auf jüdische Einrichtungen – für all das darf es weder Nachsicht noch verständnisvolle Verharmlosung geben“, sagt er mit Blick auf die Auseinandersetzungen in Chemnitz und Köthen.

In beiden Städten ist nach Streiten mit Migranten jeweils ein Einheimischer gestorben. Bürger, aber auch Nazis demonstrierten. Schäuble: „Die Ereignisse in Chemnitz zwingen uns zu einer Unterscheidung zwischen den unentschuldbaren Gewaltexzessen und den Sorgen, die viele Bürger umtreiben.“ Menschen, die sich vor Veränderungen, auch Zuwanderung fürchteten, müssten genauso ernst genommen werden wie die, die sich für Offenheit und Solidarität einsetzten.

Der Bundestagspräsident betont: „Das Gewaltmonopol des Staates und die Durchsetzung des Rechts sind nicht relativierbar.“ Er will dies verstanden wissen als Botschaft an Links- wie Rechtsradikale. An mehreren Stellen erhält Schäuble demonstrativen Applaus auch von der AfD. Offenbar wollen sich Alice Weidel, Alexander Gauland und ihre Leute von den Hitler-Grüßern distanzieren und zeigen, dass sie Mitte-rechts seien und nicht hart-rechts.

Die Auseinandersetzung zwischen der großen Mehrheit des Bundestages und den Rechten formte auch die Debatte über die Finanzen des kommenden Jahres. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte seine Zahlen einen Etat der „Zuversicht“: Der Entwurf sei eine „bessere Antwort als die Spaltung der Gesellschaft“. Die Bürger sollten nicht den Leuten glauben, die „schlechte Laune verbreiten“.

Selbstlob für das Familienentlastungspaket

Scholz erklärte, dass sein Haushaltsplan „solide“ sei, ohne neue Schulden auskomme, eine gute „Vorsorge für die Zukunft darstelle“ und den „sozialen Zusammenhalt“ stärke.

Besonders lobte er das sogenannte Familienentlastungspaket von Union und SPD, das unter anderem ein höheres Kindergeld und einen höheren Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommensteuer enthält. Der Bundesfinanzminister verkaufte das als Entlastung für kleine und mittlere Einkommen, wobei Gutverdiener teilweise sogar mehr profitieren.

Offenbar wollen sich Weidel und Gauland von den Hitler-Grüßern distanzieren

Zusätzliche Mittel sollen in den Wohnungsbau fließen. Die Regierung plant ein neues Baukindergeld, um Familien den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern. Die Abschreibungsbedingungen für Investoren werden verbessert. So soll schneller und mehr gebaut werden. Ein Anliegen war Scholz auch das Thema „Sozialwohnungen“.

Obwohl der Bund Milliarden zur Verfügung stellt, sinkt die Zahl der geförderten, billigen Apartments. Die Koalition peilt deshalb an, das Grundgesetz zu ändern. Man will Druck auf die für den Bau von Sozialwohnungen zuständigen Länder ausüben.

Die Opposition übte Kritik am Haushaltsentwurf. „Zu viel Geld für Soziales“, sagte die FDP, „zu wenig Geld für Soziales“ die Linke. Den Grünen fehlt es an Zukunftsinvestitionen und der AfD an einer Rücklage für die zukünftigen Renten.

Für die Populisten hatte Scholz noch ein Bonbon parat: mehr Polizisten und mehr Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Bamf, zuletzt in der Kritik wegen falscher Asylbescheide, solle eine „hochleistungsfähige Behörde“ werden. Mit dieser Ansage sorgte der Finanzminister für Schenkelklopfer auf der Rechten des Plenarsaals.

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1 Kommentar

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  • "Zusätzliche Mittel sollen in den Wohnungsbau fließen. Die Regierung plant ein neues Baukindergeld, um Familien den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern. Die Abschreibungsbedingungen für Investoren werden verbessert. So soll schneller und mehr gebaut werden."

    Nicht für die 55%, die zur Miete wohnen und nicht für die 40% von Ihnen, die hohe Mietbelastung haben