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Inwiefern sind Polizei, die Basij, und die Sittenpolizei denn ein und dieselbe Organisation? Es ist ja schön und gut das wir aus dem Westen heraus immer gleich einen Regime-Wechsel wollen, wie die Operation Ajax schon damals zeigte. Nur genau diese Forderungen macht es schwer (wie auch in Russland, China, Venezuela,...) für die Oppositionsparteien und -organisationen in den Ländern Befürworter zu finden. Ich selbst war zu den white-scarf-Demonstrationen die damals auch 2017 schon stattfanden dabei. Auch ich war den Basij gleich am ersten Tag "aufgefallen". Wurde über Stunden zivil verfolgt, ehe man mich dann in die Basij-Zentrale brachte und da mehr als 4 Stunden "unterhielt", nachdem sich meine Mitnahme als fälschlich erwies, wurde ich in das Hostel zurückgefahren mit einem kleinen Abstecher beim Street Food-Stand. Am nächsten Tag dürfte ich nochmal für mehr als 5 Stunden bei der Polizei sitzen. Hab mein Statement unterschrieben mit Unterschrift und Fingerabdruck. Und am Ende dürfte ich noch ein Statement unterschreiben wo im Text "not tortured" drinstand, ebenso wieder mit Unterschrift und Fingerabdruck. Aber die Sittenpolizei wurde mir von jedem Iraner wo ich mitwohnte, als jene mit der "grünen Kleidung" vorgestellt (neben den zivilen natürlich). Aber immer als getrennte Einheit zu Polizei, Basij oder wen auch immer. Da finde ich diese Verkettung etwas irreführend. Denn wir verketten Polizeigewalt, Rechtsunterstützung durch des VS, auch nicht alles zusammen als DAS SYSTEM...eine klarere Differenzierung täte hier wohl gut.
Zitat: "Ob die Sittenpolizei abgeschafft wird oder nicht – für die Menschen im Iran macht es keinen Unterschied."
Allenfalls bekommt das unmenschliche einen neuen Namen. Die Iraner sollen stark bleiben und sich dieses Regimes entledigen!
Leider ist auch an diesem Beitrag wieder zu beobachten: Die Autorin befasst sich mit der Abschaffung der Sittenpolizei, stellt sogar fest, dass es eigentlich um die Abschaffung des „Systems“ geht – und das war’s!
Keine Antwort auf die Frage: „Was kommt danach?“, falls dieses System wirklich gestürzt würde. Daran ist auch die „Jasmin“-Revolution nach 2010 in Tunesien (und anderen Ländern) gescheitert: Niemand hatte ein Konzept für die Zeit danach. Und so kehrte nach der anfänglichen Euphorie das alte System Stück für Stück zurück!
@Pfanni Nun, die Iraner werden ein Problem nach dem anderen lösen müssen.
Punkt 1 Überwindung des Regimes.
Ansonsten denke ich, die Iraner haben dank Internet und guter Bildung eine recht konkrete Vorstellung, wie sie künftig leben wollen.
Die Mehrzahl hat der Gottesstaat in ihrer inneren Einstellung sicher nicht näher zu Gott gebracht, ganz im Gegenteil, wie unabhängige Befragungen nahelegen.
@Pfanni Ich kann ihnen auch nicht sagen, was danach kommen soll.
Aber sind Sie der Ansicht, die Iranerinnen und Iraner, die seit Monaten unter Einsatz ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit gegen das verhasste System kämpfen, dies besser bleiben lassen sollten?
Weil, wer weiß, vielleicht wird es sonst ja noch schlimmer?
Wenn diese Haltung in der Geschichte vorgeherrscht hätte, es hätte wohl nicht eine Revolution stattgefunden.
Meines Wissens ist das Bildungssystem im Iran ziemlich gut, die Anzahl der Studierenden ist etwa auf dem Level Israels und höher als das der Schweiz.
Aus diesem System werden womöglich auch ein paar schlaue politische Köpfe hervorgegangen sein.
Ja, leider eine nachvollziehbare Einschätzung.
Wie ernst "der Westen" die Sache mit den Menschenrechten meint sehen wir z.B. daran, wenn "der grosse Bruder" mal wieder jemanden wirklich grillen will (Snowden, Assange), oder wenn geopolitische Befindlichkeiten im Vordergrund stehen (Kurd*innen, Türkei). Oder wenn wir Menschen in Lagern stecken, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen (echt jetzt? Bei der Vorgeschichte?).
Und die "Bild"... lassen wir das.
Mich hätte eine argumentation interessiert, warum die Abschaffung der Sittenpolizei für den Westen geschehen soll.
Die iranische Regierung hat so massive Probleme im Inland, dass sie etwas tun muss.
Und natürlich kommen als Erstes nur kosmetische Änderungen.
Gehen die Proteste weiter, werden auch die nächsten Maßnahmen nur kosmetischer Natur sein.
Dass diese Auflösung der Sittenpolizei die Bevölkerung befrieden soll, wäre logisch nachvollziehbar.
Warum sie es nur für das Ausland tun soll, eher weniger.
In Umfragen ist die AfD stark wie nie. CDU-Chef Merz beschuldigt die Ampel, Grüne und SPD halten dagegen.
Sittenpolizei des iranischen Regimes: Der Westen lässt mit sich spielen
Sittenpolizei hin oder her – Unterdrückung von Frauen und menschenverachtende Ideologie sind Grundpfeiler des Regimes.
Die Sittenpolizei war nur die Spitze des Eisbergs, das wissen die Iraner:innen und ihre Verbündeten Foto: reuters/Henry Nicholls/File Photo
Die Nachricht schlug ein. Zumindest in deutschen Medien. Bild.de titelte am Sonntag: „Mullah-Regime löst iranische Sittenpolizei auf!“ Auf allen großen Nachrichtenseiten war die Meldung zu lesen, dass der iranische Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri am Samstag verkündet hat, die sogenannte Sittenpolizei aufzulösen.
Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die Meldung so wirklich stimmt: Denn Montaseri hat im gleichen Atemzug gesagt, dass die Kontrollen weitergehen sollen. Insgesamt gab es am Sonntag einige widersprechende Meldungen. Auch über Dementi vonseiten des iranischen Regimes wurde in den sozialen Medien gesprochen. Grundsätzlich kann man sagen: Ob die Sittenpolizei abgeschafft wird oder nicht – für die Menschen im Iran macht es keinen Unterschied.
Es war ebendiese Sittenpolizei, die Jina Amini am 13. September festgenommen hat. Ihr Tod löste die Protestbewegung aus, die nun seit fast drei Monaten mit unvorstellbarer Kraft Widerstand gegen das System der Islamischen Republik leistet.
Genau darum geht es: um das System. Über die Sittenpolizei spricht im Iran schon lange niemand mehr. Sie spielt bei der Niederschlagung der Proteste keine Rolle, ebenso wenig bei der systematischen Ausübung sexualisierter Gewalt in iranischen Gefängnissen oder bei der Verhängung von Todesurteilen. Die Menschen wollen nur eines: den Sturz des Regimes. Sie wollen Frau, Leben, Freiheit.
Die Sittenpolizei ist ohnehin eine eher neue Erfindung in der Islamischen Republik. Die „Sitten“, wie sich Frauen zu kleiden, was sie zu tun und zu lassen haben, gibt es seit 1979, seit der Machtübernahme Ruhollah Chomeinis. Polizei und Basidsch-Milizen kontrollieren und setzen diese Regeln mit äußerster Brutalität durch – auch schon vor der Einführung der Sittenpolizei 2005.
Im Iran hat die Meldung vom Sonntag viele Menschen gar nicht interessiert. Sie wissen, wie das Regime agiert. Im Iran gehen viele davon aus, dass die Verkündung, die Sittenpolizei abzuschaffen, eine Ablenkung ist. Westlichen Staaten soll signalisiert werden, dass der Iran sehr wohl reformfähig sei – ein Spiel, dass das Regime seit vielen Jahren mit dem Westen spielt. Das überwältigende Echo deutscher Medien ist ein Hinweis darauf, dass dieses Spiel immer noch allzu gut funktioniert.
Unterdrückung der Frauen und menschenverachtende Ideologie sind Grundpfeiler des Regimes. Die iranische Führung hat vor 2005 auch ohne die Sittenpolizei erfolgreich Frauen unterdrückt und wird es weiter tun – Sittenpolizei hin oder her.
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Proteste in Iran 2022 und 2023
Kommentar von
Gilda Sahebi
Autorin
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
Themen
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