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Signalkabel durchtrenntBahnchaos wegen Sabotage

Nach den Zugausfällen in Norddeutschland erklärt die Regierung: Es war ein Anschlag. Und wieder entbrennt die Debatte um den Schutz der Infrastruktur.

Auch in Hannover strandeten Reisende aufgrund der Signalstörung im Bahnverkehr Foto: Moritz Frankenberg, dpa

Berlin taz | Die großflächigen Zugausfälle in Norddeutschland vom Samstag wurden durch Angriffe auf Bahneinrichtungen verursacht. Das bestätigten mehrere MinisterInnen der Bundesregierung am Nachmittag. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) erklärte: „Die Bahn war heute Ziel eines Anschlags.“ Kabel, die für den Zugverkehr unverzichtbar seien, seien an zwei Standorten „mutwillig durchtrennt“ worden. Es handele sich um gezielte „Sabotageakte“.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, man müsse von vorsätzlichen Taten ausgehen. „Die Hintergründe sind noch unklar, die Bundespolizei ermittelt mit Hochdruck.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach ebenso von einem „Sabotageakt“. Er betonte: „Sollte es einen verfassungsfeindlichen Hintergrund geben, wird der Generalbundesanwalt ermitteln.“

In Sicherheitskreisen hieß es zunächst, konkrete Hinweise auf Täter oder Hintergründe lägen noch nicht vor.

Am Samstagvormittag hatte die Bahn zunächst eine „Zugfunkstörung“ mitgeteilt und den Bahnverkehr in Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein weitgehend eingestellt. Betroffen waren neben dem Personen- auch der Güterverkehr. Nach taz-Informationen wurden im Berliner Ortsteil Karow und im nordrhein-westfälischen Herne Signalkabel durchtrennt, die für die digitale Funkkommunikation zwischen den Leitstellen und den Zugführer:innen, Bahn­be­glei­te­r:in­nen und Stellwerken unverzichtbar seien.

Am Mittag lief der Zugverkehr schließlich wieder an, es kam aber weiterhin zu Verzögerungen. Wissing dankte den Bahn-Mitarbeiter:innen für ihr „schnelles und besonnenes Handeln“. Dieses habe dafür gesorgt, dass der Bahnverkehr wieder aufgenommen werden konnte.

Debatte über Schutz kritischer Infrastruktur entbrannt

Schon nach den mutmaßlichen Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines war eine Debatte über die Sicherheit der kritischen Infrastruktur in Deutschland entbrannt. Wissing sagte dazu am Samstag nur, die Infrastruktur sei für Deutschland „unverzichtbar“. Es gebe dafür „hohe Sicherheitsstandards“.

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour konterte die Bahn-Sabotage mit einer Kampfansage. „Wer systematisch kritische Infrastruktur unseres Landes angreift, bekommt eine entschlossene Antwort unserer Demokratie“, twitterte er. „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Der Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland sei ungenügend, die bisherigen Mittel reichten nicht aus. Die Grünen pochen schon länger auf ein Dachgesetz für die kritische Infrastruktur.

Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle erklärte, die Verursacher der Bahnsabotage wollten „Verunsicherung und Zwietracht säen“. Er forderte ebenso Aufklärung und einen besseren Schutz kritischer Infrastruktur in Deutschland.

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9 Kommentare

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  • Ich habe die Szene in der Projektbesprechung bildlich vor mir:

    "Jetzt kann eigentlich nur noch was passieren, wenn jemand beide Kabel, das in Berlin und das in Herne, gleichzeitig durchschneidet" ...

  • Aha, alles muss besser geschützt werden. Dann aber nicht wieder meckern und jammern, dass die Kosten steigen und Bahn Preise erhöht, gelle.

  • Bei dem "Hekla-Empfangskommitee - Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen" scheint die Klimaerhitzung noch nicht angekommen zu sein.

    Wie dämlich muss man eigentlich sein, um sowas jetzt noch zu bringen?

  • Im Gegensatz zu den Sabotageaktionen auf Nord-Stream 1 und 2 waren für die aktuelle Aktion vermutlich keine umfangreichen Voraussetzungen für Planung und Ausführung nötig. Selbst die linksmilitante Szene hierzulande schaffte das vor einigen Jahren, siehe taz.de/Bundesweite...ahnkabel/!5422726/



    Besonders blöd ist, dass die Saboteure stets einen Schritt voraus sind. Wenn der Schaden offenbar wird, müssen erstmal der Ort gefunden, der Schaden repariert werden. Falls die Täter tatsächlich ermittelt werden können, ist viel Zeit vergangen und die Betreffenden sind längst auf und davon. Aber der Schaden ist angerichtet. Vorbeugung ist kaum möglich. Mit geringstem Aufwand wird größtmöglicher Schaden angerichtet.



    Wenn der Auftrag zu dieser Aktion nicht bereits von Putin kam, dürfte ihn das Ergebnis jedenfalls auf entsprechende Ideen gebracht haben!

    • @Pfanni:

      Vorbeugung ist möglich, naja, wäre möglich gewesen. In einem Netz sollten mehrere Wege zu einem Ziel führen.



      Der Kölner Hauptbahnhof ist ja auch nicht nur über die Hohenzollernbrücke erreichbar.



      Qualitätsmanagement, ich glaube nach 6 Sigma, arbeitet an der Vermeidung von Single Points of failure. Anscheinend gibt es im Netz der Deutschen Bahn mindestens zwei Punkte an denen ein Fehler (Sabotage oder anderes) zu einer großen Störung führen.



      Da Kabel aber nicht nur ein Punkt, sondern ziemlich lang sind, könnte man dieses an der ganzen Strecke.



      An einer Kette Brauch nur ein Glied brechen, bei einem Seil müssen schon viele Fasern reißen, in einem Netz müssen viele Stränge getrennt werden.



      Wer ist für das Netz der Bahn verantwortlich?

      • @Mr.Henry:

        "Wer ist für das Netz der Bahn verantwortlich?" - wahrscheinlich die DB Netz GmbH.

        Aber es ist an der Berichterstattung nicht erkentlich, ob die Sabotage an (eigenen) Leitungen der Bahn stattfand oder bei einem (externen) Netzbetreiber (T-Systems, Level-3, Arcor etc.)

  • "Redundant" ist nicht der Fachbegriff für überflüssiges sondern für die, in Reserve gehaltene doppelt (oder mehr) vorhandene Leitungen und Anlagen. Insbesondere Kritische Infrastruktur soll ja zuverlässig funktionieren.



    Dazu gehört auch die Batterieversorgung der Mobilfunkstandorte. Diese wurde schon vor zehn Jahren als unnötig eingeschätzt und 'eingespart'. Stromausfall sorgt seitdem auch für Mobilfunkausfall. Warnapps inklusive.



    Netzarchitektur ist in Deutschland auf Weltniveau, nicht hervorragend.

    Viele Grüße vom Netzwerkfachmann.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Linksextremisten oder russische Saboteure? Oder beides in einer Gruppierung?

    www.tagesspiegel.d...-lahm-7010965.html

  • Nicht der Schutz der Infrastruktur ist unzureichend sondern die Architektur der Infrastruktur.



    Billig, Billig, Billig.



    Keine Redundanz, keine Ausfallstrategien, keine Reserven.

    Stuttgart 21 und die totale Unfähigkeit solche Projekte zu stemmen ist vielleicht eine amüsante Petitesse - der großflächige Ausfall nahezu aller Bahnverbindungen ist eine Katastrofe.



    Beides indes zeugt davon, dass der Fachkräftemangel auch an der Spitze der Bundesbahn angekommen ist.

    Aber vermutlich ist "Fachmann" auch garnicht die geforderte Qualifikation.



    "Stallgeruch" steht da ja offenbar viel weiter oben im Anforderungsprofil der Bahn-Topmanager.

    Sabotage hin oder her: Eine Infrastruktur die durch Schäden an nur zwei Punkten großflächig ausfällt ist untragbar.