piwik no script img

Sicherheit in der U-Bahnlinie 8Reinigungstipps von ganz oben

Das Projekt „Reinigungsstreife“ auf der U-Bahnlinie 8 soll ausgeweitet und bis Ende des Jahres verlängert werden. Aber es gibt auch Kritik daran.

Sauber, sicher – aber auch fair? Foto: Jens Kalaene/picture alliance/dpa

Berlin taz | Wie es in der Wohnung von Franziska Giffey (SPD) aussieht, wissen wir nicht, aber so viel ist klar: Der Boden ist immer gut gefeudelt. Denn „das Thema Nassreinigung ist ganz entscheidend – man kennt das ja von zu Hause“, findet die Wirtschaftssenatorin, die auch dem BVG-Aufsichtsrat vorsitzt.

Um die BVG ging es auch in Giffeys Hygiene-Statement: Zusammen mit dem Regierenden Bürgereister Kai Wegner und der neuen Verkehrssenatorin Ute Bonde (beide CDU) sowie dem Vorstandschef der Verkehrsbetriebe, Henrik Falk, freute sie sich am Donnerstag im U-Bahnhof Janowitzbrücke über den Erfolg des Projekts „Reinigungsstreife“. Dabei waren 3 Monate lang auf den Bahnhöfen der U8 zwischen Jannowitzbrücke und Hermannstraße die Reinigungsteams aufgestockt und mit Sicherheitsleuten verstärkt worden.

Dieser Einsatz für mehr „Sauberkeit und Sicherheit“ gefiel den Beteiligten so gut, dass sich nun eine 6-monatige Phase auf der gesamten U8 bis Wittenau anschließen soll. Auch den KundInnen habe das Konzept zugesagt, so Falk: Von rund 10.000 befragten Fahrgästen hätten es 80 Prozent positiv bewertet. Bei den MitarbeiterInnen seien es sogar satte 96 Prozent gewesen.

Viele ÖPNV-NutzerInnen hätten eben die Erwartung, dass Züge und Bahnhöfe sicher und sauber seien, meinte Kai Wegner, der sich über die Entscheidung „wahnsinnig“ freute. Und nur wenn diese Menschen nicht enttäuscht würden, „wird uns die Verkehrswende gelingen“.

„Eigentlich selbstverständlich“

Auch Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB, der die schmuddelige U8 sonst meidet, wo Drogenkonsum und Verwahrlosung immer mitfahren, ist angetan vom neuen Erscheinungsbild der Teilstrecke. Wobei: „Eigentlich reden wir über Selbstverständlichkeiten“, sagte er am Rande der Termins. „Aber dazu brauchte es offenbar einen Regierungswechsel.“

Nicht in die Sicherheitsblase rund um den Regierenden Bürgermeister durften AktivstInnen von der Gruppe „Ihr seid keine Sicherheit“ (ISKS), die auf dem Bahnsteig Protestschilder in die Höhe hielten. Sie kritisierten die Verdrängung wohnungsloser und drogenabhängiger Menschen und verwiesen auf die Ergebnisse einer eigenen Umfrage.

Deren Ergebnisse klingen völlig anders: 82 Prozent von 1.200 Personen hätten das Pilotprojekt nicht sinnvoll gefunden, fast die Hälfte habe sich durch das Security-Personal „eingeschüchtert oder beängstigt“ gefühlt. ISKS-Sprecher Yazan Wagner: „Saubere Bahnhöfe wird es dann geben, wenn die Politik aufhört, Menschen wie Dreck zu behandeln.“

Ein ebenfalls anwesender Vertreter der Stadtmission dagegen untertützte das Vorgehen der BVG: Der sei es „vorbildlich gelungen die „Partner in den Sozialräumen einzubeziehen“. Den Menschen, die die Bahnhöfe verlassen müssten, werde unter anderem mit der „Shelter Map“ der Berliner Kältehilfe geholfen, einem kleinen U-Bahn-Netzplan, der unter anderem auf Polnisch, Bulgarisch, Romanes und Russisch auf erreichbare Hilfsangebote verweist.

Nur eines konnte am Donnerstag keiner der Verantwortlichen sagen: was die Ausweitung der „Reinigungsstreife“ eigentlich kosten wird. Für den Pilot waren immerhin 700.000 Euro veranschlagt worden. Man müsse das erst noch prüfen, hieß es. Wobei das nasse Auswischen von Bahnhöfen wie Paracelsusbad oder Rathaus Reinickendorf dann vielleicht doch seltener nötig sein wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Mir wird ganz schlecht, wenn ich diese Aussagen lese. Putzen und dann gelingt die Verkehrswende? Sagt ein Regierender, dessen Partei alles tut, um diese zu verhindern und das auch schon im Wahlkampf klarmachte ("Berlin ist für alle da - auch für Autofahrer"). Und der IGEB- Mensch freut sich über diesen Regierungswechsel. Hm. Beim Fahrgastverband geht's vermutlich auch nur um Bequemlichkeit, nicht um größere Zusammenhänge.



    Von Giffey und ihrer SPD auf CDU-A*glöckchen-Kurs ist man auch nicht mehr überrascht.



    Alles super, nur ein bisschen saubermachen, dann fahren 5 Leute mehr U-Bahn und oben bleibt alles wie es ist.

  • Es wird Drogenabhängigen und Obdachlosen absolut nicht geholfen, wenn man sie einfach ignoriert, um sie nicht zu "verdrängen".

    Und ehrlich gesagt: wenn ich, so wie neulich, erleben muss, dass ein sturzbetrunkener Mann am helllichten Tag mitten in der vollen Bahn seinen Hosen öffnet und vor versammelter Mannschaft in den Mittelgang pinkelt, dann ist mir zwar klar, dass dahinter ein massives soziales Problem steht, aber das macht es eben auch nicht weniger widerlich. Natürlich ist das immer noch ein Mensch, der Achtung verdient und Würde hat, aber eben auch Hilfe braucht. Und diese Hilfe besteht nicht darin, dass ich ihn gewähren lasse und so tue, als sei so etwas eben irgendwie ganz normal für den ÖPNV einer Großstadt und dass man es nicht ändern könne.

    • @Suryo:

      Das änder, denke ich, nur nichts an der Problematik die quasi im viert- und drittletzten Absatz angeschnitten wird, wo es um die Form geht wie Sicherheitspersonal agiert/wirkt, und was darüber hinaus passieren würde, wenn dann Polizei dazukommen würde. Im Artikel von Gernot Knödler taz.de/Bettelverbo...U-Bahnen/!6009293/, ähnliche Problematik, kann man sehen das Verkehrsbetriebe „überhart“ agieren können, das ist dann noch automatisch mit der Politik der Stadt verknüpft.

      Das man in ihrem „Extrembeispiel“ wohl in irgendeiner Form agieren muss, ist wohl so. Sollte aber jemand z.b. nur ein Bier trinken, besoffen in der Bahn mitfahren oder Wohnungslose ohne Ticket fahren damit sie mal im warmen und trockenen sitzen, sehe ich noch keinen Handlungsbedarf. Da möchte ich als zahlender Kunde auch nicht das der Verkehrsbetrieb die Kosten, für eine Security Lösung , an mich weitergibt. Kenne die Situation in Berlin aber auch nicht persönlich.

      Denke es gibt, vereinfacht gesagt, das schwierige Problem was wann gemacht werden soll/kann, da muss man aber schon auch aufpassen das man nicht in billige Law and Order Praxis abdriftet.

      • @serious?:

        Zumindest in der U8 in Berlin war die Situation irgendwann wirklich oft unerträglich. Da haben sich Leute teils vor Kindern Spritzen gesetzt und manche mit fäkalienbeschmutzten Klamotten in der Bahn gelegen. Sie können sich sicher vorstellen, wie das riecht. Das ging weit über das zu tolerierende hinaus und hatte auch nichts mehr mit dem rauen Charme Berlins zu tun. Das war einfach nur elendig, beängstigend und unhygienisch. Es kann nicht sein, dass die Bahnen und ihre Fahrgäste die Folgen von sozialpolitischen Versäumnissen und individuellen sozialen Problemen ausbaden müssen.

  • Es ist nicht Aufgabe eines Verkehrsunternehmen Zb.Obachlosen oder Drogenkranken in ihren Bahnhöfen dauerhaften Aufenthakt zu gewähren. Dafür gibt es staatliche Stellen Aber auch private Organisatinen wie Caritas, Obdochlosenvereine, Suppenküchen, Schlafstellen usw.