piwik no script img

Shell springt bei Hamburger Projekt abWasserstoffwende fehlt die Kohle

Hamburg will eine große Anlage bauen, die grünen Strom in Wasserstoff verwandelt. Jetzt ist mit Shell ein großer privater Geldgeber abgesprungen.

Will Wasserstoff verkaufen, aber nicht produzieren – jedenfalls nicht in Hamburg Foto: Boris Roessler/dpa

Bei einem Leuchtturm-Projekt der Hamburger Energiewende ist einer der großen privaten Projektpartner abgesprungen. Wie Shell auf Anfrage der taz bestätigte, hat der Energiekonzern „beschlossen, den Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH) in Moorburg zu verlassen“. Shell werde sich anschließend aus dem HGHH-Konsortium zurückziehen und die Kapazitäten auf andere Shell-Wasserstoffprojekte konzentrieren.

Der Rückzug von Shell ist ein Rückschlag für die Bemühungen des Senats, Hamburg zu einem führenden Standort der Wasserstoffwirtschaft in Europa zu machen, wie es Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Oktober formuliert hat. Denn der Absprung von Shell gefährdet den Plan, einen mindestens 100 Megawatt großen Elektrolyseur im Hafen zu bauen.

Die Anlage soll aus überschüssigem grünem Strom Wasserstoff herstellen und damit Energie speichern. Damit sitzt sie wie eine Spinne mitten im Netz zwischen Energieerzeugern und Verbrauchern. Denn der aus Wind und Sonne erzeugte Wasserstoff kann wieder in Treibstoffe, Grundstoffe der chemischen Industrie oder etwa für die Stahlverhüttung verwendet werden.

Der Elektrolyseur ist das teuerste von acht Projekten des Wasserstoffverbund Hamburg, die der Bund im vergangenen Jahr für eine Förderung ausgewählt hat. Grundlage dafür ist das europäische Förderinstrument „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI), das Ausnahmen vom Subventionsverbot erlaubt.

Vattenfall als Investor wackelt auch

Die Gesamtinvestition von fast 700 Millionen Euro wollen Bund und Land mit gut 150 Millionen Euro fördern. Der Löwenanteil sollte einer Absichtserklärung vom Januar 2021 zufolge von den städtischen Hamburger Energiewerken (HENW, 25,1 Prozent), Mitsubishi, Shell und damals noch Vattenfall kommen.

Hamburgs H2-Projekte

Hamburg Green Energy Hub: Im Hafen soll ein Elektrolyseur gebaut werden, der Überschüsse an Wind- und Sonnenstrom in Wasserstoff umwandelt.

Hamburger Wasserstoff-Industrienetz (HH Win): Ein 40-Kilometer-Leitungsnetz soll die Betriebe südlich der Elbe mit grünem Wasserstoff versorgen.

H2 für Hamburg/H2Ready: Der Stahlkonzern Arcelor Mittal will Stahl mit Wasserstoff statt mit Erdgas und damit ohne CO2-Emissionen erzeugen.

H2Load – Hydrogen Logistics Applications & Distribution: Der zum Teil der Stadt gehörende Hafenbetreiber HHLA will seine Schwerlasttransportfahrzeuge auf den Terminals mit Wasserstoff-Brennstoffzellen statt mit Diesel betreiben.

Hypa – Hydrogen Port Applications: Die Hafenbehörde HPA will Wasserstofftankstellen für Lokomotiven, Schiffe und Laster einrichten. Zudem sollen zwei HPA-Schiffe mit Wasserstoff fahren.

H2Hadag: Die Hadag betreibt die Hafenfähren. Bis 2032 sollen sie emissionsfrei sein.

H2SB – Hydrogen Schubboot: Ein emissionsfreies Schubboot mit Brennstoffzellen und Pufferbatterien.

Länderübergreifend zusammen mit Shell und Total ein H2-Tankstellennetz.

Dem schwedischen Staatskonzern gehört das stillgelegte Steinkohlekraftwerk Moorburg, auf dessen Gelände der Elektrolyseur gebaut werden soll. Vattenfall sehe sich nach wie vor als „strategischer Partner an Bord“, sagte Sprecher Stefan Müller der taz. Vattenfall wolle grüne Energie für den Elektrolyseur liefern. „Wir haben von Anfang an offen gelassen, ob wir uns am Bau und der Finanzierung des Elektrolyseurs beteiligen“, sagte Müller.

Vattenfall will aber nach wie vor das Grundstück zur Verfügung stellen. Sein Unternehmen habe sich bereits zu Beginn des Jahres offen für einen Verkauf des Kraftwerksgeländes gezeigt, sagte Müller. „Derzeit finden konstruktive Gespräche mit den Hamburger Energiewerken über eine Veränderung der Eigentümerstruktur statt.“ Gemeinsames Ziel sei es, den Energiestandort am Hamburger Hafen nachhaltig und zukunftssicher zu entwickeln und den Rückbau zu organisieren.

Unternehmenssprecherin Katrin Satizabal versicherte, Shell habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. „Bei jeder Projektentwicklung prüfen wir mit viel Aufwand alle Anforderungen, bevor wir Entscheidungen treffen – von Technik, Sicherheit, Vorschriften, Stakeholder-Unterstützung bis hin zu Finanzen.“ Das gelte auch für Hamburg. Auf Grundlage der in den letzten zwei Jahren gewonnenen Erkenntnisse und deren Vergleich mit anderen Shell-Wasserstoffprojekten habe Shell jedoch beschlossen, den Hamburg Green Hydrogen Hub in Moorburg zu verlassen.

„Hervorragender Standort“

„Gleichwohl halten wir Hamburg weiterhin für einen hervorragenden Standort als Wasserstoffdrehscheibe, der auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil unserer strategischen Überlegungen und Planungen bleiben wird“, versicherte die Sprecherin. Der Konzern wolle ein bedeutendes Wasserstoffgeschäft aufbauen, zu dem neben einem Tankstellennetz Elektrolyseure gehörten. Shell habe schon mehrere gebaut und arbeite derzeit an Europas größtem Elektrolyseur in Rotterdam.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) äußerte sein Bedauern, dass Shell als Partner des geplanten Elektrolyseurs auf eigenen Wunsch ausscheide. Bereits bei der Bildung des Konsortiums habe es jedoch zahlreiche andere Interessenten gegeben. Deshalb bestehe auch jetzt kein Mangel an potenziellen Kooperationspartnern und es liefen die notwendigen Vorbereitungen und Gespräche. „Die Planungen für eine 100-Megawatt-Elektrolyse auf dem Gelände des Kraftwerks Moorburg gehen ohne Unterbrechung weiter“, versicherte der Senator.

Ein Scheitern der Pläne kann sich Kerstan kaum leisten, weil sonst andere Projekte weniger wirtschaftlich wären: Erst vor einer Woche meldete der rot-grüne Senat, dass der Bund 55 Millionen Euro Fördergeld für das Hamburger Stahlwerk von Arcelor Mittal genehmigt habe. Das Geld soll helfen, die Stahlproduktion von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Nach Expertenmeinung scheint H2 die beste Option zu sen das Delta zwischen Erzeugung von Co2 freiem Strom und Nachfrage abzupuffern. Beo überschüsdigem Strom sollte auch der verheerende Wirkungsgrad der h2 Erzeugung kein Thema sein. Wenn man jetzt diese Kosten erfährt, bekomme ich widerum Zweifel der sinnhaftigkeit. Natürlich sollten die Kosten der Anlagen mit ihrer Stückzahl sinken dafür werden die benötigten Rohstoffe knapper und teurer