Sexualisierte Gewalt in der Kirche: Mangelhafte Kontrollen

Nach WDR-Recherchen werden Gewalttäter in der Kirche unzulänglich kontrolliert. Auch die Bischofskonferenz wird sich damit nun befassen müssen.

Jesusfigur am Kreuz , eine Wand mit Riß

Zerissener Jesus am Kreuz: am Ort der Bischofskonferenz in Bad Staffelstein Foto: Nicolas Armer/dpa

BERLIN taz | Welche Bedeutung hat Bedauern, wenn keine strengen Präventionsmaßnahmen folgen? Nach einer Recherche des WDR werden in den 27 deutschen katholischen Bistümern trotz der erschreckenden Gutachten zur sexualisierten Gewalt durch Priester die Täter nur unzureichend kontrolliert. In der am Montag veröffentlichen Recherche heißt es, dass es im Bistüm Köln keinerlei Kontrollen von Priestern gibt, die Kindern sexualisierte Gewalt angetan haben. In elf weiteren Bistümern werde jeweils nur der direkte Vorgesetzte informiert und Gespräche durch Bistumsmitarbeitende geführt. Eine spezielle Ausbildung dafür hätten diese Menschen nicht und sie seien auch nicht unabhängig von Kirchenstrukturen, so der WDR.

Einen besseren Umgang mit Tätern gibt es der Recherche nach in Essen, Osnabrück, München und Dresden. Dort sollen externe Beauftragte und unabhängige Kommissionen die betreffenden Personen kontrollieren. In Essen würde beispielsweise eine Art kirchlicher Bewährungshelfer die Täter mehrmals wöchentlich besuchen.

Betroffene sexualisierter Gewalt kritisieren die Aufarbeitungs- und Präventionsarbeit der Kirche: „Es ist lächerlich, dass erst jetzt eine Kommission arbeitet, das hätte man 2010 schon machen können. Das Erzbistum ist damit viel zu spät“, sagte etwa Patrick Bauer gegenüber dem WDR zu den Vorfällen sexualisierter Gewalt in Köln.

Insgesamt beantworteten 24 von 27 Bistümern die Fragen des WDR nach der Kontrolle von Priestern, die etwa die Auflage haben, sich Kindern nicht zu nähern. Keine Antworten oder Angaben gab es aus den Bistümern Fulda, Passau und Paderborn. Die Pressestellen der Bistümer Berlin und Görlitz gaben an, dass es bei ihnen keine Täter gebe, die kontrolliert werden müssten.

„Wir können als Kirche keine Haftstrafen oder Arreste in Gang setzen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing zu der Recherche des WDR.

Erste Bischofskonferenz nach München-Gutachten

Am heutigen Montag kommen im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen in der Nähe von Bad Staffelstein die deutschen katholischen Bischöfe zur Frühjahrs-Vollversammlung zusammen. Überschattet wird das Zusammentreffen, das am Donnerstag zu Ende geht, natürlich auch vom Krieg in der Ukraine. Die Bischöfe wollen für die Menschen und den „Frieden in der Ukraine und ganz Europa“ beten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, sagte bei der Pressekonferenz am Montag, dass der Krieg in der Ukraine sowie die Situation der fliehenden Menschen einen Schwerpunkt darstellen werden.

Das Treffen in Vierzehnheiligen ist das erste Zusammenkommen der deutschen Bischöfe seit der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens, in dem auch ernstzunehmende Vorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. stehen. Neben den Gutachten zur sexualisierten Gewalt in der Kirche müssen auch die Ergebnisse der dritten Vollversammlung des Synodalen Wegs Anfang Februar besprochen werden.

Die Bischöfe wollen darüber diskutieren, wie die Beschlüsse des Reformgremiums in den Bistümern umgesetzt werden können. Unter anderem wünscht sich das Reformgremium, dass in Zukunft die Gläubigen bei Bischofsernennungen mitreden können. Außerdem gibt es die Forderung nach dem Diakonat der Frau, der Änderung, dass Priester heiraten können und es in Zukunft keinen Ausschluss mehr bei der Segnung für homosexuelle Paare gibt.

Kurz vor der Versammlung des Synodalen Wegs hatten sich im Rahmen der Aktion #outinchurch 125 Mit­ar­bei­te­r*in­nen der katholischen Kirche als queer geoutet. Der Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande sagte gegenüber der taz, dass der Umgang der katholischen Kirche mit den Fällen sexualisierter Gewalt und der jahrelangen Diskriminierung von queeren Menschen die Doppelmoral der Entscheidungsträger in der Kirche deutlich mache. Der Umgang mit Reformprozessen und der Aufklärung sexualisierter Gewalt führt seit einigen Jahren zu vermehrten Austritten aus der Kirche. 2020 waren in Deutschland mehr als 42 Millionen Menschen Mitglieder in der evangelischen oder katholischen Kirche. Das entspricht etwa 51 Prozent der Bür­ge­r*in­nen in Deutschland. Im Jahr 2018 waren noch 53,2 Prozent Kirchenmitglieder.

Die Reformgruppe „Wir sind Kirche“ forderte zu Beginn der Bischofsvollversammlung, dass sich die Bischöfe zur „Selbstbindung“ an die Beschlüsse des Synodalen Wegs bekennen, „solange es kirchenrechtlich noch keine Gewaltenteilung und keine wirksame Kontrolle von Macht gibt.“

Woelki nimmt an der Vollversammlung teil

An der Vollversammlung wird auch der umstrittene Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki teilnehmen. Woelki hatte im September eine geistliche Auszeit von einem halben Jahr aufgrund von starker Kritik an seiner Person bedingt durch seinen Umgang mit der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt angekündigt. Zeitgleich zu seiner Rückkehr hat der Erzbischof Papst Franziskus Anfang des Monats seinen Rücktritt angeboten. Eine Entscheidung dazu steht noch aus.

„Wir sind Kirche“ sieht in dem späten Rücktrittsangebot von Woelki eine „gefährliche Taktik, die alle Verantwortung auf den Papst schiebt.“ Die Reformgruppe kritisiert, dass der Bischof bisher kein Wort zu den neuen Beschlüssen des Synodalen Wegs verloren hat. Woelki hatte sich wiederholt kritisch über die Reformforderungen geäußert. Georg Bätzing sagte bei der Pressekonferenz in Vierzehnheiligen, dass Woelki sich zwingend dazu äußern muss, wie er sich Veränderungen in seiner Diözese vorstelle und wie er neues Vertrauen bei den Kirchenmitgliedern gewinnen möchte. (mit epd)

Transparenzhinweis: Ursprünglich hatte der WDR von zwei Bistümern berichtet, in denen keine Kontrolle stattfindet. Aufgrund einer Korrektur der Pressestelle des Bistums Würzburg wurde der Text angepasst.

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