Initiator über #outinchurch: „Deutliche Doppelmoral“

Jens Ehebrecht-Zumsande arbeitet als schwuler Mann für die katholische Kirche. Dass er keine Probleme in seinem Bistum hat, ist nicht selbstverständlich.

Viele Porträts auf farbigen Untergründen aneinandergereiht

TeilnehmerInnen der Intiative „Outinchurch“. Szene aus der ARD Doku „Wie Gott uns schuf“ Foto: EyeOpeningMedia/rbb/dpa

taz: Herr Ehebrecht-Zumsande, Sie sind der Initiator der Initiative #outinchurch. Was steckt dahinter?

Jens Ehebrecht-Zumsande: Der Auslöser war vor gut einem Jahr die #actout-Kampagne der Schauspielerinnen und Schauspieler. Damals habe ich das Cover fotografiert und mit den Worten „Das brauchen wir in der katholischen Kirche auch“ bei Twitter geteilt und am Abend hatte ich schon ein paar Hundert Nachrichten bekommen. Zusammen mit dem Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm haben wir dann verschiedene Netzwerke kontaktiert. Zwei Wochen später haben wir zu einer Zoom-Konferenz eingeladen und da waren wir schon über 90 Leute.

Jahrgang 1971 ist beim Erzbistum Hamburg als Leiter des Grundlagenreferates Kirche in Beziehung angestellt.

Online gegangen sind Sie mit der Initiative dann ein Jahr später.

Wir haben schnell gemerkt, wie komplex das Ganze ist, wie viele Fragen wir klären müssen und wie groß bei den meisten die Angst vor den Konsequenzen ist. Deshalb haben wir lange gebraucht, um unsere Strategie klar zu haben, unser Manifest zu schreiben und die Kampagne vorzubereiten.

Die Veröffentlichung kommt zu einer Zeit, wo aufgrund des Gutachtens über sexualisierte Gewalt im Bistum München und Freising gerade wieder viel über die katholische Kirche berichtet und diskutiert wird.

Das ist Zufall, wir haben uns bei der Veröffentlichung an die nächste Versammlung des „Synodalen Wegs“, die am kommenden Wochenende stattfindet, orientiert. Wir wollten damit gerne davor aufschlagen. Dass es jetzt direkt nach dem Gutachten kommt, hat uns zunächst besorgt. Jetzt denke ich aber, dass die Dinge auch zusammen gehören. Papst Benedikt XVI. ist auch eine der Personen, der über Jahrzehnte einen großen Anteil an der Homo- und Transfeindlichkeit in der katholischen Kirche hatte.

Er war einer derjenigen, die viele der Lehrschreiben in Kraft gesetzt haben. Wenn man sich das jetzt vor Augen führt, dass er in Zeiten, wo er selbst noch aktiv beteiligt war an dem nicht korrekten Umgang von Missbrauchstätern, dann Papiere und Stellungnahmen herausgibt, wo er Homosexualität als unmoralisch abqualifiziert und Schreiben verfasst, wo er sagt, homosexuelle Menschen seien keine reifen Persönlichkeiten, dann wird seine Doppelmoral noch mal ganz deutlich.

Welche rechtlichen Konsequenzen befürchten Sie?

Es steht für alle Menschen, die sich an dieser Kampagne beteiligen, die Möglichkeit im Raum, dass sie deshalb gekündigt werden. Als kirchliche Mitarbeiter sind wir der Loyalität verpflichtet und unterschreiben im Vertrag, dass wir die Sitten- und Morallehre der Kirche auch im Privatleben nicht nur verkünden, sondern auch selber praktizieren. Die rote Linie ist für viele Bistümer, wenn man eine gleichgeschlechtliche Ehe schließt.

Generell sind die Schwierigkeiten, die man als queere Person in der Kirche hat, sehr von den jeweiligen Bischöfen abhängig. Ich bin in meinem Bistum schon länger geoutet und habe da mit dem aktuellen Bischof keine Probleme. In anderen Bistümern wäre das aber undenkbar. Es ist ein Problem, dass es für die ganzen Mitarbeitenden der Kirche keinerlei Rechtssicherheit gibt. Wir sind immer davon abhängig, wie der jeweilige Vorgesetzte das Kirchenrecht anwendet, ob er es liberaler auffasst. Das ist ein Unrechtssystem.

In der ARD gibt es jetzt auch eine einstündige Doku über die Kampagne.

Hajo Seppelt hatte schon lange in dem Themenkomplex recherchiert und war dann auf unsere Initiative gestoßen. Für uns war es ein großes Glück, einen Medienpartner mit großer Reichweite an der Seite zu haben. Für viele bedeutet diese Doku auch ihr Coming-out. Man kann sich vorstellen, dass man so eine Entscheidung nicht nebenbei trifft. In unserer internen Chatgruppe berichten jetzt schon viele über unglaublich viele positive Reaktionen, auch von Kolleginnen und aus dem persönlichen Umfeld.

Was erhoffen Sie sich jetzt nach der Veröffentlichung?

Dass uns der Erzbischof Stefan Heße aus Hamburg schon ein Gespräch angeboten hat, ist wunderbar. Das erhoffen wir uns von allen Bischöfen. Aber natürlich wenden wir uns nicht nur an die Bischöfe, sondern an alle in der Kirche. Wir erhoffen uns, dass unsere Forderungen und unser Manifest in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft diskutiert werden. Und wir fordern substanzielle Änderungen. Der Bischof von Aachen hat sich auch entschuldigt. Das freut uns, aber wir können das nur ernst nehmen, wenn Veränderungen folgen. Deshalb braucht es auch außerhalb der Kirche ins politische Feld hinein einen gewissen Druck, dass sich die Bischöfe, wenn es ums Arbeitsrecht geht, auch bewegen müssen.

Zum Schluss die Frage, die Sie im Zuge der Kampagne, aber vermutlich auch in Ihrem Leben schon häufiger beantworten mussten: Warum engagieren Sie sich für die Veränderungen in der katholischen Kirche, statt einen Kirchenaustritt zu erwägen?

Ich kann da für mich sprechen, aber weiß, dass das auch viele Menschen aus der #outinchurch-Kampagne so sehen: Wir können die Kirche nur von innen heraus verändern. Und es braucht laute und mutige Stimmen für die Veränderung. Ich kann alle Menschen verstehen, die der Institution der katholischen Kirche den Rücken gekehrt haben. Das ist eine mögliche Konsequenz nach der jahrelangen Diskriminierung und auch den Gutachten zur sexualisierten Gewalt, die ich voll akzeptiere. Aber ich möchte auch deutlich sagen: An uns ist nichts verkehrt, es muss uns niemand aus der Kirche aussperren. Wir bleiben, um sie zu verändern und stören, indem wir sichtbar sind. Weil, so wie es ist, kann es nicht bleiben.

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