Sexistische Artikelbezeichnungen: Peeeeeeniiiiiiis!
Das Modelabel „Naketano“ bewirbt seine Klamotten mit Fäkal-Humor. Der aber trägt zu einem Klima bei, in dem sexualisierte Gewalt alltäglich ist.
Das Modelabel von Sascha Peljhan und Jozo Lonac vertreibt vegane Straßenkleidung, hauptsächlich Hoodys und Shirts. Was man eben so trägt, wenn man es cool und gemütlich mag. In einer Stellenausschreibung auf ihrer Homepage schreiben die Macher, dies sei die neue Mode für junge, selbstbewusste Menschen in guter Qualität.
Naketano, der Name der 2006 gegründeten Firma mit Sitz in Essen, erinnert an Nacktheit. Daran lehnen sich auch die Artikelbezeichnungen an: „Supapimmel“, „Italienischer Hengst“, „Perverser“, „Until the pain starts“, „Muschiflüsterer“, „Schnellbumser“, oder „I love my penis“ lauten die für Männerbekleidung und „Versehentlich reingesteckt“, „Fotzy Bär“, „Glitzermuschi“, „Bounce that ass“ oder „Spreiz mal mit Gemütlichkeit“ für Frauenoberteile.
Was ist das? Ein pubertäres Spiel? Wer in der Öffentlichkeit am lautesten Penis ruft, hat gewonnen? Oder doch eher Sexismus und Vergewaltigungsanspielungen als neue Verkaufsmasche?
Zweifellos: Die Artikelbezeichnungen Naketanos provozieren (Wie wäre es mit dem Shirt „Muschipimmelschwanzpussy“ für 32,99 Euro in rot, grün oder grau?). „Brave new word“ lautet der Claim, der unter dem Markennamen auf der Webseite steht.
Genau betrachtet sind diese Artikelbezeichnungen aber alles andere als progressiv, oder gar mutig. Statt dessen perpetuieren sie alte Rollenbilder vom Geschlechtsverkehr, der aus dem sexuell aktiven und dominierenden Mann besteht („Supapimmel“, „Hengst“) , der sich von der passiven, aber bezwingbaren und zu bezwingenden Frau („Spreiz mal mit Gemütlichkeit“) nimmt, was ihm gefällt – ob sie das nun möchte, oder nicht („until the pain starts“).
Künstlerische Freiheit?
„Es soll sich durch unsere Produktnamen niemand vor den Kopf gestoßen fühlen. Die Produktnamen sind Ausdruck unserer künstlerischen Freiheit“, schreiben die Macher auf ihrer Webseite unter den FAQs. Soll also heißen: Alles nicht so ernst gemeint. Ist doch nur Spaß – oder Kunst. Wirklich?
„Künstlerische Freiheit“ ist in diesem Zusammenhang ein großes Wort. Ein Totschlagargument. Wer nun die Kleidungsnamen kritisiert, stellt auch den Spielraum von Künstler*innen in Frage. So wird jede Kritik sofort zur Zensur. Aber sind Modedesigner*innen, zumal solche, die keine Haute Couture entwerfen, sondern Massenware für den Durchschnittsjugendlichen, wirklich als Künstler anzusehen?
Ein netter Versuch sich von vornherein gegenüber jeglicher Kritik zu immunisieren. Doch Naketano hat sich damit auch selbst enttarnt: Es gibt scheinbar durchaus ein Gespür dafür, dass die Bezeichnungen problematisch sind. Trotzdem hat man sich bewusst dafür entschieden.
Gleichzeitig spricht Naketano eine kniffelige Zielgruppe an: Kund*innen, die insofern cool sein wollen, als sie wissen, dass man heute vegane Ökomode trägt, die aber offenbar (noch) so pubertär ist, dass sie sich über Fäkalsprache und sexistische Witze kaputtlachen kann. Oder aber Menschen, denen zwar Tiere und Umwelt wichtig sind, weil das jetzt Mainstream ist, die es sich aber gleichwohl nicht nehmen lassen wollen, ab und an verbal einen rauszuhauen. Das Problem ist: Die Grenzen zwischen diesen Zielgruppen sind fließend – und das ist das gefährliche daran.
Ist das Naketano-Outfit also die neue Uniform für den Kampf gegen das Gender-Mainstreaming? Für all jene, die zum Dunstkreis der Identitären gehören wollen, zu einer Szene, in der Political Correctness als Schimpfwort gilt, und die sich eine Welt zurücksehnen, in der die Geschlechterrollen noch klar definiert waren und deshalb alles in bester Ordnung?
Ist Sexismus jetzt cool?
Oder sind diese Produktbezeichnungen gar ein erstes Anzeichen dafür, dass sich die Grenzen des Sagbaren mit dem populistischen Diskurs von Rechts längst verschoben haben? Ist Sexismus jetzt allen ernstes cool?
Nicht nur in Neu-Rechten Kreisen, oder unter Maskulinisten, jenen, die dem als überbordend empfundenen Feminismus etwas entgegensetzten wollen, findet der Stil Naketanos ideologische Anknüpfungspunkte. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind immer noch Teil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland – Rape Culture eben.
Der Begriff beschreibt, dass sexualisierte Gewalt weit verbreitet ist – fast jede siebte Frau ist in ihrem Leben davon betroffen – und dass es gleichzeitig nur wenig kritisches Bewusstsein für diese Realität gibt. Anfang dieses Monats hat eine Studie der Europäischen Kommission gezeigt, dass ein Viertel aller in Deutschland lebenden Menschen Vergewaltigungen in Ordnung findet, wenn die Betroffene leicht bekleidet oder angetrunken war. Die seit jeher immer wieder bemühten Vergewaltigungsmythen stecken also in den Köpfen, wie eh und je.
Diese gesellschaftliche Verfasstheit mag der Grund sein, weshalb die Artikel Naketanos in nahezu allen größeren Online-Shops erhältlich sind. Dass man sich aber auch dort Gedanken gemacht hat, zeigt die Antwort von Sportscheck auf eine Anfrage der taz. Sportschecks firmeninterne Regeln besagen, dass Artikelbezeichnungen keinesfalls diskriminieren oder feindlich sein dürfen. Dies hat zur Folge, dass Sportscheck die Eigenbezeichnungen von Naketano-Produkten auf der Homepage häufig durch eigene Produktbeschreibungen ersetzt.
Umsatz oder Moral?
Peek & Cloppenburg etwa hat sich dazu entschieden, die Produkte Naketanos ohne die Artikelbezeichnung zum Verkauf anzubieten. Sie sind wohl schlecht fürs Geschäft? So konsequent, die Marke aus dem Sortiment zu nehmen, wollen die Online-Händler aber offenbar nicht sein. Umsatz ist wichtiger als die Moral. Und solange Nachfrage besteht, steht auch das Angebot.
Kapitalismus eben. Kapitalakkumulation, Wertsteigerung und Profit. Was Betroffene sexualisierter Gewalt dabei fühlen, denken und dazu zu sagen haben, interessiert nicht. Ebenso wenig, wie die Tatsache, dass Artikelbezeichnungen, die sexualisierte Gewalt als Witz verharmlosen, ein gesellschaftliches Klima schaffen oder zumindest beibehalten, in dem solche Straftaten erst geschehen.
Damit liegt Naketano im Zeitgeist. Das Frauen- und Männerbild, das hier transportiert wird, korrespondiert mit dem, was in den USA und in vielen europäischen Staaten immer mehr Menschen hinter sich vereint. Wie das Unternehmen zu all dem stehen, ist leider nicht bekannt. Ein Gespräch mit der taz lehnten die Macher ab. Mit der Presse spreche man generell nicht, hieß es dort.
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