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Serbische Minderheit in KroatienSprache nicht mehr offiziell erlaubt

In der ostkroatischen Stadt Vukovar darf die serbische Minderheit ihre Sprache nicht mehr offiziell benutzen. Das entschied nun das lokale Parlament.

Tag der Erinnerung in Vukovar Foto: Goran Kovacic/imago

Berlin taz | Für die Ser­b*in­nen in der ostkroatischen Stadt Vukovar ist es kein guter Auftakt zu Beginn des neuen Jahres: Am Dienstag stimmte das Stadtparlament mehrheitlich dafür, dass die serbische Sprache und das kyrillische Alphabet nicht mehr benutzt werden dürfen. Zur Begründung muss eine Volkszählung aus dem Jahr 2021 herhalten, laut derer der serbische Bevölkerungsanteil auf 29,73 Prozent gefallen ist und damit weniger als ein Drittel aller Be­woh­ne­r*in­nen ausmacht. Laut Gesetz entfällt damit für die Serb*in­nen das Recht, die serbische Sprache offiziell zu nutzen.

Die Region um Vukovar an der Grenze zu Serbien war während des Kroatienkrieges (1991–1995) das am stärksten umkämpfte Gebiet. Bei der serbischen Belagerung durch die Jugoslawische Volksarmee und serbische Freischärler sowie der Schlacht um Vukovar 1991 wurde die Stadt weitgehend zerstört. Heute leben hier knapp 28.000 Menschen. Für das neue Gesetz stimmten alle kroatischen Parteien sowie der parteilose Präsident des Stadtparlaments, Željko Sabo. Drei serbische Abgeordnete stimmten dagegen.

Vukovars stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender der unabhängigen serbischen demokratischen Partei (SDSS), Srdjan Kolar, sagte, seine Partei habe einen Änderungsantrag vorgeschlagen, wonach die serbische Gemeinschaft das Recht haben sollte, ihre Sprache und ihr Alphabet bei der Kommunikation mit öffentlichen Institutionen zu verwenden, aber dieser Antrag sei nicht angenommen worden.

Gebrauch des Serbischen: seit langer Zeit ein Kampf

„Wir haben auch versucht, das Recht auf eine proportionale Vertretung der serbischen Minderheit in öffentlichen Unternehmen, Institutionen, Verwaltungsräten und Aufsichtsräten zu ändern, aber das ist auch nicht durchgekommen“, sagte Kolar. Dabei hätten andere nationale Minderheiten in der Region Vukovar ebenfalls von dem Vorschlag profitiert.

Laut Kolar steht der SDSS-Vorschlag im Einklang mit einer Vereinbarung, wonach Vukovar von 1996 bis 1998 friedlich wieder in Kroatien integriert worden war, nachdem die serbischen Rebellen vertrieben worden waren.

Der Kampf um den Gebrauch des Serbischen tobt in Vukovar bereits seit zehn Jahren und hatte mehrfach Proteste aufgebrachter kroatischer Kriegsveteranen ausgelöst. Nachdem im Jahr 2013 ein zweisprachiges Schild in kyrillischer und lateinischer Schrift auf der Polizeistation in Vukovar angebracht worden war, wurde es sofort von kroatischen Veteranen abgerissen.

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18 Kommentare

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  • Der Nationalismus feiert überall eine düstere Renaissance. In der Ukraine steigt der Druck, Russiche aus der Öffentlichkeit zu verbannen, schönen Gruss nach Vukovar. Blick in die Geschichte: Im bis 1918 zum Kaiserreich gehörigen Elsass durfte kein Französisch gesprochen werden, nach 1918 kein Deutsch mehr. Sprache wird gerne als kulturelle Waffe für eine 'einheitliche Nation' eingesetzt - siehe Frankreich und die Bretonen und Korsen, Spanien und Katalananen, Basken. Und auch das deutsch-dänische Verhältnis war bis 1945 dadurch belastet - was teilweise heute noch spürbar ist. Also kein Problem des Balkans, sondern des zunehmenden Nationalismus in Zeiten der Krise.....

  • Rassismus pur, aber Mitglied der Euro-Zone, auch das ist etwas, was gar nicht zum Grundgedanken einer europäischen Vereinigung paßt, aber es paßt inzwischen recht gut zum allgmeinen Trend in Europa.

    • @wxyz:

      Den Rasismus müssten Sie dabei aber schon erklären.

      Offensichtlich ist er nicht.

      Es geht laut Artikel nur darum, dass Serbisch nicht mehr Amtssprache ist.

    • @wxyz:

      Bulgarien ist nicht Mitglied geworden weil sie nicht noch brutaler gegen Flüchtlinge an der Grenze vorgegangen sind. Dabei herrschen da schon unmenschliche Zustände. Schönen Gruß von Frontex, die daneben stehen und zusehen (wenn nicht mitmachen).



      DAS sind die europäischen Werte und da passt Kroatien ja gut rein.

      • @Jalella:

        "DAS sind die europäischen Werte und da passt Kroatien ja gut rein"



        So isset.



        Die Frage ist, wie lange wir satten Salonlöwen dieser Jagd noch zusehen werden. Ohne Aktion.

  • Wenn du erstmal in der EU bist, lässt Brüssel und lassen deine Mit-EU-ler dir wohl alles durchgehen. Die Regierung der Beitrittskandidatin Ukraine dagegen wird, nach dem Krieg, eventuell (und hoffentlich) doch noch mal was zu hören kriegen zu den jüngeren Kapriolen ihrer Sprachpolitik. Die hat z.B.sowas zur Folge: Der Bürgermeister von Kharkiv (1) hält nach der Befreiung des umliegenden Gebiets eine TV-Ansprache. Weil er dies auf russisch tat, soll er nun ein Bußgeld zahlen (2) - der Mann also, der allen voran seit einem dreiviertel Jahr seine Stadt gegen die Invasionstruppen verteidigt. Entspr. Meldungen waren im November in englischsprachigen ukrainischen Medien mehrfach zu finden. Dass darunter auch eher pro-russischsprachige (aber, mindestens seit Kriegsbeginn, keinesfalls pro Russland eingestellte) Medien sind (3), ist keine Überraschung . Und RT freut sich bestimmt (4).



    (1) en.wikipedia.org/wiki/Ihor_Terekhov



    (2) english.nv.ua/nati...news-50286833.html



    (3) klymenko-time.com/...-za-russkij-yazyk/



    (4) thepressunited.com...-russian-language/ hier beachte mensch die zitierte Quelle

  • Es geht offensichtlich nicht darum, dass die serbische Sprache nicht benutzt werden darf, sondern nur darum, ob sie im Verkehr mit Behörden benutzt werden darf, d.h. ob sie einen offiziellen Status genießt. Und da die serbische Sprache praktisch nicht von der kroatischen unterscheidbar ist, geht es wohl im Wesentlichen um den Gebrauch der kyrillischen Schrift.

  • Wie immer: nichts gelernt. Wer eine zukunftsfähige Gesellschaft mit reduziertem Konfliktpotential will, pflegt seine Minderheiten (welcher Art auch immer) mit größter Fürsorge. Da ist die Sprache ganz vorne dabei. Wohin eine Mißachtung dieses Grundsatzes führt sieht man u.a. im Donbass, wenngleich da auch noch ganz andere Dinge mitspielen.

    • @Sigi Gassner:

      Vorsicht!

      Der Donbass kann genauso gut anders herum als Beispiel herhalten.

      Die Balten haben gleich Russisch als Amtssprache abgeschafft und keine allzu großen Probleme mit ihren russischen Minderheiten.

      In der Ukraine blieb Russisch sehr lange Amtssprache.

      Man könnte also argumentieren, dort seien zu lange Partikularidentitäten bedient worden.

      Aber wie Sie schon sagten, spielen dort noch andere Dinge eine Rolle.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Hier werden die Rechte der serbischen Minderheit provokativ und sinnlos beschnitten.

    Offenbar haben die Politiker, die dies zu verantworten haben, nur sehr wenig aus dem Krieg gelernt.

    Der Kosovo will doch in die EU und erfüllt angeblich auch deren Standards…?Minderheitenschutz gehört wohl nicht dazu.

    Wenn man so etwas liest fällt einem fast automatisch Einstein‘s Bemerkung über die Unendlichkeit der menschlichen Dummheit ein…

  • Leute, Leute, Leute ...



    der Balkan, die ganze EU-Osterweiterung, und es soll noch weiter gehn ...



    Ich gönne jedem ein anständiges Leben in Frieden und Sicherheit.



    Aber die Menschen müssen es auch wollen.



    Und das sehe ich hier überhaupt nicht.



    Aber sicher gibt es eine Erklärung, die mir verschlossen ist.

  • Es geht um Hass und Zwietracht und nicht um die Sprache. Was da in Kroatien passiert ist ungefähr so, als würde man in Deutschland Bairisch oder Kölsch verbieten.



    „Der Status der Standardvarietäten des Serbokroatischen als voneinander unabhängiger Sprachen ist sprachwissenschaftlich umstritten. Während einige Autoren von leicht voneinander abweichenden Realisierungen einer Makrosprache und somit einem einheitlichen Sprachsystem ausgehen, betonen andere die dialektale Unterschiedlichkeit und die Notwendigkeit eines politischen Willens zur Vereinheitlichung, der zur Zeit nicht gegeben ist. Die Lage der serbokroatischen Sprache entsprach in der Soziolinguistik ungefähr der Situation der englischen Sprache (britische, amerikanische und kanadische Variante) und der deutschen Sprache (deutsche, österreichische und schweizerische Variante).“

    • @guzman:

      de.wikipedia.org/w...kroatische_Sprache



      Auch (und gerade !) Creative Commons bittschön mit Quellenangabe.



      Linguistsich ist der Stand so ganz gut beschrieben (zwei unterschiedliche Alphabete verkomplizieren in der Sprachpraxis allerdings die Situation). Das jugoslawische Problem ist jedoch kein sprachwissenschaftliches. Eher ist es vergleichbar mit Nordirland/Ulster. Gleiches Territorium und sich in unterschiedliche Gruppenloyalitäten hineinidentifizierende Menschen. Und je nach Gegend haben dann die einen oder die anderen eine lange Erfahrung mit Benachteiligung, Gängelung, Schikanen seitens Behörden, Mehrheitsinstitutionen etc. Was allen bestätigt: "Wir" sind nicht "die". Religion noch obendrauf.

      • @lesnmachtdumm:

        Linguistisch ist das an der angegebenen Quelle stark aus bosnischer Sicht formuliert, tendenziös. Wikipedia Artikel sind nicht per se neutral. Die serbokroatische Sprachenfamilie hat sich erst nach der Zerstörung Jugoslawiens individuell weiter entwickelt (Kino - Bioskop, Anglizismen, Germanismen(= Weshalb sie heute auch SBK und nicht Serbokroatisch genannt wird. Das Hauptproblem rührt aus der stark nationalistisch geprägten deklaratorischen Verfassung Serbiens aus dem Jahr 2006, in der Kyrillisch plötzlich zur Schriftsprache bestimmt wurde. Als nationale Distinktion.



        Alle reden die gleiche Sprache und verstehen sich. Es ist hier die Frage nach dem Alphabet der Amtssprache. Also nationalistisches Gedöns.

      • @lesnmachtdumm:

        „Das jugoslawische Problem ist jedoch kein sprachwissenschaftliches.“ Ach so, und ich dachte es geht bei dem Artikel um das Verbot einer Sprache (eines Dialektes)….

        • @guzman:

          Junger Mann, Kategorienfehler: linguistische Faktoren, also die, wo vorhanden, geringen Sprachunterschiede, wie @Spoon sie im Grundsatz richtig zitiert, sind ganz genau NICHT DAS PROBLEM. Menschen identifizieren sich in unterschiedliche Gruppen, und werden auch ungefragt von außen als jeweils gruppenzugehörig definiert. Auch Krieg und Verfolgung zwangen viele, die sich zuallererst oder überhaupt als Jugoslaw/innen verstanden, zur Übernahme der je angeblich "eigentlichen" "nationalen" Identität. Dann Konflikte, Ängste, Häme, Schikanen. Oft durch Nachbarn. *Serben* z.B. haben in Zagreb massenweise ihre Wohnungen verloren und sind nach Serbien geflohen. Der Konflikt ist einer der nationalistischen Ideologie. Das Problem ist massenpsychologisch zu beschreiben, nicht linguistisch. Zu als Gruppenidentität wahrgenommenen Merkmalen gehören unterschiedliche Erzählungen über die eigene Geschichte, mehrere Religionen (kath./orth(musl..), und , auch, kleine Sprachunterschiede (die unterschiedlichen Alphabete werden jetzt für Schikanen genutzt).



          Ihr süffisantes "ach so" fällt auf Sie selbst zurück. GRUß !

          • @lesnmachtdumm:

            Alter Mann. Fast alles richtig was sie da schreiben. Aber, Thema verfehlt. Mein „süffisanter“ Einwand, betrifft nunmal das Verfahren oberlehrerhaft auf etwas zu Antworten, was gar nicht gesagt wurde, bzw. Thema war, in meinem Ausgangspost. Nicht ohne Grund Beginne ich mit: „Es geht um Hass und Zwietracht und nicht um die Sprache.“ Mag sein, dass ich mich etwas oberflächlich geäußert habe. (Wikipedia Links gebe ich in der Regel an, kommt schon mal vor, dass ich das verschludere, kostete mich das jetzt meinen M.A. ? - egal, bin bereits in Rente)

          • @lesnmachtdumm:

            7-8: Taste verrutscht. (kath /orth/ musl...)