Sechs Strategien gegen Rechts: Von Israel lernen
Die israelische Linke hat viel Erfahrung mit dem Kampf gegen rechte Parteien. Davon könnte sich die deutsche Linke das eine oder andere abschauen.
D ie Rechte in Deutschland ist auf dem Vormarsch. Ob die Ampelregierung ihre Amtszeit beendet oder nicht – eine Koalition aus CDU und Sahra Wagenknecht ist eine sehr realistische Prognose. Auch der Albtraum einer AfD als Regierungspartei scheint nicht mehr nur Dystopie zu sein.
Noch vor wenigen Jahren schien Deutschland eine Art liberale Festung im Herzen Europas zu sein, die den rasanten Aufstieg der populistischen Rechten erfolgreich abwehren konnte. Inzwischen scheint es, als könnten die Verteidiger der Demokratie ihre Schlacht verlieren.
In Israel ist die Festung schon lange gefallen. Vor einem Jahr sah es so aus, als würde der Krieg zum Zusammenbruch der rechtsgerichteten Regierung führen. Sie zeigt aber erstaunliche Widerstandskraft, und ihre Basis scheint nicht wesentlich geschwächt zu sein. Die Atmosphäre des Zusammenhaltens und der Patriotismus, der infolge des Krieges noch zunahm, hat die Regierung sogar gestärkt. Dabei arbeitet die israelische Linke weiter unermüdlich daran, sie zu stürzen.
Davon ausgehend, dass die deutsche Linke ihren Kampf gegen die rechten Regierungsparteien intensivieren wird, um ein liberales und humanistisches Deutschland zu erhalten – hier ein paar Tipps aufgrund der bitteren Erfahrung der israelischen Linken:
1) Proteste helfen nicht wirklich. Natürlich ist den Rechten die Meinung der Öffentlichkeit nicht gleichgültig, aber sie verfügen über eine effiziente Giftmaschinerie (die in den sozialen Netzwerken auf Hochtouren läuft) und stellen die Demonstranten als Verräter dar. Es ist genau diese Rhetorik, die es der Rechten ermöglicht, den liberalen Diskurs zu zerstören und einen nationalistischen Diskurs zu etablieren.
2) Es ist sehr wichtig, freie und kritische Medien zu erhalten, auch wenn die Wirkung von Artikeln wie diesem begrenzt bleibt, da die meisten rechtsextremen Wähler und auch die Mehrheit der jüngeren Generation hauptsächlich Medien konsumieren, mit denen sie sich ohnehin identifizieren. Deshalb ist der Kampf über die sozialen Netzwerke wichtiger. Auch und vor allem, weil die Rechten gerade hier in der Regel vorn liegen. Schließlich handelt es sich um eine Bühne, auf der Werte wie Objektivität oder Wahrheit nicht allzu viel gelten.
3) Die „Gatekeeper“ (Gerichte, Generalstaatsanwaltschaft usw.) sind von großer Bedeutung, und es müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, um sie zu stärken und ihre Position auf jede erdenkliche Weise zu festigen. Die rechtsgerichtete Regierung wird alles daran setzen, sie zu ersetzen und zu schwächen.
4) Das Bildungssystem und die Hochschulen sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. In Israel ist das Bildungssystem recht konformistisch, und den Hochschulen gelingt es nicht immer, dem Druck standzuhalten, der von der Regierung oder „von unten“, nämlich von den Studenten, ausgeübt wird. Es muss alles daran gesetzt werden, um Situationen wie an der Universität Wien in den 1930er Jahren zu vermeiden. Damals warfen Studenten jüdische Professoren und Regimegegner aus den Fenstern der Universitäten.
5) In dem Maße, in dem die Grenzen des Gesetzes ausgeweitet werden können, können Bürgeraufstände und ziviler Ungehorsam wirksam sein, insbesondere wenn es um die Wirtschaft geht. Die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften kann ein Vorteil sein, aber es ist zu erwarten, dass eine rechtsgerichtete Regierung von Anfang an versuchen wird, sie zu schwächen.
6) In Israel gab es bereits Stimmen, die eine offene Rebellion vorgeschlagen haben. Andere argumentierten: „Die sind in Sachen Gewalt besser als wir.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?