Schwarz-Rot und das Auto: „Angriff auf das Mobilitätsgesetz“

Ausgerechnet ein Verkehrsmittel wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt – aber es wird wohl am meisten vom Regierungswechsel profitieren.

Schiefgefahrener Poller an Straßenecke

Schieflage in Richtung Autoverkehr? Kann man zwischen den Zeilen lesen Foto: IMAGO / serienlicht

BERLIN taz | Es gibt einen großen Namenlosen im Mobilitätskapitel des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD. Es ist, ausgerechnet, der Pkw, das Auto. Kein einziges Mal fallen die beiden Worte, und der Verdacht drängt sich auf, dass das nicht an mangelndem Interesse für den motorisierten Individualverkehr liegt. Liest man die Absätze zum Thema Verkehr genau, scheint es so zu sein, dass die Nichterwähnung eher eine Beschwichtigungstaktik ist. Denn AutofahrerInnen mit angekratztem Selbstwertgefühl können prinzipiell aufatmen.

Die Sprecherin von Changing Cities e. V., Ragnhild Sorensen, betreibt Textexegese: „Da steht, man wolle das Mobilitätsgesetz ‚im Sinne einer angebotsorientierten Mobilität weiterentwickeln‘, für ein ‚besseres Miteinander der VerkehrsteilnehmerInnen‘.“ Aktuell gebe das Mobilitätsgesetz ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr den Vorrang. „Offenbar wollen sie das Auto mit hineinnehmen.“ Dazu passt, dass auf Hauptstraßen „grundsätzlich Tempo 50“ gelten soll. Bestehende Drosselungen auf Tempo 30, etwa zur Luftreinhaltung, sollen „überprüft“ werden und könnten bald fallen.

Die SPD, die das Gesetz 2018 mitbeschlossen habe, müsse „sich fragen lassen, ob das alles nur ein Scherz war“, so Sorensen. Sie konzediert den Schwarz-Roten den Lernerfolg, „glatte Sätze zu bilden, die konsensfähig klingen“. Gehe man aber ins Detail, handele es sich um einen „Angriff auf das Mobilitätsgesetz“. Ein weiteres Beispiel: die angekündigte „Überprüfung von Mindestbreiten im Radverkehrsplan“. Dass die Radwege noch breiter werden, darf getrost ausgeschlossen werden.

Wilde Untergrund-Fantasien

Viel Raum gibt der Vertrag dem ÖPNV. In Sachen U-Bahn haben sich hier die Richtigen gefunden: Einerseits heißt es, man werde „die bereits begonnenen Planungen zur Netzerweiterung fortsetzen“ – wozu nicht nur die U2 nach Pankow-Kirche, der U3 zum Mexikoplatz und der U7 zur Heerstraße und zum BER gezählt werden, zu denen tatsächlich ein Verfahren läuft, sondern auch die wieder fallengelassene U8 ins Märkischen Viertel. Darüber hinaus sollen gleich 10 weitere Verlängerungen geprüft werden, darunter eine U10 (Alexanderplatz–Buch) und eine U11 (Alexanderplatz–Marzahn).

Jens Wieseke, Sprecher des Fahrgastverbands Igeb, hält das angesichts der Kürze der Zwei-Drittel-Legislaturperiode für ein Spiel namens „Wir malen ein paar bunte Striche auf den Stadtplan“. Grundsätzlich empfindet Wieseke einen „gedämpften Optimismus“, schließlich wird auf den Ausbau des Tramnetzes gesetzt – das Steckenpferd des Verbands. Dass die jahrzehntealte Planung der Tram vom Alex zum Potsdamer Platz „überprüft“ werden soll – wohl das Codewort für „Beerdigen“ –, findet Wieseke aber völlig daneben: „Der Leipziger Platz muss angeschlossen werden!“

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