Fahrraddemo gegen Schwarz-Rot: Macht die Straße wieder Druck?

Auf der Fahrraddemo von Changig Cities am Samstag wird sich zeigen, wie sehr der drohende Verkehrswende-Backlash mobilisieren kann.

Mensch schreibt mit Kreide auf Straße "Das ist dein Fahrradweg"

Dein Fahrradweg, das gefährdete Wesen Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

BERLIN taz | Wenn der Wind kälter bläst, zieht man sich wärmer an, und wenn die Politik in die falsche Richtung driftet, geht man auf die Straße. Oder? Seit der Wiederholungswahl am 12. Februar und dem sich abzeichnenden schwarz-roten Senat, aber auch nach dem gescheiterten Klima-Volksentscheid vor zwei Wochen ist bei vielen AktivistInnen gefühlt die Luft raus. Ob der bevorstehende konservative Backlash mittlerweile wieder mobilisiert, zeigt sich an diesem Samstag: auf einer Fahrraddemonstration gegen die geplante Verkehrspolitik des neuen Duos aus CDU und SPD.

Angemeldet hat das Protestradeln, das um 14 Uhr am Potsdamer Platz startet und nach einer Schleife bis Mariendorf am Willy-Brandt-Haus in der Wilhelmstraße endet, der Verein Changing Cities. Das Motto lautet saisongerecht: „Keine faulen Eier ins Mobilitätsgesetz“. Angemeldet sind 500 TeilnehmerInnen, eine eher vorsichtige Prognose. Allerdings hatte es nicht einmal die Bewegung Fridays for Future eine Woche zuvor geschafft, wie geplant 1.000 Personen zu mobilisieren: Nur ein paar hundert kamen zum Bundesverkehrsministerium, freilich bei teils strömendem Regen.

Bei voraussichtlich trockenem Wetter geht es am Samstag laut Changing Cities „zu den wenigen Radinfrastruktur-Vorzeigeobjekten Berlins und durch viele gefährliche Straßen, die laut Radverkehrsplan sichere Radwege bekommen müssten“. Der Verein, der seit Jahren gegen die Privilegierung des Autoverkehrs kämpft, sieht aktuell die aus seiner Sicht bescheidenen Erfolge der vergangenen sechseinhalb Jahre stark gefährdet. Sprecherin Ragnhild Sørensen sprach gegenüber der taz von einem „Angriff auf das Mobilitätsgesetz“.

Die AktivistInnen können sich auf den Anfang der Woche vorgelegten Koalitionsvertrag von CDU und SPD berufen, dessen Mobilitätskapitel das Fahrrad kaum erwähnt und den Pkw überhaupt nicht. Liest man genauer, wird deutlich, dass Letzteres eher taktische Gründe zu haben scheint: Die Betonung eines neuen „Miteinanders“ und die Ankündigung, das Mobilitätsgesetz anzupassen, deuten nämlich darauf hin, dass der Vorrang von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, wie er in dem Gesetz von 2018 festgeschrieben ist, bald wieder Geschichte sein könnte.

Changing Cities kritisiert den designierten Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) unter anderem für seine Aussage, man könne breite Radwege in den Außenbezirken „nicht gegen den Willen vieler Anwohner herstellen“. Damit, so der Verein in einer Mitteilung, offenbare Wegner „überdeutlich, dass er das Prinzip der Verkehrswende nicht verstanden hat: Damit Menschen vom Auto umsteigen, bedarf es guter Infrastruktur für Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr.“

„Herb enttäuscht“ ist Changing Cities von der SPD-Spitze: Führende PolitikerInnen der Partei, die das Mobilitätsgesetz mit verabschiedet haben, verabschiedeten sich von der Verkehrswende und „bekennen sich wieder zur autogerechten Stadt des letzten Jahrtausends“. Man unterstütze die kritischen Stimmen in der SPD, die das Mobilitätsgesetz verteidigen wollten.

Bis zum 21. April läuft das Mitgliedervotum, von dessen Ergebnis der Eintritt in die Koalition abhängt. Der Unmut mit dem aktuellen Kurs ist in Teilen der Sozialdemokratie groß.

Bald noch zäheres Ringen

Auf seinem Weg durch Schöneberg, Tempelhof und Mariendorf passiert der Fahrradkorso am Samstag unter anderem die mit „Leitboys“ geschützten Radspuren auf dem Tempelhofer Damm. Sie wurden erst vor einem halben Jahr eingeweiht, obwohl AnwohnerInnen seit einem tödlichen Unfall im Jahr 2008 die Umgestaltung der Verkehrsachse gefordert hatten. Auch unter dem rot-rot-grünen Senat musste um die Abschaffung der Straßenparkplätze hart gerungen werden. Solche Projekte dürften künftig noch – bzw. wieder – komplizierter werden. Gleichzeitig will Schwarz-Rot Tempo 30 auf Hauptstraßen aufheben, wenn Luftreinhaltung als Grund nicht mehr infrage kommt. Auch das droht auf dem T-Damm.

Jenseits der Hauptverkehrsstraßen kommt es allerdings bei der Mobilitätswende weiterhin auf das Engagement der Bezirksämter an. Zumindest dort, wo Grüne weiterhin die entsprechenden Ämter innehaben, kann es im Prinzip weitergehen mit Kiezblock und Co. – sagt etwa der grüne Verkehrsstadtrat von Neukölln, Jochen Biedermann. „Das Tempo wird sicherlich ein anderes werden, als wir es uns versprochen haben“, sagt Biedermann zur taz. Er befürchtet, dass die finanzielle Unterstützung durch die Landesebene abnehmen wird. „Ich habe aber die Hoffnung, dass vieles, was schon angeschoben wurde, nicht mehr zurückgedreht werden kann.“

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