Schutz vor autoritären Angriffen: Gefährdetes Verfassungsgericht
Eine Gruppe von Verfassungsrechtler:innen stellt drei Modelle vor, wie man das höchste Gericht besser vor autoritären Angriffen schützen kann.
Der Gruppe gehören unter anderem die Ex-Verfassungsrichter:innen Gabriele Britz und Michael Eichberger an sowie der Rechtsprofessor Klaus-Ferdinand Gärditz und Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins. Aktive Verfassungsrichter:innen und Politiker:innen waren nicht dabei. Das Diskussionspapier liegt der taz vor. Alle drei Modelle einer Grundgesetzänderung wollen verhindern, dass eine autoritäre Mehrheit des Bundestags mit einfacher Mehrheit die Regeln für die Wahl und Arbeit des Verfassungsgerichts ändern können.
Erste Variante ist eine „Einvernehmenslösung“. In Artikel 94 des Grundgesetzes könnte folgender Satz eingefügt werden: „Gesetzliche Bestimmungen zum Aufbau des Gerichts, zu Wahl und Status der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts sowie wesentliche Verfahrensregeln ergehen im Einvernehmen mit dem Plenum des Bundesverfassungsgerichts.“ Ohne Zustimmung der Karlsruher Richter:innen könnte der Bundestag also nichts ändern.
Die zweite Variante würde in Artikel 94 folgenden Passus einfügen: „Gesetzliche Bestimmungen zum Aufbau des Gerichts, zu Wahl und Status der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts sowie wesentliche Verfahrensregeln bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags.“ Die Regelungen blieben im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, könnten aber ausnahmsweise nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.
In der dritten Variante würden zahlreiche Einzelregelungen direkt im Grundgesetz verankert, etwa die Wahl der Verfassungsrichter:innen mit Zweidrittelmehrheit, die Begrenzung der Amtszeit auf 12 Jahre, das Verbot der Wiederwahl. Die Artikel 93 und 94 des Grundgesetzes würden dadurch deutlich länger.
Am Wochenende hatten sich bereits die Rechtspolitiker Johannes Fechner (SPD) und Stephan Thomae (FDP) für Grundgesetzänderungen zum Schutz des Verfassungsgerichts ausgesprochen. Am Montag zeigte auch die CDU/CSU-Fraktion Bereitschaft, an der Diskussion teilzunehmen. „Wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht“, sagte Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) den Zeitungen der Funke-Gruppe.
Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse