Schutz für Moore: Landwirtschaft oder Moorschutz?
Moore sind wichtig für den Klimaschutz, weil sie viel Kohlendioxid speichern. Ihr Schutz ist jedoch umstritten, denn es geht um große Landflächen.
Moore sind nass, unwegsam und auch etwas unheimlich, durch die Leichen, die dort immer wieder gefunden wurden. Vor allem aber sind Moore unheimlich wichtig für den Klimaschutz. Sie sind hochwirksame Speicher für Kohlenstoff, viel wirksamer noch als Wälder. Zum Vergleich: Ein Hektar Moor bindet sechsmal so viel Kohlendioxid wie die gleiche Fläche Wald.
Empfohlener externer Inhalt
Aber weltweit entwässern Menschen Moore, tragen Torf ab, betreiben Land- und Forstwirtschaft und bauen Häuser auf Moorböden. Dann entweichen aus dem Torf, also aus dem Moorboden, der im Kontakt mit der Luft verfällt, permanent große Mengen Klimagase in die Atmosphäre. Moore und Torfgebiete bedecken nur rund 3 Prozent der weltweiten Landoberfläche. Aber in ihnen sind rund 30 Prozent des in Böden enthaltenen Kohlenstoffs gespeichert. Für den Schutz des Klimas ist es notwendig, dass sie im Boden bleiben.
In Deutschland bedeckten Moorlandschaften einst 1,5 Millionen Hektar, das entspricht ungefähr der Größe von Sachsen. Moore entstehen, wenn auf kaum durchlässigen Bodenschichten sich Wasser langfristig sammelt, weil es nicht oder nicht schnell genug versickert, auch nicht abfließen oder schnell genug verdunsten kann. Weltweit gibt es deshalb Moore vor allem in den kühleren Regionen auf der Nordhalbkugel, in Russland, Kanada, Alaska, Skandinavien, Schottland.
In Deutschland gibt es Moore vor allem in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und im östlichen Mecklenburg-Vorpommern, aber auch im Alpenvorland. Auch die Tropen beherbergen große Moore, vor allem in Indonesien, im Amazonasgebiet und im Kongobecken, meistens versteckt unter Regenwald. Nach Angaben des Greifswald Moor Centrum sind 4 Millionen Quadratkilometer der Erde mit Mooren bedeckt, 3 Millionen davon seien noch intakt. In Deutschland ist die Situation schlecht: Die ursprünglichen Moore sind zu 95 Prozent entwässert, abgetorft, bebaut oder land- und forstwirtschaftlich genutzt.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo.
Ist ein Moor jedoch natürlich und nass, ist es eine hocheffiziente Kohlenstoffsenke. Dafür wirken seine großen Mengen an Wasser und Morast und seine besonderen Pflanzen auf besondere Weise zusammen. Moorpflanzen sind Spezialisten, die an die nährstoffarmen, nassen Bedingungen des sumpfigen Standorts angepasst sind. Hierzulande sind das vor allem Torfmoose, aber auch harte Gräser wie Woll- oder Pfeifengras und die fleischfressende Insektenfalle Sonnentau.
Wie alle Pflanzen brauchen auch Moorpflanzen für ihr Wachstum Kohlenstoff aus der Luft. Weil tiefe Wurzeln, über die Pflanzen normalerweise Stickstoff und Mineralien aufnehmen, im Morast verrotten würden, haben die Moorspezialisten kaum oder gar keine Wurzeln. Sie versorgen sich ganz oder überwiegend aus der Luft.
Moorgewächse werden zu Torf
Aber auch Moorpflanzen verwelken, und dann wird es spannend für den Klimaschutz: Denn Moorgewächse sinken ins feuchte Nass und vermodern dort unter Luftabschluss. Das heißt, aus ihnen wird kein Kohlenstoff zurück an die Atmosphäre abgegeben. Weil sie ständig mit Wasser bedeckt sind und Mangel an Sauerstoff herrscht, entsteht aus den abgestorbenen Pflanzenresten kein Humus und damit kein Boden. Stattdessen entwickelt sich allmählich Torf aus den unvollständig abgebauten Pflanzenresten am Grund des Feuchtgebietes. Torf ist eine Vorstufe, wenn sich fossile Rohstoffe bilden, er besteht fast ausschließlich aus Kohlenstoffverbindungen.
Einen Millimeter pro Jahr wächst in einem intakten Moor die Torfschicht. In ihr ist der gesammelte Kohlenstoff der Pflanzen gespeichert. Als Moor gilt eine Landschaft, die eine Torfschicht von über 30 Zentimetern aufweist. Dafür braucht es unter günstigen Bedingungen 300 Jahre. Jedes Moor ist also ein Jahrhundert- oder Jahrtausendwerk. Ein Moor lässt sich deshalb auch nicht einfach wiederherstellen, wenn der entwässerte, geschädigte Boden zur Renaturierung wieder unter Wasser gesetzt wird. Aber die akut vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Moore kehren zurück und die hohen Emissionen von klimaschädlichen Gasen werden weitgehend gestoppt.
Den grünen Wiesen und bunten Feldern auf trockengelegten Mooren sieht man es nicht an, aber Torfboden verhält sich ähnlich klimaschädlich wie Kohle oder Erdöl, wenn man ihn nutzt. Auf dem entwässerten Moorboden verfällt der Torf, der dort gespeicherte Kohlenstoff (C) verbindet sich im Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft (O2) zu Kohlendioxid (CO2). In der Landwirtschaft werden die eigentlich nährstoffarmen Moorböden intensiv gedüngt und zum Teil mit Sand vermischt, um die Erträge zu verbessern.
Intensive Viehhaltung, der Anbau von nährstoffhungrigen Kulturpflanzen wie Mais und massive Ausbringung von Gülle und anderen Düngemitteln heizen das Klima weiter an. Denn dann wird zusätzlich Lachgas (N2O)frei. Lachgas hat eine 300-fach schädlichere Klimawirkung als Kohlendioxid.
Dementsprechend sind landwirtschaftlich genutzte Moore Hotspots für Treibhausgase. Entwässerte Moorböden machen in Deutschland etwa 8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus. Aus diesen kommen nach Angaben des Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz 6,7 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Das sind so viele, wie der innerdeutsche Flugverkehr verursacht. In Niedersachsen, wo es einst besonders viele Moore gab, kommen sogar 11 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen des Bundeslandes von diesen denaturierten Flächen.
Fehlgeleitet Klimapolitik
Trotzdem wird in Deutschland und weltweit weiterhin Torf abgebaut, hierzulande vor allem für Pflanzenerde. So bekam die Firma Compo vom Landkreis Nienburg/Weser in Niedersachsen noch im Jahr 2018 eine Genehmigung, um auf 154 Hektar noch 35 Jahre lang Torf im Großen Uchter Moor abzubauen. Die politisch Verantwortlichen des Landkreises Nienburg rechtfertigen ihre Entscheidung damit, man habe die Firma dazu verpflichtet, nach Ende des Torfabbaus eine „Moorrenaturierung mit Wiedervernässung“ durchzuführen.
Damit beginnt der Klima- und Artenschutz in Nienburg frühestens ab dem Jahr 2053. Diese lokale Politik erscheint angesichts der globalen Klimakrise grotesk. Sie geschieht so aber auch in anderen Moorgebieten, weil man damit Konflikte vor Ort vermeidet. Vielerorts bestimmen die lokalen politischen Größen nach diesem Muster: Grünes Licht für die Renaturierung von Moorflächen gibt es erst dann, wenn das Torfwerk dort seine Arbeit getan hat.
Diese Politik hat massive Folgen für den Klima- und Artenschutz. Nur etwa 5 Prozent der ursprünglich 1,5 Millionen Hektar Moor sind nach Angaben des BUND heutzutage noch naturnah. Wer in ihrer Nähe lebt, kann sich nicht nur bei Spaziergängen in einer artenreichen Pflanzen- und Vogelwelt erholen, sondern hat auch mehr Lebensqualität bei Extremwetter. Denn ein intaktes Moor besteht zu über 95 Prozent aus Wasser, das ausgleichend wirkt in der umgebenden Region. Es sorgt für Kühlung bei Hitzewellen und nimmt bei Starkregen Wasser auf wie ein Schwamm, schützt so vor Überflutungen.
Trockengelegte Moore dagegen geraten bei Hitze leicht in Brand. Solche Brände lassen sich nur sehr schwer löschen und entwickeln sich zu Großbränden, weil der Torf unterirdisch weiterglimmt und die Brandherde von außen nicht zu sehen sind. Riesige Torfbrände wurden in Indonesien entfacht, wo Moore für Palmölplantagen entwässert werden. Hunderttausende Hektar Land standen in Flammen, Menschen und Tiere starben, auch aufgrund der extrem mit Schadstoffen belasteten Luft, die den Atem raubt.
Auch in Deutschland brannte vor vier Jahren ein Moor zwei Monate lang. Auf ihrem Übungsgelände nördlich der Stadt Meppen im Emsland testete die Bundeswehr im Hitzesommer 2018 trotz der großen Trockenheit Munition. Ein fehlgeleitetes Raketengeschoss verursachte einen Großbrand auf dem rund 1.000 Hektar großen Übungsgelände. Als der Wind drehte, ergriff das Feuer auch das Naturschutzgebiet Tinner Dose-Sprakeler Heide und löschte die geschützte moortypische Flora und Fauna aus.
Es braucht Kompromisse für die Nutzung von Mooren
Wer Moorböden schützen will, bekommt Streit um die Ressource Land. Für wen ist der Boden da? Für den Straßenverkehr, zum Beispiel für die teils gebaute, teils noch in Planung befindliche Küstenautobahn A 20, die auch Moorgebiete zerstört? Für die intensive Landwirtschaft und die Ausbringung von Gülle? Oder haben Naturschützer Anspruch darauf, weil Feuchtgebiete für den Klima- und Artenschutz jetzt wichtig sind?
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht, die Regierung wolle Schutzmaßnahmen für Moore durch einen „partizipativen Prozess zur Erarbeitung nachhaltiger Entwicklungskonzepte begleiten“. Man strebt nach einem Interessenausgleich, an dem alle Beteiligten mitwirken. Erfahrungsgemäß sind solche Verfahren langwierig und vom Scheitern bedroht. Aber der Konflikt um die Landschaft Moor ist massiv, man muss entschieden dafür kämpfen – sonst ist die nächste Moorleiche das Moor selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste