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Schuldzuweisungen bei Übergriffen#EineArmlänge zu unnütz

Kölns OB Henriette Reker rät Frauen, Abstand zu halten. Das verschiebt die Schuldfrage. Im Netz erntet sie dafür viel Häme.

„So geht #eineArmlänge“, spotten Twitter-User zum Vorschlag, Frauen sollten Sicherheitsabstand halten. Foto: ap

BERLIN taz | Henriette Reker hat sich keinen Gefallen getan. Dabei hatte sie es doch gut gemeint. Nach den Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht erklärte Kölns Oberbürgermeisterin, um sich zu schützen, sollten Frauen zu fremden Männern „eine gewisse Distanz“ halten, die „weiter als eine Armlänge betrifft“. Bumm, das hat gesessen: Es sind also die potentiellen Opfer, die gegen Vergewaltigung vorgehen müssen – und nicht diejenigen, die den Übergriff begehen.

Leider ist genau das nichts Neues. „Die Schuldfrage steht leider sehr oft im Raum“, sagt Claudia Winker vom Verein Frauenhorizonte in Freiburg. Die Beratungsstelle arbeitet mit Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind. Zu oft werde gefragt, was das Opfer zur Tatzeit getragen habe – einen kurzen Rock oder ein tief ausgeschnittenes Oberteil –, oder ob die Frau Alkohol getrunken habe. „Aber die Antworten auf diese Fragen sind egal“, sagt Winker.

„Victim blaming“ nennt man diese Verschiebung der Verantwortung. Und genau so lautet auch der Vorwurf, den Reker sich nun im Netz gefallen lassen muss. „Ich schlage dieses unsägliche Wort jetzt schon zum Unwort des Jahres 2016 vor #einearmlaenge“, schreibt eine Nutzerin auf Twitter. „Regeln für Frauen* aufstellen damit sie nicht Opfer werden. Man nennt das übrigens #Victimblaming #eineArmlänge“, schreibt eine andere Userin. Auch Justizminister Heiko Maas konnte vom Trend-Hashtag #eineArmlaenge nicht die Finger lassen: „Von Verhaltenstipps für Frauen wie #einearmlaenge halte ich rein gar nichts. Nicht Frauen tragen Verantwortung, sondern Täter. #koelnbhf“

Doch neben Empörung hat Reker im Netz auch viel Spott geerntet. In den Twittertimelines stapeln sich alle Witze, die sich über Armlängen und Abstände nur machen lassen. „Von blöden Ratschlägen #einearmlaenge Abstand halten“, Bilder von Menschen, die in überdimensionierten Plastikkugeln umherkullern, Kommentare wie „So geht #eineArmlänge“ zu Bildern von Frauen mit Boxhandschuhen. Und dazwischen irgendwo auch versöhnlichere Töne: „Ich glaube, @henriettereker hat die #einearmlaenge gut gemeint. Niemand kann alles. Jetzt holt sie sich hoffentlich kompetente Beraterinnen.“

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Victim Blaming ist eines der Schlagworte, die immer wieder auftauchen, wenn es um Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe geht – genau so wie der Begriff der „Rape Culture“, der die gesellschaftliche Duldung sexueller Übergriffe bezeichnet. Deutlich werden solche Probleme etwa in Bezug auf das Münchener Oktoberfest. In einer Meldung berichtete die Polizei im September 2015, ein „spaßig gemeinter Griff unter den Rock seiner amerikanischen Wiesn-Bekanntschaft“ habe für einen Besucher „äußerst schmerzhaft“ geendet – die Frau knallte ihm ihren Maßkrug gegen den Kopf.

Sie musste sich anschließend wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Mehr als das Adjektiv „spaßig“ fiel den Beamten zum Übergriff des Mannes nicht ein. „Don‘t tell me what to wear – tell your sons not to rape“, lautet die zentrale Forderung im Kampf gegen die wiederkehrende Schuldzuweisung an die Opfer. Die Äußerungen von Reker, wie auch die Polizeimeldung, zeigen, dass die Forderung auch in Deutschland leider noch nicht überflüssig ist.

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40 Kommentare

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  • Wir tun uns keinen Gefallen damit, immer gleich die Schuldfrage in die Diskussion einzubringen - gerade wenn es um die VERMEIDUNG von Situationen geht, in denen dann nachträglich(!) die Schuldfrage gestellt werden muss.

     

    Man bringt zum Beispiel Kindern bei, selbst an Einbahnstraßen nicht nur in eine Richtung zu schauen, bevor sie sie überqueren. Das ist kein "victim blaming" sondern eine logische Reaktion auf die unumstößliche Tatsache, dass die Existenz von Regeln keine Garantie dafür ist, dass diese auch in jedem Fall befolgt werden: Wer in beide Richtungen schaut, kann nicht von einem aus der falschen Richtung nahenden Fahrzeug überrascht werden - das ist schuldunabhängig(!) einfach erstrebenswert.

     

    Wir sind auch auf einem guten Weg, die Unsitte des "victim blaming" im Bereich der sexuellen Übergriffe abzulegen. Das wird uns aber nicht gelingen, wenn wir hypersensibel auf jeden Ratschlag springen, als enthalte er eine Vorverurteilung all Jener, die ihn nicht sklavisch befolgen. Es gilt, Normalität zu erreichen: Ja, ein sexueller Übergriff ist immer dem anzulasten, der den Übergriff begeht. Aber nein, die Welt ist nicht perfekt, und wer in erster Linie daran interessiert ist, es gar nicht erst zu dem Übergriff kommen zu lassen, KANN ein paar Maßnahmen treffen, die diese Wahrscheinlichkeit reduzieren. Von einer Mitschuld bei Unterlassen dieser Maßnahmen ist das meilenweit entfernt. Es geht um reale Prävention, nicht darum Schuldvermeidung.

  • Rerker ist für viele nur das Ventil um nicht über die mit den Vergewaltigtungen in Verbindung stehenden Problemen reden zu müssen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Irrtum. Die missverständlichen Äußerungen von Frau Reker sind direkter Teil des Problems. Rape Culture nennen das einige Menschen.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Die Äußerungen von Frau Reker waren überhaupt nicht missverständlich und überhaupt kein victim blaming, schon gar keine rape culture. Sie wurde etwas gefragt ("Was können Frauen tun...?"), und sie hat geantwortet. Dabei hat sie zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise impliziert, dass es eine Pflicht der potenziellen Opfer gäbe, sexuelle Übergriffe zu verhindern.

         

        Dass sie trotzdem missverstanden wurde, ist pure Hysterie. Was hätte sie denn sagen sollen? Etwa sowas Realitätsabgewandtes wie "Eine Frau kann und soll gar nichts tun, um solche Übergriffe zu verhindern. Schließlich ist es ja nicht ihre Schuld, wenn etwas Derartiges passiert!"??

         

        Müssen wir uns derart weit vom wahren Leben entfernen, nur um die rasierklingenscharfe Aufteilung in Täter und Opfer grundsätzlich und unmissverständlich zu klären? Was ist mit denen, die sich lieber gar nicht erst als Opfer sehen wollen - weder jetzt noch in der Zukunft?

  • In den USA würde man den Damen zu Handfeuerwaffen raten...

     

    Ich frage mich wie soll der Rechtstaat denn überhaupt noch reagieren in einer Wegschau-Gesellschaft.

  • Ich verstehe nicht ganz. Henriette Reker hat auf die Nachfrage einer Journalistin reagiert, die von ihr wissen wollte, wie man sich "als Frau schützen" kann. Daraufhin hat sie unter anderem erklärt, Abstandhalten sei eine Möglichkeit. Eine von mehreren. Hätte die Frau etwa antworten sollen, dass es die Männer sind, die sich zusammenreißen müssen?

     

    Nein, unsere Politiker haben es auch nicht ganz leicht. Wie sie’s machen, machen sie’s verkehrt. Aus einer 40-minütigen Pressekonferenz filtert die sogenannte Netzgemeinde mit schlafwandlerischer Sicherheit die 5 Sekunden raus, die sie gebrauchen kann für ihren Empörungshaushalt. Auch eine Art der Vergewaltigung. Diese Empörung ist total verlogen. Weil: Nachher heißt es noch, Frau Reker hätte ja die Finger von der Politik lassen können. Am besten weiter als eine Armlänge. Dann hätte man sie auch nicht missverstehen können.

     

    Übrigens: Dass die Übergriffe unterbleiben, wenn Frau Reker den Menschen aus anderen Kulturkreisen "den Karneval erklär[t]", sodass sie ihn nicht mehr als "Einladung" verstehen können, kann ich mir nicht vorstellen. Karneval, schließlich ist ursprünglich mal ein "Narrenfest" gewesen. Narren aber scheint es noch immer reichlich zu geben. Im Mittelalter haben "die unteren Kleriker vorübergehend Rang und Privilegien der höheren Geistlichkeit [übernommen]". Wer das erst mal verstanden hat, der wird sich fragen, wieso er eigentlich nicht auch mal übergriffig werden soll. Ein Griff in fremde Taschen hier, eine unerlaubte Berührung da, vielleicht so gar die eine oder andere Vergewaltigung - an Karneval darf jeder mittellose Trottel alles, was sonst nur hochgestellte Trottel dürfen. Vermutlich hat man genau deswegen in Köln immer wieder mal versucht, wenigstens den Ausschank von Alkohol zu verbreiten. Weitgehend erfolglos, wie man konstatieren muss.

  • Ich habe die gesamten Ratschläge von Frau Reker nicht gelesen, so dass ich es nicht abschließend beurteilen will.

    Aber ich bin auch als Mann in meiner beruflichen Funktion sehr häufig Opfer von Gewalt von Jugendlichen geworden. Und diese "Armeslänge Abstand" sollte nur das letzte Mittel der Wahl sein. Zuerst würde ich versuchen, klarzustellen, wer der Stärkere ist und zwar ich.

    Nur:

    Darauf muss ich vorbereitet sein. Und wenn nun einige Männer kommen und auf die Straßenüberquerung verweisen, bei dem sie auch aufpassen müssen, dann ist das insofern Unsinn, weil man bei einer Straßenüberquerung darauf vorbereitet ist, Gefahr zu laufen, überfahren zu werden.

     

    Und auch wenn sich eine Frau einer Person noch erwehren kann, wird es doch bei einer ganzen Gruppe, der sie unvorbereitet gegenübersteht, sehr schwer.

     

    Was noch gar nicht bedacht wurde, ist die Frage, wie diese Ansammlung zustande kam? Wenn es nur Einzelpersonen aus bestimmten Banden waren, die die Delikte vornahmen, warum half niemand der anderen Anwesenden? Woher wussten die Banden, dass dort eine Ansammlung ist, die ihren Interessen dienlich ist und die sie ggf. sogar noch unterstützten?

    Hat die Polizei auch ein Auge auf die sozialen Medien. Eine rein zufällig zusammengekommende Menge von 1000 Personen oder reine Mundpropaganda erscheint mir eher unwahrscheinlich.

    • @Age Krüger:

      "Eine rein zufällig zusammengekommende Menge von 1000 Personen oder reine Mundpropaganda erscheint mir eher unwahrscheinlich." Zu solchen Anlässen wie Silvester ist da immer so viel los.

  • Ganze ist ja nicht nur auf diesen fall beschraenkt. Als mir dr geldbeutel gestohlen wurde hat die polizei auch gesagt, dass ich den besser in einer innen liegenden tasche aufbewahren sollte.

    Als waere ich mi schuld.

    • @Demokrat:

      Würden Sie denn sagen, dass Sie Ihren Geldbeutel genauso losgeworden wären, wenn Sie den Ratschlag schon gekannt und befolgt hätten?

       

      Es geht bei solchen Ratschlägen nicht darum, die Schuldfrage zu klären, sondern Mittel zur Verhinderung zu liefern: Wenn der Gelbeutel gar nicht erst gestohlen wird, ist NIEMAND schuld, und das ist doch das beste Ergebnis, oder?

       

      Wieviel Umstand ihm die Gefahrenabwehr wert ist, kann Jeder natürlich für sich entscheiden. Selbstschutz ist nur in recht überschaubar wenigen Einzelfällen vorgeschrieben. Eigene Entscheidungen zu treffen UND sich ohne Schuldgefühle oder -zuweisungen mit deren Folgen abzufinden, kommt aber leider immer mehr aus der Mode, scheint mir...

      • @Normalo:

        Ich halte Ihre Argumente für gut und richtig, aber Sie unterschätzen die Wirkung der zeitlichen Nähe von Tipps zum Ereignis: Wenn ich in Ruhe und Sicherheit, ohne bereits eine schlimme Erfahrung gemacht zu haben, diese Tipps höre, dann kann ich sie als solche so stehen lassen und mir meine Gedanken dazu machen. Wenn ich aber gerade bestohlen oder noch viel Schlimmeres wurde und mir dann "Tipps" anhören muss, dann ist das zum Kotzen. Opfer geworden zu sein, heißt vor allem, dass man emotionale Unterstützung braucht und keine Klugscheißer. In dieser Situation steckt unvermeidlich die Botschaft der Mitschuld, auch wenn der/die taktlose IdiotIn es nicht so gemeint hat. Es ist ein weiterer, diesmal sprachlicher Angriff, ob gewollt oder nicht.

        (Die Reaktionen auf Frau Reker hier sind allerdings wirklich etwas schwach, soweit sie nur auf die schon genannte Frage geantwortet hat.)

        • @Karl Kraus:

          Mal ganz ehrlich: Für seine Emotionen ist nun wirklich Jeder erstmal selbst verantwortlich. Und wer nach erlittenem Unrecht so fixiert auf seine Opferrolle (bzw. die Alleinschuld des Täters) ist, dass er gutgemeinte Ratschläge zwangsläufig als Vorwurf wertet, dem ist vielleicht mit Empathie und (bestätigender) Tröstung eher zu helfen, aber er hat keinen Anspruch darauf.

           

          Jeder hilft so gut er kann. Manche machen das eher mit Ratschlägen (lösungsorientierter Ansatz), andere mehr mit Mitgefühl (problemorientierter Ansatz). Selbst nicht der Typ für das eine oder andere zu sein, gibt niemandem das Recht, für die Art der Hilfe Vorwürfe auszuteilen oder gar bösartige Schuldzuweisungen zu unterstellen. Erlittenes Unrecht entbindet nicht von der Rücksichtnahme auf (unschuldige) Mitmenschen.

          • @Normalo:

            "Für seine Emotionen ist nun wirklich jeder selbst verantwortlich"???? Das ist mal Klartext. Sagen Sie das mal einer frisch Vergewaltigten. Meine Fresse! Haben Sie das nüchtern geschrieben??

            "Erlittenes Unrecht entbindet nicht von der Rücksichtnahme auf (unschuldige) Mitmenschen"? Dito... Der Appell an die Mitmenschlichkeit komplett auf den Kopf gestellt.

            Genau das ist es, wogegen hier polemisiert wird: Gegen Gestalten, die es ohne mit der Wimper zu zucken der Verantwortung des Opfers zuschreiben, wenn es bestimmte Reaktionen im Umfeld der Tat nicht erträgt, auch wenn die liebe Polizistin es hundertmal nett meint, einem Verhaltens- oder Kleidungstipps zu geben, während man noch vor sich hin blutet.

            So funktioniert das: Weil der "Helfer" nicht empathisch oder wenigstens taktvoll ist, ist das Opfer übergriffig ("Rücksichtnahme"), wenn die "Hilfe" alles nur noch schlimmer macht. Das ist die Brutalität und Kälte, die dem Ganzen die Krone aufsetzt. Das bisschen Anstrengung, mit seelisch grausam verletzten Menschen ganz besonders behutsam umzugehen, ist für manche wohl schon eine Zumutung. Widerlich.

            Und nochmal: Die Reaktionen auf Frau Reker finde ich aus exakt dem Grund sehr überzogen, den ich im Post bereits klargemacht habe.

            • @Karl Kraus:

              Unverblümt heißt noch nicht Schwarz-Weiß. Ich habe geschrieben dass, Jeder ERSTMAL selbst verantwortlich ist für seine Emotionen. Das schließt sekundäre Pflichten Anderer, sich bestmöglich um ihn zu kümmern, nicht aus, erweitert aber diese auch nicht auf Leistungen, die der Helfer - z. B. mangels der notwendigen Empathie - gar nicht bringen kann.

               

              Und Verantwortung für Emotionen ist nicht dasselbe wie Verantwortung für die Ereignisse, die zu diesen Emotionen führen. Letztere liegt selbstverständlich im Fall von Sexualdelikten beim Täter. Mir geht es gerade aber ausschließlich um das Verhältnis zu Menschen, die völlig unschuldig an der Tat selbst sind und nur helfen wollen, mit der Tat fertig zu werden und/oder weitere zu verhindern.

               

              Vielleicht differenziere ich hier stärker als Sie, weil für mich "Schuld" und "Verantwortung" nicht synonym sind und ich den Menschen nicht für einen Emotionsroboter halte, der auf Erlebtes zwangsläufig so oder so reagieren MUSS. Ich traue - und mute - ihm zu, hierüber ein gewisses Maß an Kontrolle zu haben, und zwar letztlich mehr, als wohlmeinende Dritte sie je ausüben können.

               

              Auch ist ein Opfer natürlich nicht übergriffig, wenn es nur auf weniger empathische Hilfe nicht anspringt, sondern allenfalls, wenn es den Spieß herumdreht und dem schwächelnden Helfer unterstellt, ihm noch Einen mitgeben zu wollen (z. B. durch victim blaming). Diese Übergriffigkeit mag verzeihlich (also meinetwegen auch "nicht schuldhaft") sein, ab sie sie setzt eben den Helfer nicht ins Unrecht.

  • "Nach Angaben des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) handele es sich bei den Vorfällen auf dem Domplatz um eine längst bekannte Masche. Der BDK-Vorsitzende André Schulz sagte im Handelsblatt: "Das sogenannte Antanzen durch Täter, die oftmals aus Nordafrika oder dem Balkan stammen, ist der Bandenkriminalität zuzuordnen und kein neues kriminalistisches Phänomen." Ziel der Täter sei es, die Opfer zu überrumpeln, abzulenken und ihnen Wertsachen zu entwenden. Diese Täter begingen nicht nur Trick- und Taschendiebstähle, sondern auch Raubdelikte, Kfz- und Wohnungseinbrüche." http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/koeln-silvester-sexuelle-uebergriffe-raub-faq

     

    Auch hier waren Banden am Werk: https://de.wikipedia.org/wiki/Hooligan

     

    Die Bundeszentrale für politische Bildung hat dem Phänomen sogar eine eigene Seite gewidmet http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/jugendkulturen-in-deutschland/36231/hooligans

  • Die Polizei empfiehlt mir auch bessere Schlösser, Bewegungsmelder und Zeitschaltuhren gegen Einbrecher anstelle dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt. Das ist dann auch „Victim blaming“ und ja, das ist eine Haltung, die mich stört.

  • Mein Gott, die fünf meistkommentierten Artikel drehen sich jetzt alle um Köln - und noch immer weiß niemand, ob da überhaupt was relevantes passiert ist.

     

    Totale Hysterie. Lächerlich.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Was in Köln passiert ist, ist nicht lächerlich, sondern eine ganz gefährliche Entwicklung. Ein Land, in dem sich Frauen nicht mehr frei bewegen können ohne (von wem auch immer) belästigt zu werden, ist nicht mehr mein Land.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Sexuelle Belästigungen sind Lächerlich? Sie sind wirklich nicht mehr zu helfen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Was würden Sie denn als "relevant" bezeichnen? Sexuelle Nötigung, versuchte und vollzogene Vergewaltigungen sind für Sie nicht relevant?

       

      Die Täter mögen noch nicht klar ermittelt sein, viele Opfer hingegen sind bekannt und haben Anzeigen erstattet.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        "Sexuelle Nötigung, versuchte und vollzogene Vergewaltigungen sind für Sie nicht relevant?"

         

        Dergleichen ist mir nicht bekannt.

  • Hier wird wohl manches mißverstanden, liebe Damen der Schöpfung. Es ist nur eine Empfehlung und es besteht kein Zwang, dieser Empfehlung nachzukommen, falls man sie ablehnt.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Das Problem ist ja nun nicht dass ich (als Frau) mich angegriffen fühle, weil man mir vorschreiben will, wie viel Abstand ich zu meinen männlichen Mitbürgern zu halten habe, das ist ja Blödsinn.

       

      Das Problem ist, dass sich jetzt alles wieder darum dreht, was die Opfer hätten anders machen sollen. Somit werden die Opfer für eine Tat beschuldigt, für die (selbstverständlich) nur der Täter verantwortlich gemacht werden kann. Dem Täter drohen in vielen Fällen aber keine Konsequenzen, denn "es war ja nur Spaß", "sie hätte sich keinen so kurzen Rock anziehen sollen" etc, Victim Blaming eben.

      • @KaeferKriegerin:

        "Das Problem ist, dass sich jetzt alles wieder darum dreht, was die Opfer hätten anders machen sollen."

         

        Ersetzen Sie in diesem Satz "sollen" durch "können", und Sie kommen dem näher, was Reker - und viele andere zu Unrecht als "victim blamer" gescholtene Menschen - geäußert hat. Das sind keine Vorschriften und auch keine versteckten Vorwürfe. Die werden da nur von uns Sensibelchen reininterpretiert.

         

        Es sind einfach Ratschläge an Menschen, denen es wichtiger ist, gar nicht erst Opfer zu werden, als nach erlittenem Unrecht genau zu wissen, wer daran schuld ist. (Sie können jetzt auch diesen Satz wieder als versteckten Vorwurf werten. DAS wäre sogar berechtigt... ;-))

  • Was zwischendruch vielleicht mal ganz interessant zu wissen wäre: Worin genau bestanden denn die "Übergriffe"?

     

    Solange man die Tatsachen nicht kennt, ist es sinnlos, über Maßnahmen zu diskutieren.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Wieso soll es nötig sein eine noch genauere Beschreibung der körperlichen Belästigung zu geben. Da gibt es mehr als genug Informationen, wenn man sich nur richtig informieren möchte und es einem nicht einfach darum geht jegliche nachricht dazu zu nutzen um sein Persönlichen Statements zu verteilen (worauf ihr Profilbild stark hindeutet)?

      Wann fühlen sie sich den ausreichend informiert? Wenn die Opfer nicht nur bei der Polizei aussagen, sondern öffentliche Interviews geben mit einer Detailierten Beschreibung des Tathergangs, am besten nocht mit der Möglichkeit der Zuhörer selber Fragen an das Opfer zu stellen?

  • 0G
    0981 (Profil gelöscht)

    Verstehe allerdings nicht so ganz warum die Aufforderung als Frau ggf. Maßnahmen zum eigenen Schutz zu ergreifen VictimBlaming sein soll.

    • @0981 (Profil gelöscht):

      Ich weiss nicht, ob Sie ein Mann sind, aber auch Männer werden Ziel von sexualisierten und sexuellen Übergriffen. Jetzt stellen Sie sich einfach vor, die Ratschläge gingen an Männer. Jetzt verstanden?

       

      Opfer von Übergriffen zu werden hat nicht mit "sich falsch verhalten" zu haben zu tun. Das ist eine Täter-Opfer-Umkehrung.

      • 3G
        3641 (Profil gelöscht)
        @Lesebrille:

        Als Mann versuche ich auch Gefahrensituationen aus dem Weg zu gehen. Das ist vollkommen normal. Es ist absolut nicht selbstverständlich, sich vollkommen unbeschwert in der Welt zu bewegen. Das fängt schon beim Straßenverkehr an. Warum glauben einige Frauen, dass dies für sie nicht zu gelten hat?

        • @3641 (Profil gelöscht):

          Interessante Formulierung: "Warum glauben einige Frauen, dass dies für sie nicht zu gelten hat?" Meinen Sie, dass das schon auch dreist ist, anziehen zu wollen, was man will, und dorthin zu gehen, wo man will? Dass man wegen der Gefahr, die ja Naturgesetz und unvermeidlich ist, und nicht etwa ausschließlich und allein von Tätern verursacht wird, dass man deswegen mal besser aufpassen müsse? Oder wollen Sie nur unvermeidliche Gefahren, wie sie der Straßenverkehr birgt, mit Raub, Vergewaltigung und Ähnlichem gleichsetzen?

      • 0G
        0981 (Profil gelöscht)
        @Lesebrille:

        @Lesebrille Ja, ich bin ein Mann. Damit hat das was ich meine aber nichts zu tun. Empfehlungen zu geben wie man selbst das Risiko minimieren kann Opfer zu werden hat für mich nichts mit einer Schuldzuweisung an Opfer zu tun.

         

        Wir sind noch ein halbwegs freies Land und es gibt in diesem Land Straftäter. Und egal ob es sich um sexuelle Übergriffe oder Wohnungseinbrüche handelt (siehe Kommentar von Jowall), Ratschläge zur persönlichen Risikominimierung zu geben bedeutet für mich nicht indirekt jedem Opfer einer Straftat eine Mitschuld an der Tat selbst zu geben. Diese trägt allein der Täter.

         

        Gerade in Deutschland ist es doch sogar üblich mit solchen Ratschlägen geradezu überschwemmt zu werden.

        Von Ernährungsratschlägen über den Fahrradhelm bis eben zur genannten Einbruchssicherung.

         

        Warum jetzt ausgerechnet bei Ratschlägen die darauf zielen sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen eine Art vorauseilende Schuldzuweisung an spätere Opfer vorliegen soll erschliesst sich mir nach wie vor nicht.

      • @Lesebrille:

        Bevor ich über eine grüne Fußgängerampel gehe, schaue ich dennoch kurz, ob nicht doch ein Auto angerast kommt und die Ampel ignoriert o.ä.

         

        Wenn ich vorm über die Ampel gehen sicherheitshalber schaue, dann ist das doch auch kein Eingeständnis von mir, dass ich selbst Schuld bin, wenn ich überfahren werde.

         

        Selbstverständlich wäre der Raser Schuld und nicht ich, aber das hilft mir dann auch nicht mehr, wenn ich unter den Rädern liege.

         

        Ich sehe bei Frau Rekers Äußerungen auch keine Verschiebung der Schuldfrage, sondern es geht um ZUSÄTZLICHE Maßnahmen zum Selbstschutz. Natürlich wäre wünschenswert, wenn sie nicht erforderlich wären, aber schaden kann es doch wohl nicht (zumindest solange es nicht in übersteigerte Vorsicht, paranoide Zustände, etc. ausartet).

         

        Als ich erstmals von ihren Ratschlägen gelesen hab, war auch mein erster Gedanke "oh, das klingt aber nach Victim Blaming", aber letztlich hatte ich dann doch nichts zu beanstanden. Ich denke, was diesen ersten Eindruck bei mir mit erzeugt hatte, war die Wahl der Überschrift/en in den Berichten über Rekers Äußerungen, dass da Begriffe wie "Verhaltensregeln" verwendet wurden. Dazu wäre vielleicht Kritik angebracht.

      • @Lesebrille:

        Stimmt. Die Täter-Opfer-Umkehrung hat halt eine lange und zählebige Tradition. Auch bei den Gerichten besteht noch reichlich Nachholbedarf im umlernen. Manch einer kapierts halt erst wenn er/sie selber mal eins aufs Maul bekommen hat. Tschuldige, war nicht genug armweit von Ihrer Faust weg, oder so...

         

        Witz vom königlich-bayerischen Amtsgericht: „Herr Richter, der Seppel ist mir doch glatt in meinen Maßkrug reingelaufen!“

  • Ausgerechnet Reker... hat ihr im letzten Jahr, nachdem sie von einem Irren fast ermordet worden wäre, jemand zynisch empfohlen, doch einfach von Messerstechern eine Armlänge Abstand zu halten? Das wäre ungefähr dasselbe.

    • 2G
      29482 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      Frau Reker hat nach wenigen Wochen 0 Rückhalt mehr in der Bevölkerung. Wurde ohnehin nur von einem verschwindend geringen Anteil von Kölnern gewählt. In einem Land, Bundesland und einer Stadt unter weiblicher Führung, hätte ich mehr Schärfe erwartet.

    • @Mustardman:

      Tja, hätte ihr damals nur jemand gesagt: Frau, geh da nicht zu nah hin... . So viel zum Unsinn von "guten Ratschlägen".

      • @Lesebrille:

        Nö, das Problem bei solchen Ratschlägen ist doch einfach, dass man nicht Abstand halten kann, wenn der andere ihn nicht einhält. Frau Reker ist ja auch nicht etwa ihrem Messerstecher zu nah gekommen, er ist auf sie losgestürzt. Silvester in Köln war es wohl genauso, wie soll mensch Abstand halten, wenn 20 Männer einen von allen Seiten bedrängen? DIE haben Abstand zu halten. Aber vielleicht war das ja so gemeint, keine Ahnung bei dieser aktuellen Hysterie.

        • @Mustardman:

          Was glauben Sie, warum ich die Ratschläge als Unsinn bezeichnet habe? Genau deshalb.

  • Bei einer Person kann man sich noch mit nen Maßregel fertigen. Bei einer Gruppe von Grapschern verfällt man in Panik und verliert die Kontrolle. Diese Panik und der absolute Kontrolle Verlust ist das schlimmste an der Geschichte in Köln. Hoffe es geht allen Frauen die Opfer dieser Aktion geworden sind psychisch einigermaßen.