Schuldenbremse und Vermögenssteuer: Denken nicht dem Markt überlassen
Angesichts der Haushaltsnotlage in Berlin ist es gut, dass Kai Wegner gegen die Schuldenbremse eintritt. Doch es braucht auch die Vermögensteuer.
I n diesen Zeiten muss man ja schon mit wenig zufrieden sein. CDU-Senatschef Kai Wegner setzt sich für eine Reform der Schuldenbremse ein? Immerhin! Das darf man wohl schon als besondere Denkleistung werten in einer Partei, die ansonsten das Denken dem Markt überlässt.
Wegner hat im Gespräch mit dem Spiegel vollkommen richtigerweise erkannt: „Es wird für nachfolgende Generationen noch viel teurer, wenn wir beim Klimaschutz scheitern, wenn die Straßen und Gebäude verfallen.“ Hinzu kommt beim Regierenden Bürgermeister wohl die Sorge um die eigene Zukunft. Muss das Land Berlin tatsächlich fünf Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren aus dem bisherigen Haushaltsvolumen einsparen, wird Wegner eine Kürzungswelle ungeahnten Ausmaßes verantworten müssen. Eine Wiederwahl könnte er sich abschminken.
Doch selbst wenn Wegner – vielleicht im Verbund mit anderen Länderchefs mit ganz ähnlichen Sorgen – erfolgreich die Fesseln einer Schuldenbremse abstreifen könnte, wäre Berlin längst nicht aller Sorgen entledigt. Denn mit Schulden finanziert man am besten Zukunftsinvestitionen und nicht die laufenden Ausgaben für Schulmittagessen oder die Verwaltung. Dafür gibt es eine andere Lösung, die sich Konservative und Neoliberale aber noch nicht einmal zu denken trauen: die Erhöhung der Einnahmen.
Und da bei der breiten Masse wenig zu holen ist, erst recht nicht ohne weitere politische Verwerfungen, liegt es auf der Hand, dass dafür in erster Linie jene herangezogen werden müssen, deren Reichtum sich längst von der Allgemeinheit entkoppelt hat. Ein Land, in dem das reichste Prozent ein Drittel des gesamten Vermögens hortet, während die Infrastruktur allerorten vor sich hin rottet, kann es sich nicht leisten, auf die Aktivierung jener Vermögen für die Allgemeinheit zu verzichten.
Geschenke an die Reichsten
Das aber tut die Bundesrepublik. Seit 1997 wird auf die Erhebung der Vermögensteuer verzichtet – zum Leidwesen der Bundesländer, denen die Einnahmen zugutekommen würden. Mehr als 400 Milliarden Euro haben sich die öffentlichen Kassen bislang entgehen lassen; in Berlin sind es schätzungsweise derzeit mehr als eine Milliarde Euro jährlich, die über eine moderate Vermögensteuer zu akquirieren wär.
Angesichts drohender Sparhaushalte, also Kürzungen der öffentlichen Angebote und Investitionen, müssen sich die Bundesländer für eine Wiedereinführung der Steuer starkmachen. Die Zeiten, in denen auf diese Einnahmen verzichtet werden konnte, sind endgültig vorbei. Bislang ist es vor allem die Linke, die das Thema hochhält und demnächst auch einen entsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen will. Kai Wegner hat dann die Möglichkeit, sich von einem weiteren konservativen Tabu zu verabschieden – zum Wohle der Stadt.
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