Schuldenbremse bremst Klimaschutz: Schulden for Future
taz-Autor Nick Reimer meint, die Schuldenbremse helfe dem Klimaschutz. Ökonom Maurice Höfgen widerspricht. Er warnt vor grüner Austerität.
A usterität gibt es auch in Grün: Sparpolitik, um die Wirtschaft fürs Klima zu schrumpfen. Das forderte taz-Redakteur Nick Reimer kürzlich in einem Debattenbeitrag.
Konkret: Verzicht, Abbau klimaschädlicher Subventionen und eine noch strengere Schuldenbremse. „Wer jetzt die Schuldenbremse für den Klimaschutz aufheben will, der will keinen Klimaschutz“, so Reimer. Ich meine: Er liegt falsch und es wäre fatal, wenn Grüne seinen Forderungen folgen würden – politisch wie wirtschaftlich.
Zunächst: Alle auch nur halbwegs progressiven Ökonomen sind sich einig, dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist – und reformiert gehört. Uneinig sind sie nur darin, wie die Reform aussehen soll. Mittlerweile gibt es sogar immer mehr Konservative, die eine Lockerung der Schuldenbremse fordern. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Bundesbank, das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, die Wirtschaftsweisen – und selbst CDU-Landeschefs wie Kai Wegner.
Stimmen, die die Schuldenbremse gar noch verschärfen wollen, gibt es hingegen kaum. Nicht einmal Prof. Lars Feld, Chefökonom von Finanzminister Lindner, fordert das. taz-Redakteur Reimer aber schon: „Wir müssen jetzt die Schuldenbremse jedes Jahr um 1 Prozent anziehen, damit unsere Kinder und Enkel genug Finanzmittel zur Verfügung haben“, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Derzeit erlaubt die Schuldenbremse eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung (plus in Krisen ein bisschen mehr). Was Reimer nicht verrät: Was soll ein Anziehen „um 1 Prozent“ konkret bedeuten?
Was aus seinem Beitrag auch nicht hervorgeht: Warum sollen die Enkel mehr Geld haben, wenn der Staat weniger ausgibt? Man braucht nicht einmal ökonomische Theorie, um das zu widerlegen. Einfache Buchhaltung reicht. Denn die Ausgaben des einen sind immer die Einnahmen eines anderen. Die Ausgaben des Staates sind also Einnahmen für den Privatsektor (Firmen und Haushalte). Gibt der Staat weniger aus, nimmt der Privatsektor weniger ein.
Der Staat soll also im wahrsten Sinne des Wortes sparen. Also weniger ausgeben, als er einnimmt. Die Konsequenz: Der Privatsektor würde ärmer. Weil der Staat über Steuern mehr Geld aus ihm herauszieht, als er über Ausgaben hineingibt. Dadurch würden die Bankkonten der Firmen und Haushalte schrumpfen. Nur: Wenn deren Konten leerer werden, können die sich grüne Alternativen weniger leisten – und vererben auch weniger an die Enkel!
Arbeitslosigkeit als Klimaprogramm?
Hinzu kommt: Wenn heute Investitionen für die Schuldenbremse unterlassen werden, müssen die Enkel viel mehr Geld und Ressourcen aufwenden, um die Infrastruktur zu sanieren. Schlecht ausgebaute Stromnetze, veraltete Abwasserkanäle, eine marode Bahn: All das sind Lasten für die Zukunft. Erst recht in einer alternden Gesellschaft, in der jeder Enkel künftig einen Rentner mitfinanzieren muss.
Reimers Kommentar suggeriert, man müsse heute Geld in ein Sparschwein werfen, damit die Enkel das für den Klimaschutz ausgeben können. So ein Sparschwein gibt es nicht. Woher kamen etwa all die zusätzlichen Milliarden in der Pandemie? Oder für die Bundeswehr? Aus einem Sparschwein? Nein! Sie wurden neu geschöpft.
Die eigene Währung ist niemals knapp. Selbst die USA oder Griechenland, die Schuldenstände von 130 oder 180 Prozent der Wirtschaftsleistung haben, konnten den Kampf gegen die Pandemie mit höheren Ausgaben bewältigen, haben sogar viel mehr neue Schulden gemacht als Deutschland. Um Firmen zu retten, Impfstoffe zu finanzieren und die Bevölkerung zu schützen. Außerdem: Deutschlands Schuldenstand ist mit 64 Prozent im internationalen Vergleich lächerlich niedrig.
Eine Gesellschaft kann sich immer das leisten, wozu sie technisch in der Lage ist und Arbeitskräfte hat. Spart der Staat aber, schmiert die Wirtschaft ab, gibt es mehr Arbeitslose, weniger Investitionen und auch weniger Steuereinnahmen. Das macht es den Enkeln schwieriger, sich an Klimafolgen anzupassen – nicht leichter. Man täte ihnen andersherum einen Gefallen, wenn es Vollbeschäftigung, Investitionen und Innovationen gäbe. Dann erben sie volle Bankkonten und eine produktive, moderne Infrastruktur!
Konjunkturprogramm für die AfD
Wo Reimer einen Punkt hat: Die Rahmenbedingungen der Wirtschaft müssen sich noch stärker ändern. Platt gesagt: Grün und effizient muss günstiger werden, braun und ineffizient teurer, dann passen sich Konsum und Produktion nach und nach an.
Das geht aber nicht, indem man an grünen Subventionen spart, weil man Staatsschulden verteufelt – und dafür einen fossilen Preisschock erzeugt. Das wäre aber das Ergebnis, wenn man Nick Reimer folgen würde, der da schreibt: „Deutschlandticket und Tankrabatt […]: Derlei Politik bringt nichts auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft – außer dass wir den kommenden Generationen ihren Spielraum verkleinern, sich an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können.“
Schlagartig steigende Preise für Flüge, Autos und Heizungen überfordern die Gesellschaft und zerstören die Akzeptanz für Klimaschutz. Erst recht, solange die Alternativen schlecht sind, sprich: solange es keine günstigen E-Autos und Ladepunkte gibt, die Bahn unzuverlässig und marode ist, Wärmepumpen teuer sind und die Förderung für Energieberater gekürzt wird. Und um Alternativen zu fördern, braucht es mehr Geld und wirtschaftliche Dynamik, also: mehr Schulden, nicht weniger. Unabhängig davon, dass auch Umverteilung – von Dienstwagenprivileg zu E-Auto-Prämie und von Reich zu Arm – wichtig ist.
Grüne Austerität aber heißt: weniger Jobs, weniger Einkommen, dafür steigende Preise und Existenzängste. Das wäre ein Konjunkturprogramm für AfD und Klimawandelleugner, aber kein Gefallen für unsere Kinder und Enkel!
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