Schüsse auf Eritreer in Wächtersbach: Kaum verhüllte Wurschtigkeit

Deutschland braucht keine neue Blockwart-Mentalität. Nötig ist mehr Bewusstsein dafür, dass keiner nur für sich selbst verantwortlich ist.

Viele Leute

Mahnwache in Wächtersbach Foto: dpa

Wie immer ist hinterher die öffentliche Betroffenheit groß. So war es, als die schockierende Mordserie des NSU aufflog (nach nur sechs Jahren); so war es, als im Juni der hessische CDU-Politiker Walter Lübcke erschossen wurde. Und so ist es auch jetzt, nach den Schüssen auf einen Mann eritreischer Herkunft (schon wieder in Hessen). Es wird getrauert und „aufs Schärfste“ verurteilt.

Und dann? Folgen keine Konsequenzen, rennt schon bald der nächste Rechtsextremist los in seiner narzistischen Verblendung und glaubt, er hätte das Recht, seinen kleinherzigen Hass irgendwie zu kanalisieren und gegen andere zu richten.

An Waffen zu kommen, scheint in Deutschland – wie lange wurde hier hochnäsig über die waffenvernarrten Amis die Nase gerümpft –, kein großes Problem mehr zu sein. Man muss sie nicht mal illegal beschaffen, wie der NSU. Anscheinend genügt die Mitgliedschaft im Schützenverein. Ob irgendwelche Verbote hier etwas nutzten, sei mal dahingestellt.

Wirklich beängstigend ist die Gleichgültigkeit, die hinter der Betroffenheit sichtbar wird. Mit der die Leute so nebeneinander her leben. Die sich etwa auch in Lügde zeigte, wo keiner mitbekam, dass ein Dauercamper jahrelang kleine Mädchen missbrauchte. Und die sich jetzt im Fall von Roland K., der in Wächtersbach auf den 26-jährigen Eriteer schoss, drastisch und pars pro toto zeigt. „Er war ein Asylantenhasser“, sagt der Wirt, bei dem K. regelmäßig trank. Und dem er – immer wieder – gesagt haben soll: „Wenn ich gehe, dann nehme ich einen mit.“

Da äußert einer also regelmäßig Suizid- und Gewaltgedanken. Nicht nur einer Person gegenüber, auch andere sollen davon gewusst haben. Und keiner nimmt es ernst. Ernsthaft?

Wie abgestumpft kann man sein? Gut, kein Gesetz und keine Verordnung wird gegen diese Wurschtigkeit helfen. Und am allerwenigsten braucht Deutschland eine neue Blockwart-Mentalität, die dem Nachbarn durch die Gardinen guckt. Aber es braucht mehr Bewusstsein dafür, dass keiner, gerade in einer immer komplexer und anstrengender werdenden Welt, nur für sich selbst verantwortlich ist.

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