Schüsse auf Eritreer in Hessen: Mordversuch mit Ankündigung

Vor dem Anschlag in Wächtersbach hatte der Schütze die Tat in einer Bar angekündigt. Deren Wirt fällt im Netz mit rechten Aussagen auf.

Mahnwache in Wächtersbach

Mahnwache in Wächtersbach am Dienstagabend Foto: reuters

FRANKFURT/M. taz | Nach dem rassistisch motivierten Mordanschlag auf einen 26-jährigen Eritreer haben sich in Wächtersbach am Dienstagabend 400 Menschen zu einer Mahnwache versammelt, um dem Opfer und seinen Angehörigen ihre Solidarität zu zeigen. Stadtverordnetenvorsteher, Bürgermeister, Landrat und die Kirchen hatten wenige Stunden zuvor dazu aufgerufen. „Offen für Vielfalt, geschlossen gegen Ausgrenzung“ steht auf den mitgebrachten Plakaten und „Kein Platz für Rassismus“.

Aus Berlin meldet sich Peter Tauber, CDU, zu Wort, der diesen Wahlkreis im Bundestag vertritt; der Verteidigungsstaatssekretär sagt der taz am Rande der Vereidigung seiner neuen Ministerin: „Mich nimmt das auch persönlich mit, weil es in meiner Heimatstadt passiert ist“, und fügt hinzu: „Wer jetzt noch leugnet, dass unsere Demokratie und Freiheit angegriffen wird, versündigt sich.“

In der Nachbarschaft des Tatorts in der Wächtersbacher Industriestraße, zwischen Bahndamm und Autobahn, befindet sich eine Fort- und Weiterbildungseinrichtung. Sie bietet unter anderem Deutschkurse für Ausländer an. Hier ging der junge Mann, der am Montag niedergeschossen wurde, ein und aus. Was in den übrigen Besuchern dieser Einrichtung vorgeht, wenn sie am Tatort vorbeigehen, wollen sie nicht sagen.

Ein ganz normaler Kneipenspruch?

Ein anderer gibt dagegen gerne Auskunft. Dirk R., der Wirt des „Martinsecks“ in Kassel, einem Stadtteil von Biebergemünd. Er hat dem Hessischen Fernsehen erzählt, der mutmaßliche Täter sei vor dem Mordanschlag gegen 11 Uhr vorbeigekommen und habe „ganz normal seine zwei, drei Bier getrunken“. Er werde einen „Flüchtling abknallen“, habe der Gast geprahlt, aber niemand habe ihm geglaubt: „Ich denke, das ist ein ganz normaler Kneipenspruch, das hat keiner für Ernst genommen“, erklärte Dirk R. im TV.

Ein normaler Kneipenspruch? Im Martinseck gehören solche Sprüche offenbar zum Alltag. Auf Facebook hat der Wirt mehrfach gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung polemisiert.

Er werde einen Flüchtling „abknallen“, hatte der spätere Täter zuvor geprahlt

Nach der Tat sucht Roland K. das Martinseck erneut auf. Wieder stößt er Drohungen gegen Ausländer aus. Wenig später richtet er sich 300 Meter von der Kneipe entfernt mit einer Pistole selbst.

Musste der Wirt die Drohungen ernst nehmen? Hätte die Tat vielleicht verhindert werden können, wenn die Polizei früher alarmiert worden wäre? Roland K.s Nachbar Andreas Büchner schilderte den Attentäter Medien gegenüber Medien als „durchgeknallt“ und berichtete von „Gewaltfantasien“. Roland K. war Mitglied im Schützenverein und besaß ein halbes Dutzend Waffen.

Die taz hat bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft nachgefragt, ob der Wirt des Martinsecks inzwischen vernommen wurde oder gegen ihn ermittelt wird, weil er die Drohungen vor der Tat ignoriert hatte. „Aus ermittlungstaktischen Gründen erteilen wir dazu keine Auskunft“, erklärte die Behörde am Mittwoch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.