Scholz und Cum-Ex: Vorgänger belastet Tschentscher
Der Hamburger Ex-Finanzsenator Peiner (CDU) behauptet, er wäre mit Steuersachen anders umgegangen als sein Nachfolger. Neues zum „teuflischen Plan“.
Damit hat der ehemalige Senator die Frage des Untersuchungsausschusses, ob Senat und Steuerverwaltung zum Nachteil der Hamburger Einfluss auf ein Steuerverfahren genommen haben, zwar nicht im Einzelfall, aber grundsätzlich bejaht. Das schlägt auch zurück auf den damaligen Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Tschentscher hatte bei seiner Befragung im Ausschuss zwar eingeräumt, er habe sich als Chef der Finanzbehörde über den Fall berichten lassen; die Entscheidung habe er aber den Experten des Finanzamtes und der Finanzbehörde überlassen. „In steuerliche Entscheidungen der Finanzämter wurde ich nicht eingebunden, in besonderen Fällen aber informiert“, sagte er.
Gegenstand des Untersuchungsausschusses sind Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger Privatbank MM Warburg, von denen sich inzwischen herausgestellt hat, dass sie rechtswidrig waren. Bei den Geschäften wurden Aktien so gehandelt, dass sich die Beteiligten eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten lassen konnten – ein schlichter Griff in die Staatskasse.
Zum Rückfordern gezwungen
Der Ausschuss untersucht, warum die Hamburger Finanzverwaltung 2016 und 2017 Steuererstattungen aus solchen Geschäften nicht zurückforderte wollte, sondern in Kauf nahm, dass die Forderungen verjährten. 2016 verjährte eine Forderung von 47 Millionen Euro tatsächlich, 2017 zwang das Bundesfinanzministerium die Hamburger, 43 Millionen Euro einzutreiben. Inzwischen hat die Bank 177 Millionen Euro zurückgezahlt.
Ex-Senator Peiner schilderte, dass er vor vielen Jahren einmal von dem Miteigentümer der Warburg-Bank Christian Olearius gefragt worden sei, ob er sich bei einem steuerlichen Problem Rat von der Politik holen sollte. „Mein Rat war: auf keinen Fall“, sagte Peiner. „In dem Moment, in dem sie erkennen, dass es sich um eine Steuerangelegenheit handelt, müssen sie das Gespräch beenden.“
Peiner wollte zwar nicht ausschließen, dass er selbst ein Schreiben eines Steuerpflichtigen in den Behördenapparat gereicht habe. Das wisse er nicht mehr. „Aber ich hatte meine Prinzipien“, sagte Peiner. Es sei die Sache des Staatsrates, sich mit solchen Schreiben zu befassen. Der Senator repräsentiere die politische Ebene, die sich da nicht einmischen dürfe, der Staatsrat leite die Verwaltung. Allerdings sind die Staatsräte politische Beamte.
Im Warburg-Fall hatte der damalige Finanzsenator Tschentscher ein Argumentationsschreiben der Bank in seine Behörde gegeben mit der Bitte, ihn auf dem Laufenden zu halten. Die Bank hatte das Papier auf Empfehlung von Bürgermeister Scholz an Tschentscher geschickt. Dabei lag das Schreiben dem zuständigen Finanzamt für Großunternehmen längst vor.
Referentin fühlt sich unbeeinflusst
Eine Referentin der Finanzbehörde, bei der das Schreiben landete, sagte bei ihrer Vernehmung am Donnerstag: „ Ich habe mich davon nicht angesprochen gefühlt“. SPD-Obmann Milan Pein hakte nach: „Wenn der Senator um Sachstand bittet, will er doch was?“ Er wolle informiert werden, antwortete die Referentin. „Er hat nicht gesagt: Entscheide so oder so!“ Allerdings sei das auch der einzige derartige Fall außerhalb des Beschwerdemanagements gewesen, der ihr untergekommen sei.
Die Ausschusssitzung war ein schräges Licht auf eine entscheidende Sitzung in der Finanzbehörde am 17. November 2016. Dort wurde eine 29-seitige Ausarbeitung der Sachgebietsleiterin Daniela P. diskutiert, die zu dem Schluss kam, das Geld solle von Warburg zurückgefordert werden. Am Ende kam die Runde aber zu dem Schluss, nicht zurückzufordern. Warum, das ist und bleibt rätselhaft.
Die Schlüsselrolle auch in der Sitzung scheint P. gespielt zu haben, die ein Gespräch mit eine Kölner Staatsanwalt einführte. Der habe darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt noch nicht ausermittelt sei und die Steuern im Zweifel noch in einem Strafverfahren zurückgeholt werden könnten. Das war damals noch nicht die Rechtslage, hat aber offenbar keiner aus der Runde überprüft. Ebenfalls nicht überprüft worden zu sein scheint, ob die Bank durch die Rückforderung in ihrer Existenz bedroht gewesen wäre.
P. scheint ausgeführt zu haben, dass sich seit Abfassung ihres Papiers sechs Wochen zuvor neue Erkenntnisse ergeben hätten, die gegen eine Rückforderungen sprächen. Das Anlagenkonvolut, das sie mitlieferte, deutete nach Auffassung von Ausschussmitgliedern aber in die entgegengesetzte Richtung.
Der „teuflische Plan“
Nur hat den Ordner, wie es sich nach den Zeugenaussagen darstellt, keiner vorher gelesen oder Schlüsse daraus in die Runde eingebracht. In dem Gespräch habe es nur Zweifel an der bisherigen Argumentation gegeben, sagte die inzwischen pensionierte Leiterin des Finanzamtes für Großunternehmen, „bis ich irgendwann sagte: Sollen wir es lieber lassen?“
Dieser Satz könne am ehesten zu einem von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Chat P.s mit anderen Verwaltungsmitarbeitern gehören. Darin äußerte sich P. nach der Sitzung gegenüber einer Kollegin erfreut darüber, dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei. Zudem bezeichnete P. zwei Kollegen aus der Finanzbehörde als „Totalausfälle“ und das Bundesminsterium der Finanzen als „doof“. Allerdings sei ihr ein teuflischer Plan nicht bekannt, sagte die Finanzamtschefin.
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