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Schmidt und sein Glyphosat-AlleingangAltmaier wies Schmidt auf Regeln hin

Der Kanzleramtschef wies Schmidt am Montag darauf hin, dass ein Ja nur mit einem Ja der Umweltministerin geht. Schmidt will jetzt die Wogen glätten.

Altmaier (links) wies Schmidt (nicht im Bild) darauf hin, dass die Zustimmung von Hendricks (rechts) nötig sei. Das war ihm aber egal, deshalb wurde er von Merkel (Mitte) gerügt Foto: dpa

Berlin dpa/afp | Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat Agrarminister Christian Schmidt (CSU) kurz vor der Abstimmung über das Unkrautgift Glyphosat auf die Regeln der Bundesregierung hingewiesen. Altmaier habe am Montagvormittag in einem Telefonat deutlich gemacht, dass eine Zustimmung zuvor mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) abgestimmt werden müsste. Das teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin mit. Ein Sprecher von Hendricks bekräftigte, die Ministerin habe eindeutig ihr Nein erklärt. Schmidt ließ dann in Brüssel dennoch zustimmen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erfuhr erst nach der Abstimmung am Montag vom Ja des Landwirtschaftsministeriums, wie Demmer sagte. Schmidt betonte, bei dem Votum auf eigene Faust gehandelt zu haben. Merkel hatte ihn am Dienstag gerügt und erklärt, dies habe nicht der von der Bundesregierung ausgearbeiteten Weisungslage entsprochen. Der Minister habe mit seinem Alleingang gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstoßen. Demnach hätte sich Deutschland bei Uneinigkeit in der EU-Abstimmung enthalten müssen.

Regierungssprecherin Demmer sagte, trotz des bedauerlichen Vorfalls, der sich nicht wiederholen dürfe, werde in der geschäftsführenden Regierung „ordnungsgemäß und konstruktiv“ weiter zusammengearbeitet.

Christian Schmidt (CSU) selbst will derweil versuchen, die Wogen glätten: „Ich werde bei den Fragen der nationalen Umsetzung auf meine Kollegin Hendricks zugehen und wir werden gemeinsam an einer Lösung arbeiten, um den Einsatz von Glyphosat künftig restriktiver zu gestalten.“, sagte der Bild.

Skepsis gegenüber weiterer Groko

Die SPD ist äußerst verärgert über Schmidts Vorgehen. Negative Auswirkungen auf die mögliche Bildung einer erneuten Großen Koalition sieht der Agrarminister nach eigenen Worten nicht: „Ich gehe davon aus, dass eine mögliche künftige Regierung der Bundesrepublik Deutschland nicht an der Frage Zustimmung oder Enthaltung zu Glyphosat scheitert, zumal wir durch die Zustimmung in der Sache mehr erreicht haben als mit einer Enthaltung.“ Einen Rücktritt lehne Schmidt ab.

Der SPD-Politiker Matthias Miersch hat Merkel und die Union zu einer umfassenden Aufklärung der deutschen Glyphosat-Zustimmung aufgefordert. Erfolge dies nicht, „muss man auch überlegen, ob man schärfere Schwerter zieht, bis zu einem Untersuchungsausschuss, der dann ein Mittel wäre, wenn die Aufklärung vorher nicht erfüllt wird“, sagte der Sprecher des einflussreichen linken SPD-Flügels im ARD-Morgenmagazin am Mittwoch. Es gebe viel Aufklärungsbedarf, zum Beispiel, wann und wie Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer darüber informiert gewesen seien.

„Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Man kann überhaupt nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte Miersch. Es gebe in der SPD eine „ganz überwiegende Skepsis“ gegenüber einer weiteren Großen Koalition.

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12 Kommentare

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  • Aha. Es gab also Regeln. Und sonst so?

     

    Ist nun Schmidts Zustimmung ungültig? Kommt Glyphosat womöglich nicht? Ist eine neue GroKo out? Hat Schmidt selbst weniger zu melden als zuvor? Muss er gar aus der eignen Tasche zahlen für die verseuchten Böden, kranke Bauern oder giftiges Gemüse?

     

    Nein. Muss er nicht. Er muss nur eine „Rüge“ aushalten. Und damit hat der Mann vermutlich kein Problem. So was prallt an ihm ab. Er war ja darauf vorbereitet – und er hat jede Menge treue Fans, die ihm die Stange halten und ihn gerne trösten werden, weil er sich schließlich aufgeopfert hat für sie und ihren Kontostand.

     

    Was, zum Henker, sind denn Regeln wert, die man nicht respektieren braucht, wenn's einem grad' nicht in die Karten passt? Man könnte ganze LKW-Ladeflächen fülle mit den veröffentlichten Regeln, die hierzulande und heutzutage gelten. Was nicht bedeutet, dass die Regeln eingehalten werden. Manch einer ist halt sehr viel gleicher als die anderen. Der kann sich seine Freiheit nehmen, wie er sie grade gerne hätte. Solch einer Pippi hilft es sicher sehr, wenn nicht einmal die fähigsten Juristen noch in der Lage sind zu sagen, wie viele Regeln es mit wie viele Paragraphen gibt. Die Presse liest ja keine amtlichen Bekanntmachungen.

     

    Die taz jedenfalls erzählt ihren ehrfürchtig staunenden Leser*innen, dass es doch eher familiär zugeht ganz oben an der Spitze unsrer Politik. Man schimpft, man mahnt, man droht und will sich bessern – nachdem man lang genug geschmollt hat und getrotzt. Weh tut man seinen Kindern aber nicht. Man liebt sie, weil sie doch sehr ähnlich sind (und weil man observiert wird von den Lästermäulern). So wird die große Politik doch gleich begreifbarer für solche Kleinen Leute, die's nicht so gern haben (wollen) mit der Politik. Weil sie grade gefehlt haben schnupfenbedingt, als Selberdenken und Eigenverantwortung im Unterricht behandelt worden sind an jenem Mittwoch im Oktober 1990.

  • Solch ein absurder Unfug. Die CDU/CSU hält sich nicht an Absprchen.

     

    Mit Einheiten, die Absprachen nicht einhalten, kann man keine Geschäfte machen, ohne Sanktionen vorzusehen.

    So jedenfalls ist die CDU/CSU nicht koalitionsfähig.

     

    Eie GroKo wäre die komplette Entwürdigung der SPD.

    • @J_CGN:

      Ich wage zu wetten, dass es wieder eine GROKO gibt, und dass die CDU sich nicht dazu durchringen kann, die CSU auf die Oppositionsbank zu verweisen.

       

      Bin mal gespannt, wann die SPD die 5%-Hürde anpeilt.

  • Schmierentheater - es waren alle informiert. Es geht nur darum die Interessen der Industrie zu bedienen und gleichzeitig nicht als Buhmann dazustehen. Wenn Schmidt hier ohne Rückendeckung gehandelt hätte, wäre er schon nicht mehr Minister. So aber wird uns jetzt - wie schon bei vielen anderen Skandalen - ein Theater vorgespielt.

    Frau Merkel ist ein Machtmensch. Ein Minister, der ohne ihr Wissen so gegen die Regeln verstoßen würde, wäre sofort weg. Die entsprechenden Unterlagen, mit denen Frau Merkel belegen könnte, was abgesprochen bzw. nicht abgesprochen wurde, hält das Kanzleramt aus guten Gründen geheim.

    Selbst die SPD dürfte informiert gewesen sein. Der SPD geht es nicht um eine bürgerfreundliche Umweltpolitik. Ihr geht es darum eine industriefreundliche Politik als sozialdemokratisch und bürgerfreundlich zu verkaufen. Üblicherweise hat sie da mit dem rechten und linken Flügel bad cop / good cop gespielt. Hier haben sie der CSU nun die bad cop-Rolle überlassen.

    Die Bürger_innen nehmen - im Gegensatz zur taz - dieses Spiel der GroKo nicht mehr ab. Selbst in der tagesschau wird da weitergehend informiert als in der taz. Daher zeigen jetzt alle, die selbst mitgespielt haben mit den Fingern auf die anderen. Genauso wie beim NSA-Skandal, Frau Merkel meinte, "Abhören unter Freunden geht gar nicht" und den BND aber eifrig Franzosen und Briten abhören ließ.

    Die Doppelmoral scheinen die etablierten Parteien alle gepachtet zu haben. Das macht dann Trump oder AfD attraktiv, denen man unterstellt, dass sie auf Grund ihrer mangelnden Moral auch keine Doppelmoral hätten. Obwohl das leider nicht stimmt, verfängt dies leider. Den Boden bereitet haben aber die etablierten Parteien. Änderung ist leider nicht in Sicht.

  • Große Koalition können die machen, da gehört nicht die kleinste Partei im Parlament, die CSU, dazu.

    • @Age Krüger:

      Gute Idee.

      Wenn die CDU und die Kanzlerin tatsächlich von ihren Bayern-Christen vorgeführt und lächerlich gemacht worden sein sollte, wäre eine CDU/SPD-Regierung die richtige Antwort.

       

      Ein neuer CDU-Landesverband ließe sich gründen, und dann könnte die CSU tatsächlich die rechte Partei sein, die sie gern wäre.

       

      Dass dieses regionalale Anhängsel der Union weiter wie seit Jahren die bundesrepublikanische Politik erpresst, wäre dann allerdings zu Ende. Offensichtlicher bajuvarischer Unfug wie Ausländermaut, übertriebene Autobahnprivatisierung oder die öffentliche Bloßstellung einer überrumpelten Kanzlerin wären dann nicht mehr an der Tagesordnung.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @unSinn:

        ''Ein neuer CDU-Landesverband ließe sich gründen, und dann könnte die CSU tatsächlich die rechte Partei sein, die sie gern wäre. ''

         

        Das haben Menschen in Bayern versucht (zumindest bei einem Ortsverband), aber es wurde ihnen von der Bundespartei verboten!

        Da erinnert mich doch Bayern an die DDR, da durfte auch die CDU nicht zu den Wahlen antreten.

         

        Ich würde es auch begrüßen, wenn die CSU bundesweit antreten würde, dann würde wohl mehr als die Hälfte der sächsischen CDU zur CSU wechseln und das würde vielleicht auch der AfD ein Stück weit das Wasser abgraben.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @unSinn:

        ...falls Merkel tatsächlich von der CSU vorgeführt wurde, dann kann sie ihre sog. Raute einpacken und gehen.

  • Es könnte sich ergeben, daß Schmidt nicht mehr tragbar ist - aber allenfalls wegen des drohenden Verlustes an Wählerstimmen, und sonst nichts.

     

    Doch wie sieht es in einem solchen Fall aus? Bislang winkte verbrannten Politikern ja immer irgendwo innerhalb der Wirtschaft ein lukrativer Posten als Belohnung.

     

    Ich meine, hier sollte man bei Schmidt keine Ausnahme manchen, und dies ggf. auch zwangsweise umsetzen. In frage käme in diesem Sonderfall z. B. ein Posten als Stallknecht zu HartzIV-Bedingungen. Abrunden ließe sich dies noch mit glyphosatangereicherten Lebensmitteln, weil das ja so "gesundheitsfördernd" ist.

  • Was ich nicht verstehe, die CSU ist so rechts wie die AfD und so chaotisch wie man sich ein Zusammenspiel CDU mit der Linkspartei nur vorstellen kann.

     

    Mit LINKE oder AfD will die CDU aus besagten Gründen nicht koalieren - warum also mit der CSU?

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Dieser Satz von Schmidt:

    "Ich gehe davon aus, dass eine mögliche künftige Regierung der Bundesrepublik Deutschland nicht an der Frage Zustimmung oder Enthaltung zu Glyphosat scheitert, zumal wir durch die Zustimmung in der Sache mehr erreicht haben als mit einer Enthaltung.“

     

    ist an Verlogenheit nicht mehr zu toppen. Mittlerweile geht politisch alles ohne Konsequenzen .

    Glaubt noch irgendwer an korrekte politische Handlungsträger?

    Gibt es wirklich Verwunderung über Politikerverdrossnheit und damit verbundene Wahlenthaltung oder rechte Kreuzchen auf dem Zettel.

    Ds sieht nicht gut aus für zukünftige Wahlenentscheidungen.

  • Glyphosat ist äußerst schädlich für Mensch, Tier und Umwelt. Es ist wahrscheinlich auch in geringen Mengen krebserregend. Viele Informationen, die man im Internet über die Suchmaschine Glyphosat betreffend findet, sind von Monsanto manipuliert oder unverständlich formuliert. Mein Wissen habe ich aus einem wissenschaftlichen Buch über Pestizide, das in Kürze auf deutsch erscheint. Mit dem Glyphosat-Verbot hätte endlich mal etwas Gutes passieren können, das Pestizid hätte verboten werden können!! Dies hat Schmidt von der CSU erfolgreich zu verhindern gewusst. Es macht mich ärgerlich, wie die Politik von den Konzernen gesteuert wird. Das einzige, was man als Verbraucher tun kann, ist wohl, seine Nahrung vom Biobauern zu holen.

     

     

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