Schlappe für Netanjahus Justizreform: Geschwächt, und doch gefährlich
Netanjahu scheinen zwar die Asse im Ärmel auszugehen, doch seine Niederlage bei einer Abstimmung verheißt nichts Gutes.
V ielleicht hat er ausgezaubert, Bibi Netanjahu, der einstige Magier. Die Asse, die er in der Vergangenheit stets aus dem Ärmel ziehen konnte, sind nur noch lumpige Siebener und Achter. Bei einer zentralen Abstimmung in der Knesset fuhr er eine bittere Niederlage ein. Die Verhandlungen dazu glichen einem Krimi.
Es ging um die Wahl der parlamentarischen Vertreter*innen für das Komitee, das über die Ernennung der Richter des Obersten Gerichtshofs entscheidet – sie sollte der Lackmustest sein, wie es in Sachen Justizreform weitergeht – jener Frage also, die das Land derzeit zerreißt.
Netanjahus Strategie: Die Abstimmung verschieben, Zeit gewinnen, sich vor dem Druck, der von entgegengesetzten Seiten auf ihn einwirkt, wegducken: die radikalen Kräfte seiner Regierungskoalition, die extrem rechten Siedler und die Ultraorthodoxen wollen endlich Ergebnisse sehen. Zumindest einen Teilerfolg in Sachen Justizreform, mit der die Koalition die Gewaltenteilung aufheben will. Auf der anderen Seite der Druck der Straße, der Zehntausenden seit Monaten Demonstrierenden.
Die Rechnung ging nicht auf. Vier Abgeordnete aus Netanjahus eigenen Reihen wählten die Oppositionspolitikerin Karine Elharrar-Hartstein in das Komitee. Ein Punktsieg für die Opposition. Die aber stieg dennoch aus den derzeitigen Kompromissverhandlungen über die geplante Justizreform aus. Ihr Vorwurf: Netanjahu habe vor den Extremisten kapituliert. Solange die zweite parlamentarische Abgeordnete nicht gewählt ist, kann das Komitee nicht gebildet werden.
Die Schadenfreude über Netanjahus Scheitern hält sich also in Grenzen. Denn seine Schlappe könnte fatale Folgen haben. Die Regierung könnte als Reaktion auf diese Niederlage einseitig Gesetze durchpeitschen, die die Demokratie nur noch weiter abbauen. Der Versuch eines Kompromisses in Sachen Justizreform könnte scheitern. Damit würden die Demonstrationen erst recht weiter angefacht werden. Bibi war selten schwächer – und doch die Gefahr für das Land selten größer.
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