Geplante Justizreform: Die Regierung spaltet Israel

Während in der Knesset über die Justizreform abgestimmt wird, gehen Hunderttausende dagegen auf die Straße. Kritik kommt inzwischen auch von rechts.

Menschen mit israelischen Fahnen und Plakaten gegen Ministerpräsident Netanjahu

Hunderttausende protestieren am Montagabend gegen Israels Regierung und die geplante Justizreform Foto: Ohad Zwigenberg/ap

TEL AVIV taz | Die geplante Justizreform in Israel zerreißt das Land immer mehr. Während am Montag die Knesset, das israelische Parlament, die geplante Justizreform diskutierte, protestierten im ganzen Land Kri­ti­ke­r*in­nen gegen die sogenannte Justizreform. Die größte Demonstration fand in Jerusalem statt – über 100.000 Menschen zogen vor die Knesset. Bis in die Nacht hinein versuchten einige, die Barrikaden zur Knesset zu durchbrechen.

Zuvor hatten Kri­ti­ke­r*in­nen die Zugänge zu den Privathäusern von einigen Knessetabgeordneten und zentrale Straßen blockiert, um zu verhindern, dass die Abgeordneten in das Parlament gelangen können. Auch innerhalb des Parlamentsgebäudes kam es zu Tumulten. Teile der Opposition hüllten sich während des Plenums aus Protest in Israelfahnen, einige von ihnen wurden des Saals verwiesen.

Scheinbar unbeeindruckt davon stimmten spät in der Nacht 63 Abgeordnete in erster Lesung für den Gesetzentwurf, der das Oberste Gericht entmachten und der Regierung faktisch die Möglichkeit geben würde, über die Ernennung der Richter des Obersten Gerichts zu entscheiden. 47 Abgeordnete stimmten dagegen. Einige boykottierten die Abstimmung.

Die Gesetzesvorhaben werden nun im Justizausschuss für die zweite und finale dritte Lesung vorbereitet. Justizminister Yariv Levin kündigte an, das Gesetzespaket bis Ende März verabschiedet haben zu wollen.

Israels Präsident fordert Regierung zum Dialog auf

„Eine große Nacht und ein großer Tag“, feierte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Abstimmung. Aus der Opposition kam harsche Kritik. „Die Geschichte wird Sie für diese Nacht verurteilen“, twitterte Yesh-Atid-Oppositionsführer Yair Lapid, „für den Schaden an der Demokratie, der Wirtschaft und der Sicherheit, dafür, dass Sie das israelische Volk in Stücke reißen und es Ihnen einfach egal ist.“

Ram Ben Barak, ebenfalls Yesh Atid, verglich die Vorhaben mit dem Nationalsozialismus: Die Nazis seien in Deutschland ebenfalls auf demokratische Weise an die Macht gekommen, sagte er in der Knesset.

Israels Präsident Yitzhak Herzog hatte zuvor die Regierung dazu aufgerufen, die Justizreform auf Eis zu legen und in einen Dialog mit der Opposition zu treten. Dabei hatte er auch einen Kompromissvorschlag vorgestellt. Die Opposition hatte allerdings die Bedingung aufgestellt, die Gesetzgebung dafür auf Eis zu legen.

In der Knesset ist das Votum klar, doch außerhalb seiner Regierungskoalition erntet Netanjahu zunehmend auch von rechter Seite Kritik an der Justizreform.

Kritik auch aus den USA

Auf den Demonstrationen gegen die Justizreform protestieren auch Rechte, Religiöse und Siedler*innen. Und selbst aus den Reihen des Likud kommt mitunter heftige Kritik, etwa vom ehemaligen Justizminister Dan Meridor. Die umstrittene geplante Justizreform würde das Rechtssystem des Landes zerstören und die Bürger gegenüber den Maßnahmen der Regierung schutzlos stellen.

Einer von Netanjahus engsten Verbündeten, der ehemalige Chef des israelischen Geheimdienstes, Yossi Cohen, der gar als potenzieller Nachfolger für Netanjahu gilt, forderte ihn dazu auf, in Verhandlungen mit der Opposition zu treten.

Auch aus Washington kam die bislang schärfste Kritik mit der Aufforderung „in die Bremsen zu steigen“ und einen Konsens zu erreichen.

Bundesjustizminister Buschmann: Indirekte Kritik

In dieser aufgeheizten Stimmung ist derweil der deutsche Justizminister Marco Buschmann in Israel gelandet – eigentlich, um die Rosenburg-Ausstellung an der Universität Tel Aviv zu eröffnen, mit der die nationalsozialistische Vorgeschichte des Bundesministeriums dokumentiert wird.

Der FDP-Politiker ist um seine Rolle nicht zu beneiden. Es ist der erste Besuch eines deutschen Ministers in Israel seit der Vereidigung der neuen israelischen rechtsextrem-religiösen Regierungskoalition. Bei der Eröffnung der Ausstellung fand Buschmann kritische Worte, ohne direkt zu werden: „Aus der Geschichte zu lernen bedeutet, zu erkennen, dass man breite Mehrheiten suchen sollte, wenn man die Spielregeln des demokratischen Wettbewerbs und das Zusammenspiel der Verfassungsorgane verändern möchte.“

Er ergänzte, dass in Deutschland Änderungen des Grundgesetzes nur mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln in Bundesrat und Bundestag möglich seien.

Auf Buschmanns Terminkalender steht für Dienstag ein Gespräch mit seinem israelischen Amtskollegen Yariv Levin. Außerdem will er sich mit Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Mia sowie der Präsidentin des Obersten Gerichts, Esther Chajut, treffen.

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