Schelte und Lob für Letzte Generation: Rüge vom WWF, Einigung mit Marburg
Aktivisten der Letzten Generation gewinnen mehr Städte für ihr Anliegen. Die Farbaktion beim Grundgesetz-Kunstwerk sorgt aber für Unverständnis.
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Christoph Heinrich, geschäftsführender Vorstand der Umweltorganisation WWF, etwa findet die Aktionen der Letzten Generation nicht grundsätzlich schlecht: Sich auf Straßen festzukleben, sei „nervig, aber so ist Protest nun mal“. Außerdem richteten sich solche Formen gegen den Autoverkehr, der ja auch klimarelevant sei. Aktionen wie die jüngste Farbattacke der Gruppe auf das Grundgesetz-Kunstwerk im Berliner Regierungsviertel hält er jedoch für kontraproduktiv. „Das ist falsche Symbolik. Hier wird dem Klimaprotest ein Bärendienst erwiesen“, sagte Heinrich den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
„Ich habe die Sorge, dass Klimaschutz durch solche Aktionen im Bewusstsein der Bevölkerung nur noch als Anliegen von Extremisten wahrgenommen werden könnte“, so der WWF-Mann. Grundgesetz-Denkmäler zu beschmutzen, wirke, wie das Grundgesetz in Zweifel zu ziehen.
Am Samstag hatten Aktivisten der Gruppe Letzte Generation eine schwarze Flüssigkeit an die gläsernen Wände der Kunstinstallation „Grundgesetz 49“ des israelischen Künstlers Dani Karavan geworfen. Darüber klebten sie Plakate etwa mit der Aufschrift „Erdöl oder Grundrechte?“.
Marburger Einigung
Ganz grundsätzliche Unterstützung bekommen die Aktivist:innen nun auch in Marburg. Nach seinen Kollegen in Hannover und Tübingen hat sich der Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) mit der Letzten Generation geeinigt. Er habe einen Brief an die Bundesregierung sowie die demokratischen Fraktionen im Bundestag geschrieben, in dem er „inhaltliche Forderungen der Letzten Generation unterstützt“, hieß es in einer Mitteilung am Montagabend. Dafür wollen die Aktivist:innen künftig auf Klebeaktionen verzichten. Ein Sprecher der Letzten Generation bestätigte die Einigung.
Die Gruppe bietet einen Stopp ihrer Proteste im ganzen Land oder in einzelnen Kommunen an, wenn die jeweilige Regierung auf ihre Forderungen eingeht. Dies war teils auf scharfe Kritik gestoßen. „Erpressung ist keine Ausdrucksform legitimen Protests“, hatte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, der Welt gesagt. Deshalb halte er es „für naiv und gefährlich, wenn einzelne Kommunen dieser Erpressung jetzt nachgeben. Denn die nächste Eskalation folgt bestimmt.“
„Beschlusslage der Stadt“
Spies hingegen erklärte am Montag: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, im konstruktiven Gespräch Lösungen zu finden. Unser Handeln und unsere Haltung in Marburg hat offensichtlich überzeugt.“ Die Stadt habe sich nicht erpressen lassen, sondern sei auf die Abmachung eingegangen, weil sich die Ziele der Aktivist:innen mit denen der Stadt deckten. Der Brief an Scholz bringe „zum Ausdruck, was in der Universitätsstadt Marburg Beschlusslage ist“, so Spies.
Zugleich erklärte er: „Natürlich ist das rechtswidrig, was die da machen. Da gibt's überhaupt kein Vertun. Ich finde, meine erste Pflicht ist, dafür zu sorgen, dass in meiner Stadt Recht und Gesetz umgesetzt werden kann. Genau das habe ich damit geschafft. Dass ich einen Brief geschrieben habe, der die Beschlüsse der Stadt transportiert.“
Auch die Stadt Hannover hatte sich mit der Letzten Generation verständigt. Beide Städte unterstützen die Forderung nach der Einberufung eines „Gesellschaftsrates“ aus repräsentativ und zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern. Sie sollten „die Frage beraten, wie wir in Deutschland Nullemissionen bis 2030 erreichen“.
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