Schauspieler Elyas M’Barek: Fack ju Antisemitismus
Schauspieler Elyas M’Barek wird angefeindet, weil er sich im Netz gegen Judenhass ausspricht. Was den Fall so alarmierend macht.
Solidarität ist mittlerweile ein so aufgeblasenes Wort geworden, dass es seine eigentliche Bedeutung schon lange verloren hat. Solidarität ist bequem geworden: Sie wird von vielen leichtfertig bekundet, ehrliche Anteilnahme und Unterstützung verbirgt sich dahinter selten.
Für Jüdinnen und Juden in Deutschland fehlt es oft an Solidarität. Wohl weniger deshalb, weil das Kontingent an Solidarität bereits aufgebraucht ist, sondern, weil viele Teile der Gesellschaft mit jüdischen Menschen, wenn sie mal ganz tief in sich hineinhorchen, nicht solidarisch sein wollen. Oder, noch ekelhafter, nur deshalb solidarisch sind, um Rassismus zu befeuern. Raum für ehrliche Solidarität bleibt da kaum.
Ganz aktuell zeigt sich das an dem antisemitischen Klima, das seit der Eskalation im Nahen Osten in ganz Deutschland herrscht.
Anfang der Woche schrieb der Schauspieler Elyas M’Barek („Fack ju Göthe“) zwei Worte auf Twitter, Facebook und Instagram, die in diesem Land eigentlich selbstverständlich sein sollten: „Stoppt Antisemitismus!“. M’Bareks Post entstand nach einem Wochenende, an dem zahlreiche propalästinensische und antisemitische Demonstrationen in Deutschland stattgefunden hatten.
Er veröffentlichte seinen Aufruf in einer Zeit, die der Antisemitismusbeauftragte der Stadt Berlin, Samuel Salzborn, in den „Tagesthemen“ als ein „ganz aggressives antisemitisches Klima in der Bundesrepublik“ beschrieb. Und nach einer Woche, in der die Zahl antisemitischer Beschimpfungen, Attacken und Übergriffe auf Jüdinnen und Juden, auf der Straße wie online, vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts rasant zugenommen hatten.
Verrat an den „Geschwistern“
M’Bareks selbstverständliche Worte waren, wenn man es etwas pathetisch sagen will, ein Akt der Solidarität mit Jüdinnen und Juden. In seinem Fall war diese Bekundung nicht bequem. Denn seit Tagen wird er nun dafür mit Hassnachrichten überschüttet. Knapp 18.000 Menschen haben allein auf Instagram kommentiert, der Großteil davon hasserfüllt und aggressiv.
Es sind vor allem muslimische Follower, die M’Barek Verrat an der eigenen Community vorwerfen, an den eigenen „Geschwistern“. M’Bareks Vater ist Tunesier. „Einfach nur enttäuschend, hätte von einem mit deinem Backround etwas mehr Unterstützung erwartet“, heißt es beispielsweise. Zahlreiche Follower kündigen an, M’Barek in den sozialen Medien zu entfolgen.
Auch bekannte Persönlichkeiten kritisierten den Schauspieler. Rapper und Schauspieler Massiv, bekannt durch die Serie „4Blocks“, schrieb: „Du warst dir zu schade, was Schönes für deine Geschwister zu schreiben? Damit kannst du nicht punkten bei deiner scheinheiligen ‚bayrische Filmpreis‘-Welt? Es macht mich traurig, dass du genau jetzt dich dafür entscheidest, lieber diese Karte zu spielen, anstatt an unserer Seite auf die unterdrückten Menschen hinzuweisen? Du hast recht, stoppt den Antisemitismus, aber ich betone: Stoppt auch die minimale Wasserzufuhr in den Gaza zu versalzen. Stoppt die gezielte Täuschung, uns alle als radikal darzustellen, stoppt das Töten unserer Kinder“.
Auffallend ist, dass M’Barek in vielen Kommentaren als Zionist beleidigt wird („Du bist Zionist, sehr gut integriert“, „Stoppt Zionismus“), außerdem wird ihm vorgeworfen sich instrumentalisieren zu lassen, er sei nur eine „Marionette“. In anderen Kommentaren wird Israel dämonisiert und als Unrechtsstaat dargestellt und die Befreiung der Palästinenser gefordert.
Gewertet als Provokation
Es ist schon bezeichnend: An keiner Stelle hat M’Barek mit seiner Aufforderung, Antisemitismus zu stoppen, eine Verbindung zum Nahostkonflikt hergestellt oder sich gar mit Israel solidarisiert. Und dennoch fühlen sich Tausende Menschen dadurch provoziert und aufgefordert, ihren eigenen Israelhass und Antisemitismus kundzutun. In den Augen dieser Kommentator:innen kann M’Barek deshalb auch nur ein Verräter, ein Deutscher, ja, ein Assimilierter sein. Für diese Antisemiten ist ihr Judenhass so sehr Teil ihrer Identität, dass derjenige, der sich gegen Antisemitismus positioniert, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird.
M’Barek stellte selbst noch mal klar: „In keinem Moment habe ich mit meinem letzten Post auf den Konflikt im Nahen Osten angespielt. Es ging mir ausschließlich um die Situation in Deutschland. Wo ich in den letzten Tagen offenen Antisemitismus gesehen habe.“ Ganz alleine steht M’Barek zum Glück nicht da. Rapper Moses Pelham und andere Prominente zeigten sich unterstützend. Doch sie bleiben die Minderheit.
Antisemitismus, in welcher Form er auch auftritt und von wem er auch ausgeht, ist immer ein Gewaltakt, ist Terror. Wer sich dagegen stellt, dass Jüdinnen und Juden bedroht und attackiert werden, dass sie wie derzeit mal wieder für Handlungen im Nahen Osten zur Verantwortung gezogen werden und unter dem Deckmantel der Israelkritik Antisemitismus erfahren müssen, sollte das tun können, ohne selbst zur Zielschiebe von Hass zu werden.
Ohne Kraftaufwand
Gegen Antisemitismus zu sein sollte in diesem Land keine Überwindung kosten müssen. Es sollte keine Kraft kosten, Selbstverständlichkeiten auszusprechen.
Leider tut es das. Und das ist alarmierend. Das dramatische an M’Bareks Fall ist auch: Wer sich als Nächstes öffentlich gegen Judenhass stellen will, wird es sich vielleicht nochmal anders überlegen. Aus Angst.
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