Schärferes Klimaschutzgesetz kommt: Hamburg wählt die Zukunft
Die mit dem Volksentscheid für ein schärferes Klimaschutzgesetz beschlossenen Änderungen müssen binnen eines Monats in Kraft treten. Eine große Aufgabe.

Die Hamburger haben am Sonntag ihr Klimaschutzgesetz verschärft. Die mit dem Volksentscheid beschlossenen Gesetzesänderungen müssen binnen eines Monats in Kraft treten. Dann ist der rot-grüne Senat am Zug.
Mit 53 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte das Wahlvolk für die Volksinitiative Zukunftsentscheid votiert. Sie sieht vor, das Zieldatum für Klimaneutralität um fünf Jahre vorzuziehen – von 2045 auf 2040; im Jahr 2045 soll nach geltender Gesetzeslage ganz Deutschland klimaneutral sein.
Darüber hinaus wird ein linearer Reduktionspfad für CO2 mit jährlichen Zwischenzielen festgelegt. Diese werden überprüft, bei Nichteinhaltung muss der Senat handeln. Über- oder Untererfüllungen von Zwischenzielen können über fünf Jahre verrechnet werden. Im bestehenden Gesetz ist nur ein Zwischenziel – minus 70 Prozent CO2-Ausstoß bis 2030 – festgelegt. Das novellierte Klimaschutzgesetz sieht überdies vor, den Klimaschutz verpflichtend sozialverträglich zu gestalten. Im heutigen Gesetz ist nur vom Prinzip der Sozialverträglichkeit die Rede.
Viele Argumente gegen die Verschärfung
Gegen die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes hatte zuvor neben CDU und SPD eine ganze Riege von Verbänden argumentiert – allen voran die Wohnungswirtschaft, die vor schneller steigenden und höheren Mieten warnte, während der Mieterverein zu Hamburg das als Panikmache bewertete. Industrievertreter warnten vor einer Überforderung – obwohl sich die Unternehmen via Handelskammer selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 gesetzt hatten.
„Hamburg ist ab jetzt das einzige Bundesland, dessen Menschen sich ihr Klimaschutzgesetz selbst gegeben haben“, kommentierten die Initiatoren des Zukunftsentscheids ihren Erfolg. „Weil sie sich entschieden haben, nicht länger untätig zusehen zu wollen, sondern die notwendigen Maßnahmen anzugehen.“ Jetzt werde Hamburgs Klimapolitik sozial, planbar und verantwortungsbewusst.
Für den rot-grünen Senat ergibt sich daraus jetzt die Notwendigkeit, sein Arbeitsprogramm beim Klimaschutz dichter zu takten und dafür politisches Kapital zu investieren – in der Hoffnung, dass die Unterstützer des Zukunftsentscheids nach ihrem Erfolg nicht einfach die Hände sinken lassen.
Zunächst wiesen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) allerdings darauf hin, dass es „keinen Grund für Aktionismus“ (Fegebank) gebe, denn der Reduktionspfad bis 2030 ändere sich nicht. Nur die Emissionen müssten bis dahin schneller und präziser geschätzt werden.
Für den weiteren Weg hat der Senat immerhin schon eine Art Blaupause: Während der Kampagne für den Zukunftsentscheid ließ der Senat Mitte September das Öko- und das Hamburg-Institut untersuchen, was getan werden müsste, um Hamburg schon 2040 klimaneutral zu machen. Die Gutachter erklärten das für möglich, warnten aber: „Ein Vorziehen der Zielsetzung der Netto-CO2-Neutralität auf das Jahr 2040 würde erhebliche Zusatzanstrengungen bedeuten, die, je nach Ausgestaltung, zu spürbaren Mehrbelastungen für private Haushalte, Unternehmen und den Landeshaushalt führen würden.“
Gutachten: In der Stadt sollte Tempo 30 gelten
Dem Gutachten zufolge muss das Gasnetz stillgelegt und das Fernwärmenetz schneller ausgebaut werden. In der Stadt sollte Tempo 30 gelten und die Autos sollten nur noch elektrisch fahren. Das Netz der Busse und Bahnen müsste verdichtet und verbessert werden ebenso wie das Radwegenetz. Die Industrie müsste fossile Energie durch Wasserstoff und E-Fuels ersetzen. Gebäudeheizungen müssten auf erneuerbare Energien umgestellt und der Ausbau von Wind- und Solarenergie beschleunigt werden.
Offen ist, wie teuer das wird. Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen, der vor allem Genossenschaften und kommunale Unternehmen vertritt, hatte das im taz Salon zum Zukunftsentscheid vorgerechnet: Würde das Klimaziel vorgezogen, müssten seine Unternehmen in kürzerer Zeit mehr Kredite aufnehmen und mit Eigenkapital unterlegen. Letzteres könnten einige Unternehmen nur durch Mieterhöhungen aufbringen.
Rolf Bosse, der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, betonte hingegen die Vorteile einer energetischen Sanierung: „Wer in einer modernisierten Wohnung lebt, hat keinen Schimmel und spart Heizkosten.“ Damit einhergehende Mieterhöhungen seien gesetzlich gedeckelt. Bosse warb dafür, private Vermieter zu unterstützen. Viele wüssten nicht, wie sie vorgehen sollen. „Ihnen gebührt die größte Unterstützung“, sagte Bosse.
Die klimagerechte Mobilitätswende ist bereits eines der großen Projekte der Koalition. „Wenn man uns an einer Stelle keinen Vorwurf machen kann, dann beim Verkehr“, findet Umweltsenatorin Fegebank. In der Tat hat der Senat die Bedingungen für den Fahrradverkehr deutlich verbessert und er plant den Hamburg-Takt: Bis 2030 soll jeder Hamburger von morgens bis in die Abendstunden binnen fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot erreichen können.
Andererseits hat die SPD vor der jüngsten Bürgerschaftswahl ein Parkplatzabbaumoratorium verkündet und sie setzt auf den Ausbau von U-Bahnen. Von der Einführung eines Straßenbahnsystems, das billiger und besser zugänglich wäre, will der Senat bisher nichts wissen.
Dieser Weg ist ziemlich steinig
Auch bei der Energieversorgung hat der Senat sich auf den Weg gemacht. Es zeigte sich jedoch, dass dieser Weg ziemlich steinig ist. Der Ausbau des Fernwärmenetzes braucht Zeit, seine Umstellung auf erneuerbare Energie hat sich immer wieder verzögert. Manche Projekte, wie die Idee Buschholz aus Namibia zu verbrennen, scheiterten an politischem Widerstand und auch daran, dass die Latte für Klimaneutralität höher gelegt wurde.
Dabei bieten verschärfte Klimaschutzanstrengungen auch Chancen. So möchte der Senat Hamburg zur Drehscheibe für die Wasserstoffwirtschaft machen. Ein großer Elektrolyseur soll überschüssigen Windstrom in Wasserstoff verwandeln, der von der Industrie als klimaneutraler Rohstoff verwendet werden könnte. Das Projekt schreitet voran, aber von den ursprünglichen Partnern der Stadt sind alle abgesprungen.
Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg
Immerhin ist das neue Klimaschutzgesetz nicht so starr und unflexibel, wie es Norbert Aust, der Präses der Handelskammer unterstellt. Zwar ist von Jahr zu Jahr eine gleichmäßige Verringerung des Gesamtausstoßes von CO2 vorgesehen. Sollte es aber in einem Jahr einen großen Sprung geben, etwa indem eine Flusswärmepumpe an den Start geht, kann das über Plan gedrosselte CO2 auf die nächsten Jahre angerechnet werden.
Zudem berücksichtigt das Gesetz, dass Hamburg zur Erreichung des Ziels 2040 auch von Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene abhängig bleibt – etwa, ob die Elektrifizierung von Autos entsprechend vorangetrieben wird. Lässt sich der Zielpfad nur durch Maßnahmen einhalten, für die der Senat keine Regelungskompetenz hat, ist er aus dem Schneider.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert