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SPD legt Rentenkonzept vorSchulz will vor Altersarmut schützen

Der SPD-Kanzlerkandidat plant, mit Steuergeldern ein Absinken des Rentenniveaus zu verhindern. Das Rentenalter will er nicht anheben.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Kanzlerkandidat Martin Schulz machen die Rente jetzt doch zum Wahlkampfthema Foto: dpa

BERLIN taz | Die SPD will im Bundestagswahlkampf mit einer umfassenden Rentenreform um Wählerstimmen werben. Das Konzept, das SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Sozialministerin Andrea Nahles am Mittwoch vorstellten, sieht vor, das Rentenniveau bis 2030 bei 48 Prozent zu stabilisieren.

Eine Solidarrente soll Menschen, die lange gearbeitet haben, vor Altersarmut schützen. Außerdem schließt die SPD die weitere Anhebung des Renten­alters aus, das im Moment bei 67 Jahren liegt. Schulz sagte im Berliner Willy-Brandt-Haus: „Eine verlässliche Rente ist ein Kernversprechen einer solidarischen Gesellschaft.“

Das Rentenkonzept soll auf dem SPD-Parteitag in Dortmund Ende Juni beschlossen werden. Während die CDU die Rente bisher aus dem Wahlkampf heraushalten möchte, schlägt die SPD jetzt diverse Pflöcke ein – und stützt sich dabei vor allem auf Ideen aus dem Hause Nahles. Die Sozialministerin hatte im Koalitionsausschuss im November 2016 keine Einigung mit der Union darüber erzielt, das Absinken des Rentenniveaus zu stoppen. Nun werden die Ideen zu einem wichtigen Teil von Schulz’ Wahlkampf, der um das Thema Gerechtigkeit kreist.

Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer durchschnittlichen Rente zum Durchschnittseinkommen der Beitragszahler. Die SPD möchte eine doppelte Haltelinie einziehen. Sie will ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2030 gesetzlich festlegen. Gleichzeitig soll der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch gezahlte Rentenbeitrag nicht über 22 Prozent steigen. Ohne diese Eingriffe würde das Renten­niveau laut SPD bis auf auf 44,7 Prozent im Jahr 2030 ab­sinken, neue Rentner würden das schmerzhaft im Portemonnaie spüren.

Rentenkorrekturen sind sehr teuer, da viele Menschen betroffen sind. Schulz und Nahles wollen auf Steuergeld zurückgreifen, um den demografischen Wandel abzufedern. Ab 2028 soll der Staat rund 15 Milliarden Euro in die Rentenkasse zuschießen. Dann kommen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer ins Rentenalter. Die Solidarrente würde zu diesem Zeitpunkt gut 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich kosten. Dafür gebe es allerdings Leistungsverbesserungen für 50 Millionen Versicherte, sagte Nahles. Ein Durchschnittsverdiener hätte 150 Euro mehr Rente im Vergleich zu geltendem Recht – ein gut verdienender Facharbeiter sogar 200 Euro mehr.

Alte Liebe Solidarrente

Die Solidarrente ist eine altbekannte SPD-Idee. Sie zielt auf Niedrigverdiener, die ihr Leben lang gearbeitet haben – aber in der Grundsicherung landen könnten. Wer 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt hat, hätte nach der SPD-Idee Anspruch auf einen Aufschlag. Er bekäme ein Alterseinkommen, das 10 Prozent über dem Grund­sicherungsanspruch an seinem Wohnort liegt. Die Grundsicherung setzt sich im Moment aus einem Regelsatz von 409 Euro im Monat zusammen – und den Kosten für die Unterkunft.

Ab 2028 soll der Staat rund 15 Milliarden Euro in die Rentenkasse zuschießen

Um in den Genuss der Grundsicherung zu kommen, müssen Betroffene ihr Vermögen beim Amt offenlegen – und es zunächst aufbrauchen. Bei der Solidarrente werde es eine solche Bedürftigkeitsprüfung nicht geben, hieß es am Mittwoch in der SPD. Ein Anspruchsberechtigter könnte also sein Vermögen behalten oder einen gut verdienenden Partner haben.

Schulz schloss ein höheres Renteneintrittsalter in einer künftigen Koalition aus. Die SPD werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der eine andere Zahl vorsehe als die aktuell geltenden 67 Jahre, sagte er.

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27 Kommentare

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  • Weder Martin Schulz, noch Andrea Nahles haben auch nur die geringste Ahnung von Renten und Pensionen.

    Der erste, weil er Theoretiker ist und mit 320.000 Öcken per anno immun und die zweite weil sie noch nie richtig arbeiten musste, sondern sich immer nur in Parteitagsecken herumdrückte seit ich sie kenne.

    Die größte politische Fehlentscheidung der rld-pfälzischen SPD ist Andrea Nahles.

  • Ganz guter Konzept. Es gibt aber Steigerungspotenziale.

     

    SPD hat ja bekanntlich den Mindestlohn eingeführt und viele Wähler für sich gewonnen. Warum nicht Mindestrente (für alle, ohne Ausnahmen) vorschlagen? Das würden bestimmt sehr viele Menschen willkommen heißen.

    • @Stefan Mustermann:

      Die SPD hält die Grundsicherung (SGB II) durch das Jobcenter für so eine Mindestrente ....

    • @Stefan Mustermann:

      Es gibt bereits ein mehrfachklassen Rentensystem.

      Rentner, so auch z.B. die Erwerbsunfähigsrenter, die zu früheren Zeiten i.d. Rente mussten, stehen sich viel schlechter, da es schmutzige Abschläge, erzwungen durch die SPD gab.

      Wenn diese Sozikaste Ars... i.d. Hose hätten, würden sie die schmutzige und unsoziale Abschläge rückgängig machen.

  • Warum sollte man ausgerechnet einer Partei Entscheidungen über die Rente anvertrauen, die mit der Agenda 2010 nicht nur die größten Rentenkürzungen in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht hat, sondern auch mit der Riesterrente den größten Rentenbetrug aller Zeiten auf dem Kerbholz hat?

    http://agora.free.de/sofodo/themen/agenda-2010/agenda-2010-wst

    • @Rainer B.:

      Gute Frage, nächste Frage^^

      Schultz und seine Pappenheimer sind werden es bestimmt gaaanz anders machen als der Genosse der Bosse. ;)

      Nahles zum Beispiel hat sich doch auch bereits positiv hervorgetan durch die Quasi-Abschaffung des Rechts auf Selbstorganisation in einer Gewerkschaft um sich so einen Tarif erkämpfen zu können. Bundesteilhabegesetz ist auch toll...

      • @Uranus:

        Was Frau Nahles macht, ist nur die Fortsetzung der arbeitnehmerfeindlichen Politik Gerhard Schröders mit anderen Mitteln. Das funktioniert nur deshalb immer noch, weil große Teile der heutigen Generation gar keinen Schimmer mehr davon haben, dass es damals für geleistete Arbeit auch tatsächlich Geld gab.

        • @Rainer B.:

          Die Agenda 2010 der SPD hat aus der Arbeiterklasse die Leiharbeiterklasse gemacht und trotzdem glaubt die SPD immer noch, dass sie von den Bürgern - die sie mit Gerhard Schröder einst schändlich verraten haben - gewählt werden. Zwischen 1995 und 1999 wäre die "Sozialdemokratin" Andrea Nahles, als Vorsitzende der Jusos, noch mit roter Fahne und Trillerpfeife bewaffnet, genau gegen jene unsoziale Politik auf die Straße gegangen, die sie jetzt als Bundesarbeitsministerin umsetzt. Ob der Europapolitiker (von 1994 bis 2017) Martin Schulz sich überhaupt noch in die Sorgen des kleinen Bürgers versetzen kann, das zweifle ich mal stark an.

  • Witzig, SPD stellt ein *Konzept* vor, um gesetzliche Rente (angeblich) zu stärken, kurz davor wird ein (von Nahles erarbeitetes) Betriebsrentenstärkungs*gesetz* beschlossen, der der gesetzlichen Rente weiterhin finanzielle Grundlagen entzieht.

     

    Talk the talk...

  • 3G
    35730 (Profil gelöscht)

    Und jetzt noch die Reform der Familienpolitik, Herr Schulz. Frauen wollen doch gleiches Gehaltsniveau wie Männer, dann gehört das Ressort doch Folgerichtig zum Arbeitsministerium.

    • 3G
      35730 (Profil gelöscht)
      @35730 (Profil gelöscht):

      ...und das Familienressort wird künftig von einem unter der Armutsgrenze vegetierenden, unterhaltspflichtigen Vater geleitet, der keinen Umgang mit seinen fünf Kindern bekommt.

      • 3G
        35730 (Profil gelöscht)
        @35730 (Profil gelöscht):

        Seine Ex-Frau ist übrigens Schulleiterin, Kinderärztin oder koordinierende Erzieherin. Der ideale Familienminister!

  • Was fehlt, ist ein Abschmelzen der Überversorgung bei Abgeordneten und im öffentlicheDienst.

     

    Schulzens Rente ist sicher...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Im öffentlichen Dienst wird weniger bezahlt dafür gibt es eine Garantie der hohen Pensionen, entweder man bezahlt den Leuten mehr Lohn oder behält das derzeitige System. Alte Ansprüche kann man überhaupt nicht anfassen, die Klage gewinnen die betroffenen ohne Probleme.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        "Im öffentlichen Dienst wird weniger bezahlt"

         

        Das Problem ist, dass die "Alimentation" nicht vergleichbar ist, weil niemand durchblickt.

         

        Z.B. bekommern Sie im öD Geld im Voraus. Die Besteuerung ist anders.

         

        Die Pensionslasten sind so hoch, dass wenn man sie auf die Beschäftigten im öD umlegen wollte, 50 % mehr an Besoldung bezahlt werden müssten, damit dies für die Beschäftigten neutral ist.

         

        Wenn sie für die Pensionen 50% auf die Besoldung aufschlagen und dann netto mit netto vergleichen, werden Sie sehen, dass die Vergütung im öD deutlich über der Vergütung in der freien Wirtschaft liegt.

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @A. Müllermilch:

          Das kann man dann aber trotzdem nur für Neu-Einstellungen ändern.

           

          Verstehen sie mich nicht falsch ich würde das Beamtentum am liebsten abschaffen, normale Bezahlung, normaler Angestellte, wer Mist baut fliegt raus und dann zahlen die ganz normal in die Rentenkasse ein.

           

          Aber das wird nicht kommen, Bürokraten sind eine wichtiger Wählerschicht.

          • @83379 (Profil gelöscht):

            "Das kann man dann aber trotzdem nur für Neu-Einstellungen ändern. "

             

            Da sind wir und doch völlig einig.

             

            "Aber das wird nicht kommen, Bürokraten sind eine wichtiger Wählerschicht."

             

            - und stelle die meisten Abgeordneten. Da sind wir uns auch völlig einig.

  • Es wird dennoch für viele Menschen gar nix bringen, sondern diese Leute werden dann aufbrauchen, was sie haben, oder eben wie die Trümmerfrauen in den 1970ern in Armut leben - in einem reichen Land. Wie das konkret am Ende aussehen wird, weiß eigentlich niemand, aber da immer mehr Menschen Phasen der Arbeitslosigkeit durchlaufen und es stagnierende Löhne gibt, wäre eine echte staatliche Rente - paritätisch finanziert viel wichtiger als so eine Augenwischerei. Von der Rentenarmut ausgenommen sind nur ehemalige Regierungmitglieder und Abgeordnete des Bundestages ... für die gilt praktisch gar nix, deren Rente ist sicher (Norbert Blüm, Arbeitsminister bei Kohl). Ob die anderen Menschen die Armutsrenten hinnehmen, bleibt mal abzuwarten, denn es wird eine Verarmungswelle auf ganzer Linie im Alter geben - Millionen werden betroffen sein.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...als erstes sollte die SPD mal diese 'roten Dinger' abschaffen, sieht ja ziemlich altbacken aus, wie in der Kirche.

    Kein Wunder, das DIE keiner wählt, da ist doch die Merkel noch fortschrittlicher.

  • „Schulz schloss ein höheres Renteneintrittsalter in einer künftigen Koalition aus.“

     

    Da hätte er doch auch gleich eine künftige Regierungskoalition ausschließen können. Beides hat in etwa vergleichbaren Wahrscheinlichkeitsgehalt.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Ist eh wurscht, Marktschreierniveau des billigen Jakob.

      Mit solchen "Punkten" ist leicht zu werben, bei einer Lieferzeit von sagen wir mal zwei bis drei Legislaturperioden, Wählergedächtnis längst eingepreist, @GABRIELA S.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Bei steigender Lebenserwartung ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters unvermeidlich, Politik soll sich nicht mit Fantasie beschäftigen, sondern das unumgägnliche erträglich machen.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Nur wenn die Steigerungsrate der Lebenserwartung die Wachstumsrate der Produktivität der gesamten Volkswirtschaft übersteigt.

        Nur, dass man bei uns die Finanzierungsseite in der Rentendebatte an dem Rentenbeitrag darstellt statt an dem gesamten Kuchen (BIP).

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @agerwiese:

          Die Bestererung der Gewinne aus Produktivitätzugewinnen würde zu einem erheblichen Standortnachteil führen, zum anderen würde man Produktvitätsteigerung bestrafen.

          Zum anderen wollen sich die Leute mehr leisten können von ihrer Rente.

          Als die Rente eingführt wurde erlebten die meisten Männer das Rentenalter nicht, die frauen lebten zumeist dann mit der Familie eines der Kinder von der Witwenrente = niedrige Ausgaben.

           

          Sinnvoll wäre es eine hohe Mobilität zu erzeugen, dass Leute mit 50 nach und nach in Verwaltungs und Büro-Jobs rutschen, dazu mehr Sport und Ernährungsberatung. Wer viel Sport macht, gesund lebt kann auch noch mit 80 im Büro arbeiten (nicht der Idealfall aber so ist unsere Welt).

          • @83379 (Profil gelöscht):

            Die Besteuerung von Gewinnen sind in unserem Steuersystem - zumindest theoretisch - der absolute Normalfall. Wenn immer weniger Menschen eine immer größere Produktivität erzielen, andererseits die Sozialsysteme weiterhin nur auf der Basis von Erwerbseinkünften gerechnet werden, dann kann diese Rechnung gar nicht aufgehen.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Trotzdem wird er damit punkten.

      Eigenartigerweise vergessen die Wähler/innen schnell.

  • Hartz IV ist die Hauptursache für Altersarmut.

    Also müsste M. Schulz gegen Hartz IV sein.

    Ist er aber nicht!

    ...