SPD im Europäischen Parlament: Gegen den Investorenschutz
Umstrittene Schiedsgerichte sind überflüssig, sagt der Handelsausschuss-Vorsitzende Lange. Und widerspricht damit SPD-Chef Gabriel.
BERLIN taz | Glaubt man Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), bekommt man den Eindruck, es gäbe keine andere Möglichkeit: Wenn sich kanadische Konzerne von einem EU-Mitgliedsstaat benachteiligt fühlen, müssen sie vor Privatgerichte ziehen – oder Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada, käme erst gar nicht zustande. Mit seinem Ja zum Investorenschutz, der auch die umstrittene Investor-Staat-Streitschlichtung ISDS beinhaltet, hat er seine Partei verstört.
Auch die SPD im Europäischen Parlament. Die ist anderer Meinung: „Ein Schiedsgerichtsverfahren hat im Ceta-Abkommen nichts zu suchen“, sagt Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses. Bleibt die ISDS-Klausel, könnten Firmen künftig vor Schiedsgerichte ziehen und dort Schadenersatz fordern. Lange erklärt die Klausel für überflüssig – schließlich würden inländische und ausländische Investoren in der EU und in Kanada gleich behandelt. Niemand würde enteignet oder diskriminiert. Andere Abkommen wie das zwischen den USA und Australien funktionierten auch ohne ISDS, so Lange. „Nachverhandlungen sind möglich.“
Die überarbeitete Version der umstrittenen Klausel sei zudem noch an vielen Stellen schwammig formuliert, kritisiert Lange. Deshalb macht die SPD im Parlament nun Druck: „Wir haben die Kommission gewarnt, dass wir keinem Abkommen zustimmen werden, das demokratische Rechtsprinzipien durch geheime Schiedsgerichte ersetzen könnte“, sagt Lange.
Der Unmut gegen Schiedsgerichte wächst
Damit steht die SPD nicht so alleine da, wie Gabriel behauptet: Am Mittwoch hat sich etwa die französische Nationalversammlung gegen Schiedsgerichte ausgesprochen. In Österreich haben vier Länder gegen ISDS gestimmt. Noch im September hatte Gabriel im Bundestag das österreichische Parlamentsvotum gelobt: „Tun Sie […] bitte nicht so, als gäbe es keinerlei Chance, weiter zu reden! Das tun die Österreicher, das werden andere tun, und das werden auch wir machen“, heißt es im Protokoll.
Auch vonseiten der europäischen BürgerInnen steigt der Druck. Deshalb hatte die Kommission im Sommer die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gestoppt. Die BürgerInnen sollten erst via Mail die Kritik am Abkommen begründen. Wenn die sogenannten Konsultationen dem Parlament ausgewertet vorliegen, wolle es dazu Stellung beziehen, kündigt Lange an.
Doch bevor das Parlament über das Abkommen abstimmt, muss es in die 24 Amtssprachen der EU übersetzt und dem Europäischen Rat vorgelegt werden. Der wird voraussichtlich im Herbst nächsten Jahres entscheiden. Erst danach wird sich das Parlament positionieren. Wenn die Abgeordneten zustimmen, könnte Ceta schon vorläufig in Kraft treten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin