SPD-Vize über Maaßen-Entscheidung: „Dieses Theater nutzt nur der AfD“
Hat Nahles die Lösung im Fall Maaßen noch vor Wochenfrist abgelehnt? Nein, sagt Ralf Stegner. Die Wahrheit sei bei Seehofer eine Frage der Uhrzeit.
taz: Herr Stegner, Andrea Nahles und Olaf Scholz haben die Stimmung komplett falsch eingeschätzt. Nicht nur die Parteilinke, auch der Landesvorstand NRW hat offen rebelliert. Wie konnte das passieren?
Ralf Stegner: Die SPD wollte vor allem, dass Maaßen als Verfassungsschutzchef abgelöst wird. Das war überfällig, nicht nur wegen Chemnitz, auch wegen des Versagens im Fall Amri und des Coachings für die AfD-Spitze. Dass Seehofer Maaßen dann befördert hat, hat in der SPD niemand verstanden. Auch in der Bevölkerung haben viele gesagt: Ihr habt sie doch nicht alle, nach solchen Fehlern auch noch zu befördern. Da lagen die Parteivorsitzenden falsch, aber Andrea Nahles hat diesen Fehler schnell korrigiert.
Ist Nahles als Parteichefin schwächer oder stärker als letzte Woche?
Es ist eine Stärke, Fehler zu erkennen und zu korrigieren.
Gab es das schon Mal – eine Revolte der Basis, die den Beschluss von drei Parteichefs kippt?
Ich kann mich nicht daran erinnern. Und hoffe auch nicht, dass das oft vorkommt.
Warum?
Das war ja keine gute Woche. Es war nach den flüchtlingspolitischen Eskapaden der CSU das zweite Mal in kurzer Zeit, dass diese Regierung am Rand stand. Viele sagen zu uns Sozialdemokraten ja nicht: Schlimm, dass Seehofer zündelt. Sondern: Ihr seid mit dem in einer Regierung. Was Seehofer tut, schadet allen demokratischen Parteien. Die CSU schlingert nach rechts und torpediert die Regierungsarbeit. Dieses Theater nutzt nur der AfD.
Ralf Stegner, 58, ist Vizechef der SPD. Der Bordesholmer hat angekündigt, nicht mehr als Landeschef in Schleswig-Holstein anzutreten.
Seehofer behauptet, er habe die jetzige Lösung im Fall Maaßen der SPD schon am Dienstag angeboten. Und Nahles habe abgelehnt.
Das ist völliger Unfug. Warum hätte Andrea Nahles denn den Vorschlag ablehnen sollen, dass Maaßen nur Abteilungsleiter und nicht Staatssekretär wird?
Vermuten oder wissen Sie das?
Ich weiß es. Andrea Nahles selbst hat am Dienstag diesen Vorschlag gemacht, dass Maaßen Abteilungsleiter im Ministerium wird. Seehofer und Merkel haben das abgelehnt. Die Wahrheit ist bei Seehofer eine Frage der Uhrzeit. Das ist nur der Versuch, am Ende noch mal Unfrieden zu stiften.
Wird Maaßen jetzt ein Frühstücksdirektor im Ministerium, wie Christian Lindner sagt?
Das ist mir vergleichsweise schnurz. Wichtig ist, dass er sein Unwesen nicht mehr an der Spitze des Verfassungsschutzes treiben darf. Und dass er künftig nicht mehr Geld bekommt.
Ist diese Regierung geeignet, die AfD wirksam zu bekämpfen?
Die SPD tut das mit aller Kraft. Die CSU übernimmt die Parolen der AfD und macht sie damit stark. Die AfD muss endlich vom Verfassungsschutz überwacht werden. Herr Maaßen hat dieses ja verhindert.
Der Eindruck ist: Bei dieser Regierung ist nach der Krise vor der Krise. Wird sich das künftig ändern?
Das ist schwer zu prognostizieren, weil diese Krisen oft von der Tagesform von Horst Seehofer abhängen, der sich seine geistigen Anregungen bei Victor Orban holt. Anstatt den Koalitionsvertrag umzusetzen, zettelt Seehofer Debatten an, ob der Islam zu Deutschland gehört, macht beim Asyl nationale Alleingänge und verharmlost rechte Umtriebe.
Also besser raus aus der Regierung?
Regieren ist für uns kein Selbstzweck. Aber angesichts des Handelskriegs, den uns US-Präsident Trump androht, oder des Vormarschs der Nationalisten in Europa können wir das Land nicht den Rechten überlassen. Wir machen professionelle, seriöse Arbeit in dieser Regierung. Ich glaube nicht, dass Ihre LeserInnen fürchten, dass ihre Stadt islamisiert wird. Aber sehr wohl, dass sie sich sorgen, ob sie die Miete zahlen können oder die Rente reicht. Darum müssen wir uns kümmern.
Die SPD will 2019 die Groko überprüfen. Die Skeptiker scheinen in der Partei zahlreicher zu werden. Wird die SPD in der Regierung bleiben?
Ja, wenn wir den Koalitionsvertrag umsetzen. Wir haben uns bei der Rente, den Mieterrechten, Kitas, dem sozialen Arbeitsmarkt und den Investitionen wichtige, gute Dinge vorgenommen. Wenn die Union da verschiebt, blockiert und zögert, dann wird die Mehrheit in der SPD diese Regierung nicht fortsetzen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene