AfD und Verfassungsschutz: Die Angst vor der Panik
Den Rechtspopulisten droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das löst in der Partei einen Aktionismus aus, der nicht allen gefällt.
Wenn sich der neurechte Vordenker Götz Kubitschek sorgt, die AfD könnte sich auf einen falschen Weg begeben, dann meldet er sich gern im mahnenden Duktus auf der Website seiner Zeitschrift Sezession zu Wort. Kubitschek ist kein Parteimitglied, er ist mit dem radikal rechten Flügel der Partei aber eng verbandelt.
Für ihn ist die AfD ein Instrument, um seine Ideologie in der Mitte der Gesellschaft zu verankern – auf das sie in nicht allzu ferner Zukunft Realität werde. Eigentlich fühlt er sich seinem Traum gerade näher als je zuvor. Wenn da nicht die Gefahr wäre, dass sich die AfD doch noch aufspaltet.
Nach dem „Schweigemarsch“ in Chemnitz, den die AfD dank Blockaden nicht zu Ende bringen konnte, riet Kubitschek via Sezession der Partei, von solchen Veranstaltungen künftig abzusehen. Anfang der Woche nun schrieb er unter der Überschrift „Verfassungsschutz und AfD – keine Fehler machen!“, die Partei dürfe angesichts der drohenden Beobachtung nicht in Panik verfallen und müsse Kurs halten.
Besonders den „sogenannten Liberalen in der Partei“ (Kubitschek) versuchte er einzubleuen: „Der Gegner befindet sich außerhalb der Partei. Außerhalb! AUSSERHALB!!“ Auch, wenn Parteichef Alexander Gauland gerne betont, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz würde der AfD nicht schaden: In der Partei haben die Entwicklungen der vergangenen Wochen Unruhe ausgelöst.
Erst Niedersachsen und Bremen, dann Thüringen
Erst entschieden Niedersachsen und Bremen, die Landesverbände der Jungen Alternative, der Nachwuchsorganisation der Partei, künftig zu beobachten. Dann verkündete der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, dass seine Behörde prüfe, ob der dortige AfD-Landesverband mit nachrichtendienstlichen Mitteln auszuspähen sei.
Inzwischen schließt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius eine Beobachtung des niedersächsischen Landesverbands nicht mehr aus. Und jetzt ist auch noch der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, weg, der innerhalb der AfD als Garant dafür galt, dass die Partei schon nicht vom Verfassungsschutz beobachtet würde.
Die Partei reagierte schnell. Der Bundesvorstand setzte unter Leitung von Roland Hartwig eine fünfköpfige Kommission sein, die eine Beoachtung durch den Verfassungsschutz verhindern soll. Hartwig war früher Chef-Justitiar bei Bayer, heute ist er Fraktionsvize der AfD im Bundestag – und für Kubitschek wohl das, was dieser einen „sogenannten Liberalen in der Partei“ nennt.
Unter Hartwigs Führung sollen unter anderem interne Ermittler gegen extremistische Entwicklungen in der Partei vorgehen. In Hartwigs Vorstellung düfte das auch heißen, dass manche am rechten Rand der Partei diese wohl besser verlassen sollen. Die Kommission, zu der auch Parteichef Jörg Meuthen gehört, habe sich bereits einmal getroffen,sagte Hartwig der taz. Jetzt würden Strategien erarbeitet. Details wollte er nicht nennen.
Identitäre Bewegung wird als rechtsextrem eingestuft
Der JA-Chef Damian Lohr hat bereits verkündet, die Landesverbände in Niedersachsen und Bremen auflösen zu wollen. Im Fall von Niedersachen sagte der AfD-Bundesvorstand Unterstützung zu, die Situation der JA-Bremen soll noch näher geprüft werden. Ein Bundeskongress der JA soll zeitnah – vermutlich im Lauf der kommenden zwei Monate – über die Auflösungen entscheiden.
Hans-Thomas Tillschneider, Vorsitzender der Patriotischen Plattform, einer kleinen, radikal rechten Gruppierung innerhalb der AfD, hat seinen Mitgliedern gerade die Selbstauflösung empfohlen. Zudem kündigte Tillschneider, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, an, aus dem Kontrakultur-Haus der Identitären Bewegung (IB) in Halle auszuziehen. Tillschneider, der aus seiner Nähe zur den Identitären nie einen Hehl gemacht hat, hat bislang dort ein Büro. Die Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Tillschneiders Begründung macht klar, dass so manche der parteiinternen Aktionen derzeit rein strategisch sind. „Wir reagieren darauf am besten, indem wir keine Anlässe zur Beobachtung bieten“, heißt es in der Erklärung, die er unter dem Titel „Die Kernfrage“ auf Facebook veröffentlicht hat. Darin lässt er keinen Zweifel daran, dass sich an seiner Position inhaltlich nichts verändert hat.
Die Patriotische Plattform sei heute schlicht überflüssig: „Wozu dient sie noch, wenn wir alles, was wir in und mit der Patriotischen Plattform tun, auch in und mit der AfD können?“ schreibt Tillschneider. Früher – soll heißen: unter den ehemaligen Parteichefs Bernd Lucke und Frauke Petry – sei das anders gewesen. Auch halte man, so Tillschneider weiter, „trotz struktureller Entflechtung“ an allem fest, wofür AfD und IB stünden – was ohnehin das gleiche sei.
AfD und Identitäre Bewegung
Die Kernfrage ist für Tillschneider „das Festhalten am deutschen Volk“ und der „Ethnopluralismus“ – eine aus seiner Sicht „in höchstem Maße vernünfige, wirklichkeitsbezogene Ansicht“. Dieses neurechte Konzept beinhaltet kurz gesagt, dass man Kulturen – von Rassen spricht der Neurechte ja nicht mehr so gern – besser nicht mischt, weil diese sonst geschwächt würden.
Wie nervös manche in der AfD sind, zeigt auch, dass sich nach Tillschneiders Veröffentlichung umgehend die nordrhein-westfälische AfD zu Wort meldete. AfD und IB seien „grundlegend wesensverschieden“, heißt es in ihrer Erklärung. Auch sei die Patriotische Plattform in der AfD niemals mehrheitsfähig gewesen. „Unser Ziel ist die Gestaltung unseres Landes wieder hin zu einer bürgerlich-liberal-konservativen Gesellschaft.“ Ob das in der AfD noch mehrheitsfähig ist, erläuern sie nicht.
Neben solchen Äußerungen dürfte Kubitschek auch ein Interview in der Jungen Freiheit, mit der er ohnehin über Kreuz liegt, zu seiner Intervention gebracht haben. Dort wird Rolf Schlierer, langjähriger Vorsitzender der Republikaner, zu den Konsequenzen befragt, die die Beobachtung durch den Verfassungsschutz für seine Partei gehabt habe. Fatale, führt Schlierer aus und rät, von manchen Mitgliedern am rechte Rand müsse sich Partei eben trennen.
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