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SPD-Parteigericht bestätigt AusschlussSarrazin muss gehen

Berlins einstiger Finanzsenator wird aus der Partei geworfen. Sarrazin hatte seine Partei jahrelang mit islamfeindlichen Thesen verärgert.

Letzter Tag als Sozialdemokrat: Sarrazin am Freitag im Willy-Brandt-Haus in Berlin Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Berlin dpa/taz | Erfolg für die SPD-Spitze: Der umstrittene Ex-Politiker und Buchautor Thilo Sarrazin ist nicht mehr Mitglied der Sozialdemokraten. Das oberste Parteischiedsgericht der SPD hat den Parteiausschluss bestätigt. Der sei damit wirksam, teilte die Bundesschiedskommission am Freitag in Berlin mit.

Damit geht ein zehn Jahre währender quälender Prozess zuende. Allerdings nur parteiintern. Der ehemalige Berliner Finanzsenator hatte schon mehrfach angekündigt, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen für sein Parteibuch.

Der Vorwurf gegen Sarrazin lautete, er schade der Partei mit rassistischen und islamfeindlichen Thesen, die mit den SPD-Werten unvereinbar seien.

Auslöser des aktuellen Verfahrens war Sarrazins 2018 erschienenes Buch „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Er selbst findet, er habe „wissenschaftliche Sachbücher geschrieben“. Für SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dagegen enthält das Buch „rassistische Thesen“. So sahen es auch die Schiedsgerichte auf Kreis- und Landesebene, die einen Parteiausschluss jeweils als gerechtfertigt ansahen.

Ärger hat die SPD mit Sarrazin aber nicht erst seit 2018, sondern seit mehr als einem Jahrzehnt. Erstmals offiziell rauswerfen wollte der Berliner Landesverband ihn 2009 nach einem Interview. Doch die Landesschiedskommission sah damals keinen Verstoß gegen die Parteiordnung. Damals hatte Sarrazin, der seit 1973 in der SPD ist, etwa von der „Produktion von Kopftuchmädchen“ gesprochen.

Ein weiteres Parteiordnungsverfahren folgte 2011, nachdem das Buch „Deutschland schafft sich ab“ erschienen war. Es endete in einer gütlichen Einigung zwischen Parteispitze und Autor. Die Provokationen Sarrazins gegenüber seinen Genossen endeten damit freilich nicht. Er bewegte sich in rechten Kreisen, 2018 trat er neben AfD-Chef Jörg Meuthen auf und sprach auf Einladung der AfD auch im Bundestag.

Beim dritten Verfahren nun wollte die SPD-Spitze möglichst wasserdicht vorgehen und ließ erst mal eine Kommission das jüngste Sarrazin-Buch untersuchen – und drang dann auf den Parteiausschluss. Die Begründung: Die Thesen seien rassistisch, islamfeindlich, diskriminierend und schädigten Ansehen und Glaubwürdigkeit der SPD. Dem stimmte erst die Kreisschiedskommission zu, dann auch das Schiedsgericht auf Landesebene.

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22 Kommentare

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  • Bei diesen Kommentaren und bei den hier wieder sichtbaren Auswahlkriterien der taz.... eine gut gemeinte Hilfestellungen. TARGETING: ist nicht Neues... Rechte und Linke lesen ihre eigene Zeitungen und werden von diesen in ihren Vorurteilen bestätigt. Damit muss man, als toleranter Leser, leben. Sehr oft gibt es nicht nur DIE richtige Meinung, aber eine jämmerlich Ignoranz dies anzuerkennen . Sic!

  • Und wieder Schlagzeilen und Aufmerksamkeit für Herrn Sarrazin. Da freut sich doch der Buchverkäufer in ihm, und, klar, die Sache wird schön in die Länge gezogen mit dem Gang vor ein ordentliches Gericht. Und immer wieder Schlagzeilen...Die SPD ist diesem Selbstdarsteller voll auf den Leim gegangen. Sie hätte gar nichts machen sollen und ihn als einfaches Parteimitglied totschweigen sollen.

  • Die Frage für die SPD ist hier ja, kassiert ein Gericht den Entscheid nicht wieder.

    § 10 IV ParteiG.



    „Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es



    vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der



    Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“

    Es gibt hier verschiedene rechtliche Bretter.

    Art. 5 I GG/ Meinungsfreiheit dürfte da das dickste Brett sein.

    Hier ist die Spd schon dieses Jahr mit einem Auschluss auf die Fresse gefallen.



    2 BvR 121/14

    www.bundesverfassu...27_2bvr012114.html

    • @Sven Günther:

      "und ihr damit schweren Schaden zufügt"

      Da fallen mir ne Menge in der SPD ein... all jene die schon bei Schröder dabei waren und bis heute nicht über die Lippen bekommen die Agenda 2010 (©Bertelsmannstiftung) war ein Fehler. Prominent ist da gerade ein gewisser Möchtegern Kanzlerkandidat.

  • Thilo Sarrazin war für die SPD untragbar. Umgang mit Problemen und Konflikten der Migration wurde und wird von anderen Persönlichkeiten besser bearbeitet und diese haben auch bessere Absichten.

  • Mich interessiert Thilo Sarrazin nicht.

    Interessant finde ich jedoch, dass im 21. Jahrhundert eine nicht islamische Organisation wie die SPD ein Mitglied rauswirft, das den Islam kritisiert. Auch wenn diese Kritik als Islamfeindlich ausgelegt wird. Aber immerhin hat das Parteiengericht offensichtlich erkennen können, wann Kritik zur Feindlichkeit wird und in welchem Maße eine ziemlich miese Meinung über den Islam duldbar ist oder nicht.



    Hätte nicht der Rassismusvorwurf für einen Rauswurf greicht?

    • @Rolf B.:

      "... eine nicht islamische Organisation wie die SPD ein Mitglied rauswirft, das den Islam kritisiert"

      Das ist ja nicht der Punkt. Der "kritisiert" nicht [1], der hetzt und polemisiert.

      Man könnte argumentieren, dass der auch "kritisiert", aber mir scheint, dass sein kruder Eintopf nicht diese Bezeichnung verdient.

    • @Rolf B.:

      Was ich nicht verstehe ist: Will der Typ allein aus marketing- technischen Gründen in der SPD bleiben, oder glaubt er tatsächlich, er wäre ein Sozialdemokrat.

      Klar, die Sozialdemokratie ist ein weites Feld, in dem man schon die eine oder andere Sumpfblüte findet, aber so einen anti-emanzipatorischen und rassistischen, pingeligen Spießer noch einmal zu finden, das dürfte schon schwer sein.

      OK, das mit dem weiten Feld stimmt auch nicht mehr so ganz, dazu ist die Partei zu übersichtlich geworden.

      Trotzdem: Gibt es noch so einen?

      • @Jim Hawkins:

        Es gibt die Neoliberalen, die mit Einführung von und teils immer noch Festhalten an HartzIV in Richtung Sozialdarwinismus gehen. Dann macht die aktuelle Regierung bei rassistischer Asylpolitik mit - z.B. die "Ankerzentren".

        • @Uranus:

          "... in Richtung Sozialdarwinismus gehen."

          Das ist doch sowas von unqualifiziert. DE hat mit einer der höchsten Sozialquoten weltweit. Nicht das Vorhandensein von H4 ist Sozialdarwinismus sondern deren Fehlen in vielen Ländern.

      • @Jim Hawkins:

        Ich denke, wir wären uns einig in der Feststellung, dass es in der SPD einige exponierte und weniger exponierte Leute gibt, die keine Sozialdemokraten im klassischen Sinne sind. Und ich befürchte, dass es nicht wenige Parteimitglieder gibt, die in einigen Punkten Thilo Sarrazin recht geben würden.



        Thilo Sarrazin ist eben populär. Wer hat denn seine Bücher gekauft?

        • @Rolf B.:

          Das es Fremdenfeindlichkeit und co. in Parteien gibt ist eine Binse. Da sind vor allem die Extreme interessant. Die AfD bei weitem im Negativen und die Grünen im Positiven. www.fes.de/index.p...4741ba3fde5f381a9a

        • @Rolf B.:

          Ähnlich denke ich auch. Es sind im Verhältnis zu "Mitte-Rechten" weniger linke Leute in der Partei bzw. diejenigen die sich durchsetzen und so agiert und positioniert sich die Partei dann auch.

          • @Uranus:

            Sie meinen in Thüringen Berlin oder Bremen macht die SPD zusammen mit der Linkspartei eine rechte Politik? Oder ist "links" nu so ein Regelschieber je nach eigenem Standpunkt? Das bei Anarchisten nur ganz wenig "links" übrig bleibtist ja nicht verwunderlich.

        • @Rolf B.:

          Nachsatz:



          Ich stelle mir gerade vor, dass man als SPD Mitglied ein Bekenntnis abgeben muss, den Islam zu achten und nicht zu kritisieren.



          Wieviel Mitglieder hätte die Partei dann noch:

          • @Rolf B.:

            "den Islam zu achten und nicht zu kritisieren."

            Abgesehen davon, dass ich ohnehin niemals in die SPD eintreten würde, genauso wenig wie in jede andere Partei, wäre diese Vorgabe ein Grund, es ganz bestimmt nicht zu tun.

            Es ist ein Unterschied, den Islam in all seinen Ausprägungen zu kritisieren oder ihn, meistens rassistisch konnotiert, verächtlich zu machen.

            Dass man dabei Vorsicht walten lassen sollte, sagt uns dieses arabische Sprichwort:

            " Die Verletzung des Schwertes kann heilen, aber die des Wortes nicht."

          • @Rolf B.:

            Was soll der Stuss mit der vorgeschützten Islamkritik, die Type ist einfach kein Sozialdemokrat. Ein Stalinist hat nichts in der FDP verloren, ein antiklerikaler Anarchist nichts in der CDU und ein sozialdarwinistischer rassistischer Asozialer nichts bei der SPD.



            Ich trete ja auch nicht einem Hundehalterverein bei und klage dann, wenn die mich rauswerfen - nach einem Hundegrillbuch, Katzen-Statt-Köter Propaganda und Dauerpromoten von Dalmatinerwelpenmänteln.

  • Inhaltlich muss man schon lange nicht mehr darüber diskutieren, ob Sarrazin in die SPD gehört. Wissenschaftlich sind seine Bücher natürlich auch nicht. Es sind einfach nur von Rassismus und Chauvinismus geprägte politische Streitschriften deren millionenfacher Verkauf Sarrazin reich gemacht haben. Interessant ist aber schon wie ein solcher Mensch ernsthaft glauben kann, er könne noch zur SPD gehören. Mutmaßlich geht Sarrazin wohl davon aus, dass sein Rassismus moderat sei, realistisch, empirisch belegt, vernünftig und so weiter und es sei damit eben kein Rassismus mehr, geschweige denn bösartig oder böswillig. Vermutlich glaubt ein Sarrazin, eine solche Haltung sei völlig normal, sei nicht nur latente Mehrheitsmeinung, sondern könne auch nichts anderes sein. Dann wäre natürlich jede Partei gehalten, solche Positionen zu vertreten, auch die SPD. Dann wäre ja auch nie die AFD so stark geworden. Das alles ist natürlich wahnhaft, wahrscheinlich glaubt ein Sarrazin so etwas aber wirklich. Wahrscheinlich glaubt aber auch ein Gauland, dass die AFD nie erfolgreich geworden wäre, wenn die etablierten Parteien früher auf Leute wie Sarrazin gehört hätten und wahrscheinlich haben diese beiden und viele andere immer noch nicht begriffen, warum das nicht oder nur bis zu einer bestimmten Grenze geschehen ist.

  • Alles wsird gut. Jetzt steht dem unaufhaltsamen Erfolg der SPD nichts und niemand mehr im Wege. Saskia Esken wird Bundeskanzlerin.

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    Da hätte man zur Feier des Tages die Statue im Hintergrund umdrehen sollen, wo der Willy schon so schön den Weg weist!

    • @164 (Profil gelöscht):

      aber weist doch in die Gegernrichtung. Und zwar den Weg, den die Partei geht.

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @Friderike Graebert:

        Ich glaub der Willy weist immer VORWÄRTS. In dem Fall (auf dem Foto) wäre doch "vorwärts da ist die Tür" präziser gewesen ;-)