SPD-Parteichef verabschiedet sich: Ein Abgang mit Stil
Norbert Walter-Borjans wird der SPD als Finanzexperte fehlen. Dennoch ist sein Abtreten als Parteichef ein souveränes Signal.
N orbert Walter-Borjans wäre als Parteichef nach dem SPD-Wahlsieg wiedergewählt worden. Er verzichtet nun darauf, Chef einer Regierungspartei zu sein. Dieser Abgang hat Stil. Mag sein, dass die störungsfreie Nominierung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten keine politische Heldentat war. Aber auch im richtigen Moment beiseitezutreten ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Walter-Borjans hat zu jener inneren Stabilität der SPD beigetragen, ohne die Scholz die Wahl nicht gewonnen hätte. Walter-Borjans hält es da wie sein Vorbild Johannes Rau: versöhnen statt spalten.
Die SPD reagiert auf diesen Abgang tiefenentspannt. Man wartet jetzt erst mal ab, bis die Ampelregierung steht. Das ist nicht selbstverständlich und auch Walter-Borjans Verdienst. Ein Malus dieses Rücktritts ist: Es wird in der Ampel Zoff um die Finanzen geben. Da wird er als Finanzexperte fehlen.
Sein Abgang hatte sich mit dem Verzicht auf ein Bundestagsmandat abgezeichnet. Walter-Borjans wäre als SPD-Chef, ohne Teil der Fraktion zu sein, ein König ohne Land gewesen. Denn die Machthierarchie ist klar: Olaf Scholz wird im Kanzleramt das Sagen haben, die MinisterInnen sind Nummer zwei, die Fraktion ist Nummer drei. Dann kommt die Partei.
So war es fast immer, wenn die SPD regiert hat. Die letzten zwei Jahre haben indes gezeigt, dass die Partei mehr sein sollte. Die Macht oben zu konzentrieren und der Partei nur die Rolle des Abnickers oder Störenfrieds zuzumessen mag praktisch sein, ist aber falsch. Das Modell Andrea Nahles – Fraktions- und Parteivorsitz zu vereinen – hat nicht funktioniert. Die SPD braucht mehr eigenes Gewicht, als sie zu Schröders Zeiten hatte. Sie muss ein wirksames Korrektiv sein.
Derzeit herrscht in der SPD eitel Sonnenschein. So bleibt es nicht; Scholz' Machtwillen sollte man nie unterschätzen. Damit die Partei nicht zum Anhängsel des Kanzleramtes wird, muss das neue Führungsduo wieder unabhängig von der Regierung sein. Man wird sehen, ob die SPD diese Lektion gelernt hat – oder ob der Wahlsieg vergesslich macht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links