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SPD-Parteichef verabschiedet sichEin Abgang mit Stil

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Norbert Walter-Borjans wird der SPD als Finanzexperte fehlen. Dennoch ist sein Abtreten als Parteichef ein souveränes Signal.

Souveräner Abgang: Norbert Walter-Borjans macht Platz an der SPD-Parteispitze Foto: dpa

N orbert Walter-Borjans wäre als Parteichef nach dem SPD-Wahlsieg wiedergewählt worden. Er verzichtet nun darauf, Chef einer Regierungspartei zu sein. Dieser Abgang hat Stil. Mag sein, dass die störungsfreie Nominierung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten keine politische Heldentat war. Aber auch im richtigen Moment beiseitezutreten ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Walter-Borjans hat zu jener inneren Stabilität der SPD beigetragen, ohne die Scholz die Wahl nicht gewonnen hätte. Walter-Borjans hält es da wie sein Vorbild Johannes Rau: versöhnen statt spalten.

Die SPD reagiert auf diesen Abgang tiefenentspannt. Man wartet jetzt erst mal ab, bis die Ampelregierung steht. Das ist nicht selbstverständlich und auch Walter-Borjans Verdienst. Ein Malus dieses Rücktritts ist: Es wird in der Ampel Zoff um die Finanzen geben. Da wird er als Finanzexperte fehlen.

Sein Abgang hatte sich mit dem Verzicht auf ein Bundestagsmandat abgezeichnet. Walter-Borjans wäre als SPD-Chef, ohne Teil der Fraktion zu sein, ein König ohne Land gewesen. Denn die Machthierarchie ist klar: Olaf Scholz wird im Kanzleramt das Sagen haben, die MinisterInnen sind Nummer zwei, die Fraktion ist Nummer drei. Dann kommt die Partei.

So war es fast immer, wenn die SPD regiert hat. Die letzten zwei Jahre haben indes gezeigt, dass die Partei mehr sein sollte. Die Macht oben zu konzentrieren und der Partei nur die Rolle des Abnickers oder Störenfrieds zuzumessen mag praktisch sein, ist aber falsch. Das Modell Andrea Nahles – Fraktions- und Parteivorsitz zu vereinen – hat nicht funktioniert. Die SPD braucht mehr eigenes Gewicht, als sie zu Schröders Zeiten hatte. Sie muss ein wirksames Korrektiv sein.

Derzeit herrscht in der SPD eitel Sonnenschein. So bleibt es nicht; Scholz' Machtwillen sollte man nie unterschätzen. Damit die Partei nicht zum Anhängsel des Kanzleramtes wird, muss das neue Führungsduo wieder unabhängig von der Regierung sein. Man wird sehen, ob die SPD diese Lektion gelernt hat – oder ob der Wahlsieg vergesslich macht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • Nowabo ist ein Musterbeispiel für das Peter-Prinzip.

    • @Adam Weishaupt:

      Inwiefern? Er wurde schliesslich net abgewählt sondern ist zurückgetreten, freiwillig

      • @Karim Abidi:

        Insofern, als er ein guter Landesfinanzminister war, aber ein schwacher, unsichtbarer SPD-Bundesvorsitzender.

  • 3G
    34936 (Profil gelöscht)

    Meine letzte Wahl der SPD liegt 23 Jahre zurück.



    NoWaBo war aber einer, der sich als wählbar herausstellte.



    Schade.

  • Wir verdanken ihm die Steuer CDs. Und er hat Schaeubles scheinbar salomonischer Scheinloesung widersprochen. Vielen Dank.

  • Eigentlich ist es ganz gut gelaufen. Der Untergang der SPD, der ja fast schon greifbar war, hätte Deutschland destabilisiert. Interessant in dem Zusammenhang finde ich, dass die politischen Lager gleich stark geblieben sind. CDU+FDP+AFD kommen auf 45.9%, SPD+Grüne+Linke auf 45.4%. Eine rechtsbürgerliche Regierung scheitert logischerweise am Radikalismus der AFD. Scholz hat dabei gezeigt, dass er als einziger Spitzenpolitiker Stehvermögen hat, (abgesehen von Merkel natürlich). Laschet,Söder, Merz, Baerbock konnten da nie mithalten. Schon allein das qualifiziert Scholz für den Job. Dass die SPD jetzt nach "Hamburger Modell" etwas nach Rechts driften wird, ist natürlich bedauerlich, aber immer noch besser als eine CDU Regierung.