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SPD-Mann Lars KlingbeilKalte Chuzpe

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Nach der Wahl-Niederlage der SPD will Lars Klingbeil das Ruder in die Hand nehmen. Mit ihm und Pistorius nimmt die Stärke der rechten Parteikräfte zu.

Bleibt einfach sitzen, so als wäre nichts passiert: Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus Foto: Kay Nietfeld/dpa

E s gehört zu den politischen Ritualen, dass auf Niederlagen Rücktritte zu folgen haben. Selten hat sich eine Partei nach einer verlorenen Wahl so geräuscharm und geschmeidig aus der Affäre gezogen wie die SPD-Führung nach dem 23. Februar. Die Parteispitze, Lars Klingbeil und Saskia Esken, bleibt einfach sitzen, so als wäre nichts passiert. Dabei hatte sie bei der Kandidatenkür die Debatte laufen lassen und, ohne die Alternative Boris Pistorius zu wollen, bei der Demontage von Olaf Scholz zugeschaut.

Dieser Mangel an Führungsstärke führt nun erstaunlicherweise zu einem Karrieresprung für Klingbeil, der zum Doppelchef von Partei und Fraktion befördert wird. Der Generationswechsel in der SPD, den Klingbeil einfordert, meint wohl vor allem sich selbst. Die kalte Chuzpe dieses Manövers erinnert an Frank-Walter Steinmeier 2009, der sich, nachdem er die Wahl spektakulär verloren hatte, einfach zum neuen Fraktionschef ausrief. Die SPD-Linke schaute damals staunend und überrumpelt zu.

Die SPD-Rechten waren schon immer besser in internen Machtspielen. Klingbeil ist zudem ein guter Netzwerker. Die neue Machtarchitektur der SPD ist somit absehbar: Klingbeil und Pistorius bilden das Entscheidungszentrum, Esken darf, irgendwie links und ohne Einfluss, bleiben, solange sie nicht stört. Die Post-Ampel-Sozialdemokratie ähnelt damit einer niedersächsischen Regionalpartei. So viel Osnabrück und Soltau war nie. Und Generalsekretär Mathias Miersch kommt aus Hannover.

In Strömungsbegriffen gedacht, kippt die Bundes-SPD deutlich nach rechts. Klingbeil ist Sohn eines Soldaten, Pistorius als Verteidigungsminister ein Freund von Aufrüstung und klarer Ansprache. Dafür muss Rolf Mützenich – der kluge, umsichtige, gedämpft linke und militärskeptische Fraktionschef – gehen. Die SPD macht sich damit hübsch für die anstehende Koalition mit der Union. Aus den hinteren Reihen und von Jusos hört man noch vereinzelte Rufe, sich nicht zu schnell und zu billig mit der Union zu einigen. Sie werden verhallen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • Für Friedrich Merz ist Lars Klingbeil nicht rechts genug. Klingbeil setzt jetzt alles auf eine Karte, er will nach oben, obwohl die SPD von Union zerlegt wurde. Mit dieser Partei will Klingbeil eine Vernunftehe eingehen und parallel selber aufsteigen. Das klingt nicht wirklich überzeugend.

  • Liggers.



    & Däh



    “Dafür muss Rolf Mützenich – der kluge, umsichtige, gedämpft linke und militärskeptische Fraktionschef – gehen. Die SPD macht sich damit hübsch für die anstehende Koalition mit der Union.“

    kurz - Die gute alte Tante SPD - “…hier können Familien ☕️ ☕️ kochen!“(Tucho)



    Stößt wie einst zB bei Willy “Mehr Demokratie wagen!“ to le feldwebel (Harry Rowohlt)“hamse gedient?“ in das steinalte Ebert/Noske-Horn 📯 “Wer hat uns verraten? - SPezialDemokraten“ •

    kurz - uns bleibt mit ollen Busch -



    “Böse Knaben -



    Einszweidrei, im Sauseschritt



    Läuft die Zeit; wir laufen mit. –



    Einer, der gar nicht gefeil,



    Das ist Dietchen Klingebiel!



    Einszweidrei, im Sauseschritt



    Läuft die Zeit; wir laufen mit. –



    Da ist Klingebeil; was ist er?



    Sonntags Kanter, alltags Küster.



    Turn sich ab - ala long - kein Scheiß!



    Einen ona im Seeheimer Kreis!



    Dabei wollmer nich überseh



    “AfD - Alice Weidel - Nazi“ - is scho scheh!



    Doch sollte - wenn die Zeichen nicht trügen



    Ein Kriegsertüchtiger inne SPD - scho genügen!



    Sieg in Wahlkreis Rotenburg I - Heidekreis!



    Faß ich mit Breitbeinman - z‘samme nu!



    Ich weiß: Wärn beide in Bayern - inne CSU •



    &



    Euch paarn - die ihr mal anders ward?



    Was soll man euch nur raten

  • Der Gedanke, die SPD mutiere zu einer Regionalpartei und zwar zu einer niedersächsischen, ist so falsch nicht. Der Westen der Republik ist fast komplett schwarz eingefärbt, der Osten noch krasser braun (mit einigen wenigen, auf der Karte kaum sichtbaren roten Einsprengseln).



    Nur Niedersachsen ist flächenmäßig noch etwa zur Hälfte rot eingefärbt, dazu noch einige wenige zusätzliche „Inseln“, etwa in NRW und RLP. Aber auch dort überwiegt inzwischen Schwarz.

  • Herr Klingbeil passt halt irgendwie gut in die neue Koalition. Für Frau Esken muss dagegen noch irgendein Amt gesucht und gefunden werden.

  • Dass Pistorius und Klingbeil es der Union (zu) einfach machen werden, glaube ich nicht.

    • @Frauke Z:

      Ja wie? zu einfach?

      Der Glaube ist bekanntlich für die Kirche reserviert! Woll



      Wie genau kommse “nicht einfach“ denn auf dess schmale Brett?! - 🫤😮😲 -