SPD-Frau Simone Lange über „Aufstehen“: „Intolerant? Da ist die Tür!“

Flensburgs OB und „Aufstehen“-Mitgründerin Lange sieht sowohl ihre Partei als auch die Demokratie in Gefahr. Sie wünscht sich eine europäisch denkende Bewegung.

Simone Lange

Ex-AfDler sollen zurückkommen dürfen: Flensburger Bürgermeisterin Simone Lange (SPD) Foto: dpa

taz: Frau Lange, Ihr SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner sagt zu Ihrem Engagement bei „Aufstehen“: „Das nutzt der SPD nicht.“ Wie sehen Sie das?

Simone Lange: Das muss man abwarten. Ich hoffe, dass es der SPD nutzt. Ich unterstütze „Aufstehen“, weil ich sowohl die SPD als auch die Demokratie in Gefahr sehe. Die Umfragewerte für die SPD werden immer schlechter, die Demokratie beginnt in Deutschland zu wackeln. Eine antidemokratische Partei ist Oppositionsführerin im deutschen Bundestag. Das muss uns Demokraten enger zusammenrücken lassen.

Warum machen so wenige Sozialdemokraten bei „Aufstehen“ mit?

Man muss dem etwas Zeit geben. Die Bewegung ist ja noch im Entstehen. Wenn man Ralf Stegner in zwei bis drei Monaten noch einmal fragt, ist seine Haltung zu „Aufstehen“ vielleicht eine andere.

Wir sind seit 125 Jahren eine Sammlungsbewegung, wir brauchen keine neue, sagt die SPD auch.

Ich finde diese Formulierung schwierig. In so einer Äußerung steckt zu viel Angst, dass uns die Grünen überholen oder die Linken stark werden. Man muss aber mit Selbstbewusstsein anpacken und fragen: Wo kann ich mitmachen und Menschen dafür gewinnen?

wurde im Juni 2016 mit Stimmen von Grünen und CDU zur Flensburger Oberbürgermeisterin gewählt. Sie ist seit 2003 Mitglied der SPD.

Wie beurteilen Sie den Erneuerungsprozess der SPD bislang?

Mir persönlich geht es nicht schnell genug, die inhaltliche Erneuerung ist mir noch zu wenig. Es hilft nicht zu sagen: Die Menschen müssen sich auf ihre Rente wieder freuen können. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Und wir müssen den Menschen sagen, mit wem wir das erreichen können – sie glauben uns nämlich nicht, dass wir das mit der CDU erreichen.

Sahra Wagenknecht ist für ihre migrationskritischen Positionen bekannt. Sie haben dagegen die Seebrücke-Demonstrationen unterstützt. Im „Aufstehen“-Aufruf ist das Migrationsthema kompromisshaft abgehandelt. Reicht das?

Unser Gründungspapier ist auf Konsens aufgebaut. Und es geht ja nicht nur um einen Konsens zwischen Sahra Wagenknecht und mir – wir müssen dieses Thema vor Ort und über unsere Plattform weiterdiskutieren.

Ludger Volmer sagt, man muss beim Thema Flucht und Migration zwei Extrempositionen ausschließen. Die eine ist: „Ausländer raus!“, die andere: „offene Grenzen“.

Ich halte „offene Grenzen“ nicht für eine Extremposition. Wir hatten sie ja in Europa. Angela Merkel hat nicht die Grenzen geöffnet, sie waren offen. Ich wünsche mir, dass wir europäisch denken und nicht nur national. Wir müssen in Zukunft auch das Sozialstaatsprinzip europaweit regeln – das ist bisher versäumt worden.

Wie soll die Bewegung aussehen – bildet sich eine Gruppe Flensburg?

Möglicherweise. Wer vor Ort etwas machen will, etwa Flyer verteilen oder eine Veranstaltung machen, kann das tun. Wir leiten das ein bisschen an und bieten eine Rückbindung an unser Organizing-Team.

Wie verhindern Sie, dass Ex-AfDler „Aufstehen“-Gruppen kapern?

Wenn wir Menschen zurückgewinnen wollen, die mal in der AfD mitgemacht haben, müssen wir auch zulassen, dass sie zurückkommen. Natürlich dürfen wir nicht zulassen, dass wir von noch aktiven AfDlern unterwandert werden.

Wie geht das?

Mich schreiben viele Menschen an, die eindeutig intolerant und voller Hass sind. Zu denen müssen wir eine klare Haltung haben: Auf Wiedersehen, da ist die Tür. Dann gibt es die, bei denen ich merke, da ist jemand auf der Suche – der bereut, dass er beim letzten Mal AfD gewählt hat. Dieses Umdenken müssen wir befördern. Sicherlich gibt es dabei viele Grauzonen. Aber wenn wir Pegida in Chemnitz oder Dresden kleiner machen wollen, geht es nur so.

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