Bürger*innenbefragung an der Küste: Flensburg schafft Platz
Gibt es zu viele Autos im Zentrum von Flensburg? Im Rahmen ihres „Masterplans Mobilität“ lässt die Stadt über die Nutzung von Straßen abstimmen.
Flensburg taz | Mehr Platz für Autos oder für Fahrräder? Parkhäuser für Anwohner*innen oder besser getaktete Busse? Noch bis Ende Juni können die Flensburger*innen über solche Fragen abstimmen. Die Onlinebefragung ist Teil des „Masterplans Mobilität“, mit dem die Stadt im hohen Norden den Verkehr neu ordnen und aus dem Zentrum wegsteuern will.
„Wir müssen in allen Sektoren die Produktion von CO2 abbauen, und im Bereich Mobilität haben wir dabei am meisten zu tun“, sagt Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) der taz. „Schließlich benutzt fast jeder ein Auto und leistet einen Beitrag zur Verschmutzung.“
Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima
Wie sehr der Individualverkehr die Stadt belastet, ist auch ohne CO2-Messgerät zu erkennen: Es geht um Platz. Denn die Flensburger Innenstadt ist eng. Auf der einen Seite schiebt sich die Förde weit ins Land hinein, auf der anderen Seite steigen schmale Straßen die Hügel – Überbleibsel eiszeitlicher Gletscher – hinauf. Jedes parkende Auto engt den knappen Raum weiter ein, der Suchverkehr sorgt für Staus. Das Ziel sei klar, so Lange: „Wir haben zu viel Verkehr, wir müssen uns einschränken.“
Der Masterplan, der bis 2030 umgesetzt werden soll, hat einen jahrelangen Vorlauf, nicht nur in den politischen Gremien der Stadt. In zahlreichen Runden und Diskussionsforen konnten die Flensburger*innen mitreden. Mal waren Bewohner*innen der Stadtteile gefragt, dann wurden über Jugendtreffs Fragebögen verteilt, um die Meinung der U-18-Jährigen zu erfahren. Seniorenbeiräte tagten zum Thema, und die Vertreter*innen von Handel, Gewerbe und Wirtschaft durften Wünsche und Bedenken äußern.
Stellschraube Parkplatzgebühren
Echte Ablehnung gab es von keiner Seite, auch wenn die CDU-Fraktion im Stadtrat den Plan als „in Teilen schwere Kost“ bezeichnete und dafür warb, „eine Sanktionierung des Pkw-Verkehrs intensiv mit der Wirtschaft und anderen Betroffenen zu diskutieren“. Aber auch wenn die Partei ein Autoverbot ablehnt, zieht sie das Fazit: „Ein Weiter so der Zuwächse im Straßenverkehr kann und darf es nicht geben.“
Ähnliche Stimmen kamen aus der Wirtschaftsrunde. Die Ladenbesitzer*innen und Gewerbetreibenden wollten eher auf „Anreize und Angebote“ statt auf Verbote setzen. Eine Idee lautete, vor allem Tourist*innen per Parkleitsystem aus dem Stadtkern herauszuhalten. Außerdem hofft die Wirtschaft auf selbstfahrende Autos, die ständig in Bewegung sind und damit keine Parkplätze blockieren. Diese Vision aber, mutmaßte die Runde, werde eher 2050 als 2030 Wirklichkeit sein.
Eine Stellschraube, an der bereits früher gedreht werden kann, sind die Parkplatzgebühren. Aktuell zählt die Verwaltung im Kerngebiet der Stadt, in dem das Rathaus, der Hafen, die Fußgängerzonen in der Einkaufsstraße und die Altstadt liegen, rund 900 öffentliche und etwa 3.200 privat bewirtschaftete, aber öffentlich zugängliche Stellplätze. Sie befinden sich teils in Parkhäusern, teils unter freiem Himmel.
„Überdurchschnittlich viele“ davon seien kostenlos, und unter den bezahlten seien die öffentlichen Flächen nur halb so teuer wie die privaten, heißt es im Masterplan. Mittelfristig soll es teurer werden, seinen Wagen in der Innenstadt abzustellen, gleichzeitig soll Parken außerhalb des Zentrums attraktiver werden, durch besser getaktete Busse, städtische Leihräder und Ladestationen für E-Autos.
Mit der aktuellen Befragung will die Stadt erfahren, „wozu die Leute bereit sind“, sagt Simone Lange. Käme am Ende heraus, dass die Flensburger*innen trotz engen Straßen und CO2 dennoch das eigene Auto vorziehen, sei der Masterplan nicht gescheitert, sagt die Oberbürgermeisterin: „Dann wissen wir, dass wir weiter am Bewusstsein arbeiten, informieren und überzeugen müssen.“
Leser*innenkommentare
Grenzgänger
Pontevedra in Spanien zeigt, dass es geht, wenn man will - seit über 20 Jahren:
www.youtube.com/watch?v=qeNVdy38Yhc
V M
Autofahren und parken nur noch für Reiche? Nicht mit mir. Wenn ich mir das Auto nicht mehr leisten kann, dann sollen auch die Reichen ohne Auto und Linienflug klarkommen.