Russlands Einmischung auf dem Balkan: Moskau zündelt auch in Bosnien
Die Ukraine-Krise hinterlässt in Bosnien und Herzegowina Spuren. Der Kreml unterstützt den Nationalisten Dodik, der an einem eigenen Staat arbeitet.
Schon oft griff die russische Botschaft in Sarajevo die Institutionen der internationalen Gemeinschaft im Land an. Am Dienstag jedoch kritisierte sie die Position des Friedensimplementierungsrates (PIC) in ungewöhnlich scharfem Ton. Im PIC sind über 50 an Bosnien interessierte Staaten und internationale Organisationen zusammengefasst. Das Gremium soll den Friedensprozess im Auftrag der UNO überwachen.
Der Lenkungsausschuss des PIC, dem Russland auch angehört, hatte vorige Woche gegen den Willen des russischen Botschafters die Entscheidung des Parlaments der serbischen Teilrepublik zurückgewiesen, einen eigenen Obersten Gerichtshof im Teilstaat zu etablieren. Im vom PIC anerkannten Obersten Gerichtshof des Gesamtstaates sind auch internationale Richter vertreten.
Diese Institution ist dem serbischen Nationalistenführer Milorad Dodik ein Dorn im Auge, denn er möchte seinen Teilstaat zu einem eigenen Staat aufbauen. Dazu gehört neben einer eigenen Armee die Übertragung weiterer Hoheitsrechte. So möchte er Waldbesitz, der nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs dem Gesamtstaat gehört, unter seine Kontrolle bekommen. Ein eigener, von ihm abhängiger Gerichtshof könnte dafür nützlich sein.
Dabei geht es um viel Geld: Dodik hat nämlich Teile des Staatsbesitzes Bosnien und Herzegowinas internationalen Banken als Sicherheiten für ihre Kredite versprochen. Zudem muss er befürchten, nach Ablauf seines Mandats als Vertreter der Serben im dreiköpfigen Staatspräsidium vor dem Obersten Gerichtshof wegen seiner Korruptionsskandale zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Moskau behindert Hohen Repräsentanten
Alle diese Positionen werden von russischer Seite mitgetragen, obwohl sie nach Meinung der westlichen Diplomaten gegen den Friedensvertrag von Dayton verstoßen.
In Moskaus Fadenkreuz ist auch der Hohe Repräsentant der Staatengemeinschaft geraten. Der deutsche Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der die Position seit 2021 bekleidet, wird von serbischer und russischer Seite nicht anerkannt. Moskau verhinderte im November gar, dass Schmidt seinen Rechenschaftsbericht vor dem Weltsicherheitsrat vortragen konnte. Dodik und Moskau haben jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen.
Angesichts der Ukraine-Krise sortieren sich die politischen Kräfte entlang der Kriegsparteien. Für den serbischen Autokraten Dodik ist es selbstverständlich, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu unterstützen.
Das Herz der bosniakischen und nichtnationalistischen Mehrheitsbevölkerung dagegen schlägt für die Ukraine. Viele Bürger Sarajevos erinnern sich an die Belagerung der Hauptstadt vor 30 Jahren und vergleichen das Zögern des Westens, Waffen in die Ukraine zu schicken, mit dem damaligen UN-Waffenembargo gegenüber Bosnien. „Die serbische Armee hatte damals alle Waffen, uns aber haben sie Waffen zur Verteidigung verweigert. Welch eine Ungerechtigkeit“, erinnern sich Nachbarn in der Mehmed-Pase-Sokolovica-Straße voller Mitgefühl mit den Ukrainern.
Die kroatischen Nationalisten aus der bosnischen Region Herzegowina unter Führung von Dragan Čović hingegen zeigen offene Sympathien für Putin. Dass Čović am 1. Februar im Parlament der serbischen Teilrepublik aufgetreten ist und die Politik Dodiks, die Institutionen des gemeinsamen Staates Bosnien und Herzegowina zu unterminieren, begrüßt hat, ist bei den kroatischen Rechten gut angekommen.
Nicht aber in ganz Kroatien: In Zeitungen wie Slobodna Dalmatija und Juternji List wurde daran erinnert, dass Dodik seit jeher verhindert, dass während des Bosnienkrieges 1992 bis 1995 vertriebene Kroaten in ihre Heimat zurückkehren können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien