Russische Kriegsflüchtlinge: Lieber ins Exil als an die Front

Jeder Mann, der Russland verlässt, ist ein Soldat weniger im Krieg gegen die Ukraine. Europa muss sich für die Kriegsdienstverweigerer stark machen.

Grenzübergang ohne Verkehr zwischen Russland und Polen

Keiner soll mehr durchkommen: Die für russische Flüchtende geschlossene Grenze nach Polen Foto: Adam Warzawa/dpa

Die westlichen Länder geben riesige Summen für Militärhilfe an die Ukraine aus – und das zu Recht. Leider kann Putin nur auf dem Schlachtfeld besiegt werden, und es gibt keinen anderen Weg, wenn sich der ganze Albtraum in einigen Jahren nicht an einem anderen Ort wiederholen soll. Jetzt wurde die Mobilisierung in Russland ausgerufen, denn Putin hat zwar ausreichend Rüstung und Munition für einen langen Krieg, aber nicht genug Soldaten.

Die reguläre Armee hat bereits schwere Verluste erlitten, und die Rekrutierungskampagne für Freiwillige brachte nicht viel. Putin braucht nicht Tausende, sondern Zehn- oder gar Hunderttausende neuer Soldaten. Die Schwachstelle Putins ist eindeutig das Personal. Je weniger Soldaten an der Front sind, desto geringer ist der Druck auf die ukrainische Armee. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass russische Männer bei jedem Versuch, der Mobilisierung aus dem Weg zu gehen, unterstützt werden müssen.

Deserteuren, Überläufern und Kapitulierenden jetzt zu helfen ist nicht weniger wichtig, als Waffen an die Ukraine zu liefern. In einer solchen Situation sollte man die Grenzen zu Russland offen halten für alle, die nicht in Putins Krieg ziehen wollen. Schließlich ist jeder Mann, der Russland verlässt, ein Soldat weniger an der Front. Man kann die Ängste der an Russland angrenzenden Länder verstehen.

Junge Männer fliehen vor der Mobilisierung, und ihre Konzentration in Polen, Lettland, Estland und Finnland kann die örtlichen Gemeinschaften verängstigen. Aber es ist möglich, die Durchreise dieser Männer in südeuropäische Länder oder in Länder außerhalb der EU zu organisieren, die bereit sind, sie aufzunehmen. Nicht alle, die ausgereist sind oder jetzt ausreisen, wollen Russland für immer verlassen.

Ihr Ziel ist es, die Mobilisierung und den Krieg zu überleben, ohne ein Krimineller, ein Krüppel oder eine Leiche zu werden. Die westeuropäischen Staaten sollen ihren Einfluss geltend machen, um das verfehlte Visumverbot aufzuheben.

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ist 1976 in Almaty geboren, oppositioneller russischer Publizist und Politologe. Nach seiner zweiten Verurteilung wegen „Beleidigung der Staatsgewalt“ 2020 verließ er Russland und lebt jetzt in Litauen.

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