Rot-Grün in Niedersachsen: Mit Karacho in die Koalition
In Niedersachsen hat sich Rot-Grün auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Grünen bekommen zwei gewichtige Ministerien.
In den Grundzügen ist man sich ja auch einig: Beide Parteien setzen auf einen starken Staat, der in dieser Krise Härten abfedern und Zukunftsinvestitionen lenken soll – und sei es, indem man die Schuldenbremse mit Sonderfonds und Landesgesellschaften umdribbelt.
Spannend – und ein Novum in Niedersachsen – ist, dass es künftig ein Grüner sein soll, der die Landesfinanzen trotz allem im Griff behalten muss. Gerald Heere soll Finanzminister werden. Der sammelte als Büroleiter des Bremer Finanzsenators schon Erfahrungen auf diesem Feld. Er weiß auch, dass das Ressort heikel ist – eine machtvolle Schlüsselposition, auf der man sich vor allem unbeliebt macht.
Wandel zum „Energieland Nummer eins“
Eine ähnliche Rolle wird die Grüne Spitzenkandidatin und künftige Vize-Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg ausfüllen müssen. Sie soll das Kultusministerium von der SPD erben: Ebenfalls ein wichtiges Ressort, in dem noch nie jemand einen Blumentopf gewonnen hat. Dafür hat es das Potenzial, politische Karrieren zu beenden, wie beispielsweise Sylvia Löhrmann (Grüne) in NRW schmerzhaft erfahren musste. Immerhin hat Rot-Grün schon ein wichtiges Bonbon für die Lehrerschaft angekündigt: Das A13-Einstiegsgehalt für alle Schulformen soll kommen.
Empfohlener externer Inhalt
Hamburg war allerdings auch für das Wirtschaftsministerium im Gespräch, doch das wollten die Sozialdemokraten dann lieber nicht aus der Hand geben. Die Transformation der niedersächsischen Wirtschaft und der Wandel zum „Energieland Nummer eins“ (O-Ton Stephan Weil) gehört zu den Herzensthemen des niedersächsischen Ministerpräsidenten.
Es ist außerdem das Wunschressort von Weils Allzweckwaffe Olaf Lies (SPD), der schon im ersten Kabinett Weil Wirtschaftsminister war und in der zweiten Amtszeit Weils eher widerwillig auf den Posten des Umweltministers wechseln musste, um in der jetzt abgelösten rot-schwarzen Koalition der CDU entgegenzukommen.
Der neue, alte Wirtschaftsminister Olaf Lies wird außerdem das Schlüsselthema Bauen aus dem Umweltministerium mitnehmen. Rot-Grün hat sich darauf geeinigt, mit einer Landeswohnungsbaugesellschaft neue Impulse im sozialen Wohnungsbau zu setzen.
SPD setzt auf bewährte Kräfte
Lies wird dann künftig auch für das Thema Verkehr zuständig sein. Das ist eines der Themen, bei denen die traute rot-grüne Einigkeit dann doch schnell aufgebraucht ist, vor allem beim Thema Autobahnausbau. Aber da zeigt man bequemerweise erst einmal auf die Ampel im Bund. Niedersachsen setzt ebenfalls auf das 49-Euro-Ticket und will ein 29-Euro-Ticket für Schüler und Azubis.
Bei den Grünen blieben hingegen das Umweltressort, besetzt mit Co-Spitzenkandidat Christian Meyer, und das Agrarressort, besetzt mit Miriam Staudte. Im Umweltministerium ist immerhin auch das Schlüsselthema Energie beheimatet – und damit die Zuständigkeit für den raschen Ausbau der Erneuerbaren, der für die Grünen ein zentrales Anliegen ist.
Ein Umbau des Agrarlandes Niedersachsen hin zu mehr Ökolandbau, mehr Tier- und Klimaschutz gehört ebenfalls zu den grünen Lieblingsthemen. Die Gelegenheit scheint günstig, weil es die scheidende Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) immerhin geschafft hat, bisher völlig verfeindete Fraktionen aus den Bauern- und Umweltverbänden an einen Tisch zu bringen. Außerdem ist der ökonomische Druck vor allem für die tierhaltenden Betriebe so hoch, dass sie für Umbauprämien empfänglich sind.
Bei den Großressorts Soziales und Innenpolitik setzt die SPD auf bewährte Kräfte – Daniela Behrens und Boris Pistorius sollen im Amt bleiben. Justiz, Wissenschaft und das Ressort Regionales und Europa werden mit den vergleichsweise jungen Newcomern Kathrin Wahlmann, Falko Mohrs und Wiebke Osigus besetzt. Am Wochenende sollen außerordentliche Landesparteitage von SPD und Grünem das Vertragswerk abnicken. Kommenden Dienstag könnte Stephan Weil dann bei der konstituierenden Sitzung des Landtages zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
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