Roma und Corona in Rumänien: Rassistisch verseucht

In rumänischen Medien ergießt sich eine Welle des Hasses über die Minderheit. Sie wird beschuldigt, das Virus aus dem Ausland eingeschleppt zu haben.

Eine Person in Schutzanzug trägt eine Kiste mit Kerzen.

Hier wird das helle Licht der Kirche verteilt, anderenorts in Rumänien gab es düsteren Rassismus Foto: Andreea Alexandru/ap

BERLIN taz | Das orthodoxe Osterfest in Rumänien hat ein juristisches Nachspiel: Am Sonntag war es in einigen von Roma bewohnten Stadtvierteln zu schweren Ausschreitungen gekommen. Alkoholisierte Personen griffen Polizeistreifen an. Auf Videos, die im Internet kursierten, waren gewalttätige Auseinandersetzungen aus Bukarest, Hunedoara, Ploieşti, Baloteşti und Săcele zu sehen.

Die Ordnungskräfte wurden mit Steinen beworfen, und Autoscheiben zertrümmert. In Bukarest fielen Warnschüsse. Es wurde Tränengas eingesetzt, zahlreiche Personen wurden festgenommen. Die Ermittlungen dauern an.

In mehreren Stellungnahmen und Facebookeinträgen verurteilte der Menschenrechtler und Mitbegründer der antirassistischen Internetplattform „Aresel“ Ciprian Necula die von aggressiven Roma provozierten, gewalttätigen Zwischenfälle.

Andererseits warnte er vor Vorverurteilungen der gesamten Roma-Bevölkerung Rumäniens. Kriminelle Skandalmacher, erklärten Necula und der Soziologe Gelu Duminică, böten jetzt den Rassisten Gründe, um Vorurteile in der Mehrheitsbevölkerung anzuheizen.

Keine neue Erscheinung

In Rumänien leben laut offiziellen Angaben 665.000 Roma, die tatsächliche Zahl wird auf mindestens 3 Millionen geschätzt. Ihre systematische Diskriminierung und soziale Ausgrenzung ist keine neue Erscheinung. Die Corona-Epidemie hat jedoch unter den seit Anfang März geltenden, strengen Maßnahmen tiefsitzende, romafeindliche Vorurteile wachgerufen.

Nicht nur im Internet kursierten bösartige Angriffe auf Roma, sondern auch in einigen Medien. Darin wurden die nach dem Ausbruch der Epidemie, aus westlichen Ländern heimgekehrten Roma beschuldigt, das Virus nach Rumänien eingeschleppt zu haben.

In einem rassistischen Artikel des Lokalblatts Observatorul Prahovean vom 4. April wurden die zurückgekehrten Roma als Faulpelze, Steuerhinterzieher, Zuhälter, Diebe, Abschaum und Straftäter beschrieben. „Ihr seid zurückgekommen“, hieß es in dem Blatt, „als es im Ausland nichts mehr zum Stehlen gab. Der Tag naht, an dem wir uns selber beschützen müssen, denn scheinbar fassen euch die Behörden mit Samthandschuhen an. [...] Ich würde euch einsperren wie jene aus Ţăndărei, wo ihr unter den Pferden schlafen und euch gegenseitig anstecken könnt.“

Über die Ortschaft Ţăndărei wurde Anfang April eine totale Ausgangssperre verhängt, nachdem sich dort zahlreiche Personen mit Corona angesteckt hatten. Da der Großteil der Bewohner Roma sind, die sich nicht an die vorgeschriebenen Abstands- und Ausgangsregelungen gehalten hatten, wurde diese Ortschaft zur Zielscheibe rassistischer Grobheiten.

Krähen auf einem Zaun

Wie sehr auch bekannte rumänische Intellektuelle einer exponentiellen Verseuchung durch den Coronarassismus zum Opfer fallen, zeigte sich am Beispiel Ţăndărei. Der frühere Vorsitzende der Präsidialkommission zur Aufarbeitung des Kommunismus, Vladimir Tismăneanu verbreitete auf Facebook eine Montage, auf der auf einem Zaun sitzende Krähen abgebildet sind.

Im Begleittext heißt es dann: „Flughafen Ţăndărei. Alle Flüge wurden eingestellt.“ In Rumänien werden Roma abschätzig als Krähen bezeichnet und Ţăndărei ist von der Außenwelt abgeschnitten.

Eine ähnliche romafeindliche Botschaft postete auch der sozialdemokratische Parlamentarier Nicolae Bacalbaşa. Darin heißt es: „Die Chinesen haben das Virus von den Fledermäusen, wir bekommen es von unseren Krähen!“ Nachdem Tismăneanu heftig kritisiert wurde, löschte er den Post und entschuldigte sich mit dem Hinweis, kein Rassist zu sein.

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