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Robert Habeck im UntersuchungsausschussAtomausstieg ohne Denkverbote

Wirtschaftsminister Habeck verteidigt die letzten AKW-Abschaltungen im Untersuchungsausschuss. Diese seien „ergebnisoffen und ohne Tabus“ geprüft worden.

Bundesumwelt- und Klimaminister Habeck am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin taz | Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Vorwurf zurückgewiesen, der Atomausstieg während der Energiepreiskrise im Frühjahr 2023 sei nicht ergebnisoffen geprüft worden. „Es gab keine Denkverbote“, sagte er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Atomausstieg. „Es ging darum, zu machen, was hilft und was geht.“ Ein Weiterbetrieb der AKW hätte so gut wie keinen Beitrag zum Gaseinsparen geleistet, sagte Habeck.

Der Ausschuss wurde auf Betreiben der Union im Juli 2024 eingesetzt. Er soll die Entscheidungsprozesse in Bezug auf das Abschalten der letzten drei deutschen AKWs im April 2023 untersuchen. Die Union wirft der Bundesregierung vor, dabei ideologisch und nicht sach­orientiert vorgegangen zu sein.

Habeck schilderte vor dem Ausschuss die Lage nach Antritt der Ampelregierung wenige Monate vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Damals war Deutschland stark von russischem Erdgas abhängig, die Gasspeicher waren schlecht gefüllt. Unmittelbar nach Regierungsantritt habe er eine strategische Neuausrichtung der Energiepolitik eingeleitet, sagte er. „Mein Ziel war immer die Versorgungssicherheit für unser Land.“ Russland hat Gaslieferungen an Deutschland als Druckmittel eingesetzt, gedrosselt und schließlich ganz eingestellt. Die seinerzeit befürchtete Versorgungskrise konnte ­Habeck abwenden.

Er habe „ergebnisoffen und ohne Tabus“ prüfen lassen, ob eine Laufzeitverlängerung der AKWs einen Beitrag zur Versorgungssicherheit hätte leisten können, sagte Habeck. Im Frühjahr 2022 hätten die AKW-Betreiber erklärt, ein Streckbetrieb der Meiler – also eine kurze Verlängerung ohne neue Brennstäbe – bringe insgesamt nicht mehr Leistung. Später hätten sie das korrigiert.

Vorwurf: Parteitaktisches Kalkül

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach Streit in der Ampel über eine Laufzeitverlängerung mit Rückgriff auf seine Richtlinienkompetenz einen Weiterbetrieb der drei Meiler bis April 2023 durchgesetzt. Vorgängerregierungen hatten das Abschalten bis Ende 2022 beschlossen. Zum Abschluss der Zeugenbefragung sollte am späten Donnerstagmittag noch Bundeskanzler Scholz befragt werden.

Kri­ti­ke­r:in­nen werfen der Union vor, den Ausschuss aus parteitaktischem Kalkül zu nutzen. „Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg war von Beginn an nicht mehr als ein absurdes Theater“, sagte der Vorsitzende des Naturschutzverbands BUND Olaf Bandt. Die Debatte um eine ideologisch motivierte Verhinderung der Laufzeitverlängerung sei grotesk.

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15 Kommentare

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  • Bis zur Abschaltung der letzten Kernkraftwerke glaubte offensichtlich eine Mehrheit der Wähler, daß es Bürgern und Umwelt besser gehen würde, wenn die bestehenden Kernkraftwerke stillgelegt würden. Die Stillegung war versprochen und geschah im Sinne der Bevölkerungsmehrheit.

    Es war ein Praxistest, dessen Vollendung Klarheit schaffte und von dessen Ergebnis viele Industrienationen nun profitieren können. Für deutsche Bürger teuer, aber aus Versuchen kann man lernen.

    Bzw. könnte man lernen. Denn bevor die Ergebnisse verstanden wurden, wurde bereits mit der Zerstörung auch der letzen reaktivierbaren Kraftwerke begonnen. Hier liegt der eigentliche Skandal. U.a. die Bundesumweltminsterin Frau Lemke setze die zügige Zerstörung durch, statt die Anlagen vorerst einzumotten. Möglichweise, um eine Korrektur des Versuchsergebnisses ausschließen zu können, falls sich die Stillegung doch als vorschnell herausstellen sollte.

    Gelernt wurde immerhin: Basis eines Industriestandortes ist jederzeit verfügbare günstige Energie. Werden die dafür notwendigen Energiequellen stillgelegt, müssen auch die abhängigen Industriebetriebe stillgelegt werden.

    A ist durch. Nun läuft B. Wahlen haben Folgen.

  • Ausschussvorsitzender Heck (Ex-JU Hessen) sollte Habeck etwas anhängen, doch scheiterte krachend.



    Statt froh zu sein, dass die Ampel das überfällige Wiedereinleiten der Energiewende schon mal gestartet hat. Habeck hat ja sogar, um der FDP mit ihren wirren Schäfflers den Gesichtsverlust zu ersparen unnötig die alten Atomschabracken länger laufen lassen.

  • Ist ja auch egal, hauptsache ausgestiegen. Ohne sichere Lagerung des ganzes Atommülls, ohne realistische Konzept zur Endlagerung hätte man mit dem ganzen Atomstrom erst gar nicht beginnen dürfen.

  • Ein unausrottbares Klischee, dass die Atomkraft sauber, billig und praktisch völlig problemlos sei, gegen jede Realität von Liberalen, Konservativen und Rechten vertreten.



    Atomkraft ist sauteuer, unwirtschaftlich, ökologisch und vom Gefahrenpotential nicht vertretbar. Wissen selbst die Vorstandsvorsitzenden der Stromkonzerne, die in diese Richtung weisendes Gebrabbel aus der CDU oder der AfD zurecht als Unfug geißeln. Die Atomkraft ist keine Alternative zu Erneuerbaren und am Ende nicht beherrschbar, Schluss, Aus.

  • Was heißt hier "ideologisch"?



    Der Atomausstieg war und ist eine politische Entscheidung der Regierung Merkel als Folge der Atomkatastrophe von Fukushima in 2011 mit einem bis dahin für undenkbar gehaltenen Ausmaß in einen westlichen Hochtechnologieland. 2022 waren die Weichen für den Ausstieg seitens der Politik und der Betreiber längst gestellt.



    Frankreich hat mit seinem veralteten Konzept der Atomkraft erhebliche technische und finanzielle Probleme. Hinzu kommen die Last der ungelöste Entsorgung, die radioaktive Belastung der Umwelt und nicht zuletzt das katastrophale Risiko eines GAU. Deutschland ist dem technologisch um mindestens eine Generation voraus.

  • Zur Einordnung:



    Es gab keinen Strommangel, es gab einen Mangel an Gas. Die Preissteigerungen beim Strom waren nicht einer erhöhten Nachfrage oder einem verminderten Angebot geschuldet, sondern einer Kopplung des Strompreis an den Gaspreis per Merit Order Prinzip. Das hätte man ganz anders lösen können, rein vom Schreibtisch aus. Da aber kaum einer die Thematik verstehen will und sie auch so gut in die eigene Ideologie passt, wird darauf eben das eigene Süppchen gekocht, ganz nebenbei haben viele Erzeuger mächtig verdient, das Interesse war eben auch dort mäßig begrenzt.



    Die Gegenprobe: Selbst in Norwegen und Schweden, Länder mit Stromüberschuß ohne jeglichen Gasanteil an der Erzeugung haben eine Preisexplosion erlebt, weil sie über den Export an den kontinentalen Markt gekoppelt sind, die dort explodierten Preise haben den Import aus Skandinavien noch lukrativer gemacht (nicht aus Mangel, sondern aus Preisgründen) was dann (klassische Nachfragesituation) dort ebenfalls zu Preissteigerungen geführt hat. Es gab eine gestiegene Nachfrage, aber nur dort, wo das Merit Order Prinzip nicht galt, weil Strom dort aus genau diesem Grund billiger war....

    • @nutzer:

      Es gab keinen Strommangel, es gab einen Mangel an Gas.

      Und welche Kraftwerke liefern Strom, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Gaskraftwerke.

      Skandinavien ist ein super Beispiel. Die sind aufgrund unserer Stromsituation ziemlich sauer mit uns...

  • Und die Internationale Energieagentur sieht den Ausstieg als großen historischen Fehler... Man muss nur die richtigen Leute Fragen und bekommt die Antwort, die man hören will. Natürlich ist der Atomausstieg hoch ideologisch, wenn es auch rationale Gründe gibt. Es gibt aber auch rationale Gründe, diese beizubehalten.

    Daher ist in einer Energiemangellage durchaus relevant, ob Habeck ergebnisoffen geprüft hat, ob eine Verlängerung z.B. für zwei oder drei Jahre möglich war oder nicht. Aber unterm Strich hat sich nichts geändert. Wir kaufen halt französischen Atomstrom und können und selbst auf die Schulter klopfen, was für tolle Saubermänner wir doch sind.

    • @Strolch:

      Moment, ob der Atomenergie ja/nein kann man sich ja streiten, aber ob eine Verlängerung der Laufzeit über das Bestehende zu den Zeitpunkt noch sinnvoll gewesen ist, das ist eine andere Frage. Da spielt halt auch ne Rolle, in welchem Zustand die Anlagen zu dem Zeitpunkt waren, ob die Logistik für einen Weiterbetrieb gegeben ist, ect.



      Dass die Frage aber lautet, ob eine ergebnisoffene Prüfung stattgefunden hat, anstelle ob die Entscheidung die richtige war, zeigt meiner Meinung nach, woher der Wind weht. So kann man Habek und den Grünen vor der Wahl nochmal das Image von ideologisch Verbohrten anhaften. Die Antwort auf die Frage, ob die Entscheidung richtig war, könnte ja auch sein, dass ein Weiterbetrieb zu dem Zeitpunkt völliger Schwachsinn gewesen wäre und man hätte sich halt selber als ziemliche Idioten dargestellt.

      • @Hoehlenmensch:

        Und Sie meinen, die Frage, ob die Entscheidung die richtige war, wird nicht beleuchtet? Unabhängig davon, kann man im Nachgang kaum beurteilen, ob die Entscheidung die richtige war oder nicht. Viel zu viele Variablen. Es spielt daher schon eine massive Rolle, ob ich eine Prüfung verlange, bei der ich ein bestimmtes Ergebnis erwarte. Und - wenn es keine ergebnisoffene Prüfung gab - was sind die Grünen den dann, wenn nicht "ideologisch Verbohrte"? Das wäre kein Image. Das wäre eine Tatsache. Nur ein ideologisch verbohrter würde in Anbetracht eines Kriegs vor der Haustür, nicht voreingenommen prüfen.

        • @Strolch:

          Habeck hat sogar für Menschen wie Sie und für Lindners Gesichtswahrung gegenüber Seltsamen wie Schäffler ein bisschen länger laufen lassen, obwohl sonst sinnlos.



          Und dann immer noch künstlich aufregen, statt froh zu sein, dass die schabrackigen Dinos endlich abgehakt sind ... wer's braucht..

      • @Hoehlenmensch:

        Warum vor der Wahl? Die Prüfung läuft seit 2 Jahren. Die Anhörungen sind momentan zufällig vor der Wahl. Ohne die vorgezogene Wahl, wäre die Anhörung trotzdem jetzt, aber dann nicht vor der Wahl.

  • Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Habeck hat entgegen der eigenen Programmatik die Laufzeit der AKWs verlängert, die cdu etc haben also ihren Wunsch bekommen und jetzt geht es darum nachzuweisen, ob Habeck und Leute nicht doch kurzzeitig gezögert haben, weil das ganze nun mal ein Kernthema der Grünen berührt. Der Vorwurf ist also, Habeck habe zwar verlängert, ist aber möglicherweise vorher anderer Meinung gewesen und noch viel schlimmer hätte sich sogar von seiner vorherigen Meinung beeinflussen lassen! Er hätte quasi schon immer AKWs verlängern wollen müssen....?



    Also wenn Regierungen nicht einmal eine Meinung haben dürfen, für die sie zuvor gewählt wurden (und gerade bei den Grünen trifft dass in dieser thematik maehr 100%ig zu) dann bräuchten wir ja gar nicht mehr wählen.



    Der Punkt ist, die Grünen sind über ihren Schatten gesprungen, das ist ihnen anzurechnen. Wenn man so will ist der Wille der Opposition geschehen, aber nun soll nochmal nachgetreten werden!



    Die eigentliche Nebelkerze bemerkt dabei keiner, nicht Strommangel war Grund der Preisexplosion, es war die Strompreiskopplung an den Gaspreis. Es gab keinen Strommangel, es gab eine Marktverzerrung.

    • @nutzer:

      Wo sind die Grünen über Ihren Schatten gesprungen? Scholz hat eingegriffen via Richtlinienkompetenz. Damit haben die Grünen NICHTS zu tun.

      Und ja ist ja richtig eigene Politik durchsetzen zu wollen in der Regierung wofür man gewählt wurde. Aber eben nicht in der Situation von damals, wo sich die Parameter geändert haben. Daher gilt dieses Ziel in dem Kontext einfach nicht.