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Rezessionsprognose für DeutschlandAm besten Energie sparen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Deutschlands Wirtschaft schrumpft, damit die Inflation sinkt. Die jetzige Krise zeigt, dass das Land zu abhängig von fossilen Energien ist.

Deutschland muss Energie sparen, immer, überall – also auch im Privaten Foto: Jens Magnussson/imago

D ie Europäische Zentralbank hatte einen Plan, und er geht auf: Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um 0,6 Prozent schrumpfen. Auf den ersten Blick mag es erstaunlich wirken, dass eine Zentralbank die Konjunktur abwürgt. Aber die EZB wollte die Inflation bekämpfen – und hat daher die Zinsen hochgesetzt. Prompt wurden Kredite so teuer, dass fast niemand mehr investiert. Zumindest die EZB findet: Krise muss sein: Wenn die Wirtschaft lahmt und die Arbeitslosigkeit zunimmt, steigen auch die Löhne nicht so schnell. Zugleich sind die Firmen nicht mehr völlig ausgelastet. Die Betriebe werden also ihre Preise nicht mehr so stark erhöhen – die aktuelle, gesunkene Inflation scheint dies zu bestätigen.

Allerdings fällt auf, dass Deutschland von der Rezession wohl härter getroffen wird als die anderen Eurostaaten. Trotzdem wäre es falsch, nun eine „Standortdebatte“ zu starten und sich zu fragen, ob die Bundesrepublik „der kranke Mann Europas“ ist. In Deutschland kommen zwei Sonderfaktoren hinzu: Wir waren extrem abhängig vom russischen Gas und müssen den Ersatz nun teuer einkaufen. Zudem ist China unser zweitwichtigster Exportmarkt, aber dort gehen die Wachstumsraten ebenfalls zurück.

Die Bundesregierung hat also wenig Einfluss auf die Rezession. Umso wichtiger wäre es, wenigstens Fehlentscheidungen zu vermeiden: So wurden jetzt die Richtlinien für die Wärmedämmung stark abgemildert, um den Neubau anzukurbeln. Das ist Wahnsinn: Der Ökostrom wird künftig nur reichen, wenn alle Gebäude optimal gedämmt sind. Die Immobilien später nachzurüsten, wird viel teurer, als sie gleich richtig auszustatten.

Überhaupt zeigt die jetzige Krise, dass Deutschland zu abhängig von fossilen Brennstoffen ist. Die Gasimporte aus Russland waren fatal, aber auch auf den internationalen Ölmärkten könnte es zu Engpässen kommen. Eine Zusammenarbeit von Russland und Saudi-Arabien deutet sich schon an, um die Preise nach oben zu treiben. Kurz: Deutschland muss Energie sparen. Immer, überall.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • "So wurden jetzt die Richtlinien für die Wärmedämmung stark abgemildert, um den Neubau anzukurbeln."



    Die wurden aber ned reduziert. Irgendwann wird es tatsächlich auch albern, noch paar cm mehr Dämmung irgendwo ranzuklatschen/draufzulegen oder noch ne Scheibe mehr ins Fenster zu setzen für ne nur noch rechnerische/im Labor meßbare Energieeinsparung. Richtig und konsequent wäre es gewesen, staatliche Förderungen fürs kleine Häuschen auf 400 qm neben den 27 anderen neuen Häuschen auf den Nachbarparzellen auf Null zu senken und nur noch Bauen im Bestand/Renovierung oder eben neuen Mehrwohnparteienhäuser zu fördern.



    Mal so gesamtgesellschaftlich; es heißt immer so schön, daß die Zukunft ned aufgeschrieben ist, aber "wir" müssen uns schon drum bemühen, nen Hauptstrang zu entwickeln. Zur Zeit heißt der immernoch "offiziell", daß wir den gleichen Wahnsinn weiterbetreiben nur mit weniger verbrannten Fossilien und bald ner Steuer auf Plastetüten *lol*.

  • Ich würde noch einen dritten Faktor dazunehmen, der dazu schwerwiegender ist: technologischer und gesellschaftlicher Rückstand.



    Wir können hier in Deutschland bestimmte Produkte ja gar nicht herstellen, weil wir die Technologien gar nicht beherrschen (wollen).



    Bestes Beispiel PV oder Akkus für große Speicher.



    Die Ursache ist wohl ideologischer Natur, denn an der Bereitschaft zu Subventionen kann es ja nicht liegen, wenn ich mir die Hilfen für Kohle und Stahl über die letzten Jahrzehnte anschaue. Aber aus mir nicht ersichtlichen Gründen sind Energiefragen zu Identitätsfragen geworden, entweder ist man dafür oder dagegen.



    Mal ein Beispiel aus meinem Bundesland, dem Saarland: da hat man drei Milliarden staatliche Subventionen zur Verfügung, weiß aber nicht, wofür man sie ausgeben soll außer eine Milliarde für die Stahlindustrie.



    Man kommt nicht auf die Idee in die marode Infrastruktur zu investieren, also ÖPNV, fehlende Erneuerbare Energien, Sicherstellung der Wärmebereitstellung in Wärmenetzwerken, Schulen und Bildung. Da gibt's doch genug.

  • "Zumindest die EZB findet: Krise muss sein: Wenn die Wirtschaft lahmt und die Arbeitslosigkeit zunimmt, steigen auch die Löhne nicht so schnell. Zugleich sind die Firmen nicht mehr völlig ausgelastet."



    Ein wesentlicher Hintergrund für diese Sicht auf die Problematik ist die genuine Heterogenität in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, innerhalb der Binnenwirtschaft und der EU, aber auch global.



    Eine differenzierte Betrachtung zeigt das Manko und die zunehmenden Verwerfungen im Arbeitsmarkt.



    Die Industrie argumentiert anders als das Handwerk:



    www.mdr.de/nachric...rokratie-100.html7



    "Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften zeigten sich enttäuscht von dem Treffen. Der Präsident des Branchenverbandes VCI, Markus Steilemann, sagte, man habe auf eine kurzfristige Entscheidung bei den viel zu hohen Strompreisen gehofft. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt."



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    "In den letzten zehn Jahren wurden – mit Ausnahme der Zeit Coronabedingter Einschränkungen – immer mehr Handwerkerinnen und Handwerker gesucht. So wurden im Jahr 2022 rund 236.818 offene Stellen in Handwerksberufen ausgeschrieben – ein neuer Rekordwert."



    www.iwkoeln.de/stu...g-im-handwerk.html



    /



    Und Dienstleistungen: zdf.de 2023



    "Der Fachkräftemangel in Deutschland hat laut einer Studie 2022 trotz der Belastungen der Wirtschaft durch den Ukrainekrieg und die hohe Inflation ein neues Rekordniveau erreicht.



    Rechnerisch hätten im vergangenen Jahr mehr als 630.000 offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden können, weil bundesweit keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen zur Verfügung standen, berichtete das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) am Sonntag. Dies sei die größte Fachkräftelücke seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010."



    Energiewende geht nur mit Fachkräften und Nachwuchs, sonst ...

  • Seit Jahren leistet es sich unsere gemeinsame Zivilgesellschaft jährlich ca. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel zu vernichten! Ich höre und lese nichts darüber, dass diese Vernichtung endlich gestoppt wird!

    Seit Jahren verschwenden wir täglich irrsinnig gigantische Mengen an Energie, Kraftstoff und Wasser! Auch diesbezüglich nehme ich nichts in unserer Gesellschaft wahr, dass sich daran etwas ändert! Stattdessen glaubt der allergrößte Teil der Bevölkerung unserer Gesellschaft, dass technische Lösungen die Lebensgrundlagen der Menschheit retten!

    Was das russische Gas und Öl mit allem zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht! Wir als Zivilgesellschaft hatten nunmehr seit 50 Jahren Zeit, den Lebensstil und Konsum komplett zu verändern!

  • man könnte auch zu dem Schluß kommen, dass die Reaktion der EZB die Wirtschaft abzuwürgen, um die Inflation zu dämpfen, damit die Menschen nicht zu sehr unter den hohen Preisen leiden, nun aber durch ein schlechtere Einkommenssituation kein Geld mehr haben, die nun nicht mehr stark steigenden Preise zu bezahlen, einfach eine falsche Antwort auf diese Krise ist. Man schüttet das Kind mit dem Bade aus...



    Eine Wirtschaft die weiterhin läuft, in der Menschen das Geld zum investieren weiterhin verdienen, und lediglich die Energiepreise steigen bietet genau diese gewünschten Investitionsanreize, um von den teuren Energien wegzukommen, genau das, was gewollt ist, nun aber durch das mangelnde Geld nicht geschieht, weil die Investition im Verhältnis zu teuer sind...



    Das könnte man zumindest in Betracht ziehen. Jetzt muß der Staat steuerliche Anreize setzen, Subventionieren um die Umrüstung voranzutreiben Aber Steuern absetzen, und Subventionen wirken einfach besser in einem positiven, investionsfreudlichem Klima und genau das herrscht jetzt nicht. Und wenn`s schlecht läuft auch die nächste Dekade nicht, wenn die Inflationsbekämpfung im Zusammenhang mit dem schwächenden Export zu einer langen Rezession führt. Die Chancen darauf stehen nicht schlecht .

  • Sicher, alle müssen sparen, kleinere Autos, wie viel Wohnraum braucht es wirklich undes macht Bauchschmerzen über Bauchschmerzen angesichts einer neuen Materialschlacht die mensch an dieser Stelle propagieren muss. Welchen Lebensstandard wünschen wir uns für 8 und später 12 Mrd. Leute? Und wieviel Lebensglück? - Monopolismus ist der Todesstoß des "Systems", die darin enthaltene Entropie. Ein Merkmal der EEs ist Dezentralität.

  • Wie üblich, Vieles Richtig im Artikel!



    Beispielsweise die "kranker Mann Europas" Scheindebatte.



    Was die Wohnungsinitiative betrifft, bin ich allerdings anderer Meinung:



    Wir brauchen mehr Wohnraum, nicht zuletzt für die Zuwandernden, die wir ebenfalls brauchen.



    Das hohe Niveau bei Wohnungsneubau ist ein Level, das genügt. Hier zusätzlich für Teuerung zu sorgen wäre kontraproduktiv.



    Neben über 40 Mio. Wohnungen nimmt sich der Neubau mit derzeit vielleicht 200.000 ( gewünscht 400.000) Einheiten ziemlich mickrig aus.



    Viel wichtiger ist, den Bestand auf Vorderfrau zu bringen, was die Bundesbauminsterin auch plant.



    Hier ist pro Wohneinheit,auch für die Eigentümer/ Mieter hohes Energieeinsparpotenzial vorhanden.



    In der Masse macht das natürlich auch global den Unterschied.



    Ob das Dach eines Neubaus nun mit 24 oder 26 cm Dämmung gebaut wird, ist dagegen recht unbedeutend.

  • So ist das! Ich würde mich nur total freuen wenn 'wir' zudem eine positive Wortfindung zum Thema realisieren könnten. Verzicht, Sparen, Schrumpfen... oder besser: Ambitioniert, zukunftssicher, ehrgeizig, ... so irgendwie.



    Es ist doch ein brutaler Spagat der uns bevorsteht. Wir müssen auf die 2 -3 t/a CO2 Emission pro Kopf runterkommen. Also weg von 10. Derzeit keine Energie im Überfluss in Sicht. Jedoch ist klar, dass sollte der Ausbau Erneuerbarer schneller vorangehen als derzeit zu erwarten, Ziele jederzeit anders abgesteckt werden können. Hier diese beiden Bewegungen im Zeitverlauf zu betrachten, positiv als Entwicklungsoption, das fände ich hilfreich, da sonst niemand bereit ist emotional 'als einziger weltweit' diesen negativ bewerteten Verzichtsweg zu akzeptieren.

  • Wenn ich hier als Gegenargument sinngemäß ein Medium heranziehen darf, welches wahrscheinlich noch nie im taz-Kommentarbereich zitiert wurde - es handelt sich um die aktuelle Ausgabe des Nischenblattes "SPS Magazin", einem zugegebenermaßen recht oberflächlichen und trotz seines großzügigen Einzelhandelspreises industriefinanzierten Fachblattes der Maschinenbaubranche.

    Es wird dort eine Umfrage unter mittelständischen und industriellen Untermehmen des Sondermaschinenbaus veröffentlicht, in der ungefähr 40% der Firmen eine akzeptable Stagnation in der Auftragslage angeben, aber circa 50% einen leichten Zuwachs.



    Nur sehr wenige Teilnehmer berichten von schlechten oder stark steigenden Auftragszahlen.

    Leider kann ich die Quelle gerade online nicht finden, aber in der Printausgabe war sogar eine grafische Darstellung. ;)