Retouren im Online-Handel: Warum Neuware im Müll landet

Deutsche Online-Händler schreddern jährlich Millionen zurückgeschickte Waren. Dabei geht es nicht nur um Geld, haben Forscher herausgefunden.

Eine Ladung Pakete, vorbereitet fürs Verladen in den LKW

Shoppen im Jahr 2019: LKW-Ladung Pakete Foto: dpa

BERLIN taz | Onlinehändler in Deutschland haben im vergangenen Jahr 7,5 Millionen zurückgeschickte Produkte entsorgt, obwohl diese noch hätten verwertet werden können. Das ist das Ergebnis einer Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg. Anreiz zum Entsorgen bieten vor allem die geringen Kosten: So be­zifferten die für die Untersuchung befragten Händler die Kosten der Entsorgung eines Artikels auf durchschnittlich 85 Cent.

Die Retourenforscher:innen hatten in vergangenen Studien bereits Erkenntnisse über das Ausmaß der Rücksendepraxis gewonnen. So schickten Kund:innen im vergangenen Jahr knapp 490 Millionen Artikel zurück. Der ganz überwiegende Teil davon wird als Neu- oder als B-Ware verkauft, die Anzahl der entsorgten Artikel beziffern die Forscher:innen auf rund 20 Millionen.

Von diesen 20 Millionen sei bei über der Hälfte eine Verwertung – also ein Wiederverkauf oder eine Spende – nicht mehr möglich. „Das kann zum Beispiel daran liegen, dass ein Riss in der Hose ist oder beim Staubsauger ein entscheidendes Teil fehlt“, erklärt Studien­autor Björn Asdecker.

Doch rund 40 Prozent – das sind die 7,5 Millionen – könnten eben doch zumindest noch gespendet werden. Und bei 5 Prozent der Waren, die entsorgt werden, geschehe das nur auf Weisung von Marken- oder Patentinhabern, die um das Image ihrer Produkte fürchten.

Lagerhäuser als Problem

Ein großes Problem laut Asdecker ist, dass Waren nicht mehr beim Händler liegen, sondern in externen Warenhäusern, wie häufig bei Amazon Marketplace. Für Händler sei es bei solchen Plattformkonstellationen einfacher und oft auch günstiger, zurückgeschickte Ware direkt in die Entsorgung senden zu lassen. Vor allem dann, wenn sich Warenhaus und Kund:in in unterschiedlichen Ländern befänden.

Dabei betonen die For­sche­r:innen: Gemessen am Gesamtmarkt, sei der Anteil der entsorgten Retouren gering. 3,9 Prozent der zurückgeschickten Sendungen würden vernichtet. Dennoch sei das Thema wichtig, schließlich nehme der Anteil der online georderten Waren zu.

Die Forscher:innen schlagen daher mehrere Strategien vor: ein Siegel, um Kund:innen über den Umgang mit zurückgeschickten Waren zu informieren, ein Register von Spendenempfängern, um Händlern das Spenden zu erleichtern, und Veränderungen im Steuerrecht. Derzeit sei es steuerlich günstiger, Waren zu vernichten und abzuschreiben, als sie zu spenden.

„Die Billigprodukte sind ein Problem“, sagt Rolf Buschmann, der sich beim BUND um das Thema Ressourcen kümmert. „Billig“ ist dabei weniger eine Frage des Preises als des Warenwerts: 80 Prozent der entsorgten Artikel sind laut der Bamberger Studie weniger als 15 Euro wert.

Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe spricht sich dafür aus, eine „unnötige Vernichtung“ von gebrauchsfähigen Produkten ganz zu verbieten. Heißt: Eine Hose mit einem Fleck müsse gereinigt und wiederverkauft oder zumindest gespendet werden – selbst wenn sich der Fleck nicht mehr entfernen lässt. Eine Vernichtung von Waren wäre damit noch erlaubt – zum Beispiel, wenn eine Wiederverwertung wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will mit einer in Arbeit befindlichen Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zumindest eine grundsätzliche Pflicht zur Weiterverwertung einführen.

Forscher Asdecker hält ein Verbot nicht für sinnvoll. Händler könnten es einfach umgehen, indem sie etwa die retournierten Waren an eine ausländische Gesellschaft verkauften – die dann die Entsorgung übernehme.

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