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Reservisten der BundeswehrMehr Kriegsdienstverweigerer

Fast 200 Reservisten haben dieses Jahr Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, 2021 waren es nur zehn. Hintergrund ist wohl der Krieg in der Ukraine.

Reservisten haben keinen Lust mehr auf Krieg: deutsche und französische Soldaten während einer Übung Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Berlin dpa | Die Zahl der Kriegsdienstverweigerungsanträge in Deutschland ist nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gestiegen. Demnach ist eine Zunahme bei den Reservisten (2021: 10 Fälle) auf in diesem Jahr bislang 190 Fälle festzustellen – und mehr noch in der Gruppe der Ungedienten (2021: 23 Fälle) auf in diesem Jahr bislang 484 Fälle, wie aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss hervorgeht. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

Allerdings ist die Wehrpflicht in Deutschland seit 2011 ausgesetzt. Die praktische Relevanz der Kriegsdienstverweigerung ist deswegen vor allem bei aktiven Soldaten, teils auch bei den Reservisten abzusehen.

Die Zahl der Anträge bei aktiven Soldaten ist in den ersten acht Monaten dieses Jahres mit 136 noch unter der Vorjahreszahl von 176 Anträgen.

Die Linke kritisierte vor diesem Hintergrund die Bundesregierung. Sevim Dağdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, sagte, es schlage sich Sorge „vor den Folgen des militärischen Eskalationskurses der Bundesregierung in der Ukraine nieder“. Dagdelen: „Die unverhohlene Zielstellung der Ampelkoalition, Deutschland zur militärischen Großmacht aufzurüsten, beflügelt offenbar diese Abstimmung mit den Füßen.“ Dağdelen fiel zuletzt immer wieder mit extrem russlandfreundlichen Aussagen auf.

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19 Kommentare

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  • Dann haben wir sie also für's Kriegspielen und Spaßschießen bezahlt und dafür dass sie lustig mit Panzern durch vollkommen sicheres Gelände heizen durften?! Ich geh auch zum Bund, gratis Kindergarten, gratis Studium inkl Vollversorgung, allerlei Männerspielsachen, fröhliche Schnitzeljagden und absolut keine Verpflichtungen. Diese Kombination ist einzigartig, geiler Job!

    • @Eva Kern:

      Da bekommen ja alle ausgebildeten Soldaten richtig bock - SIE im Falle eines Falles, zu verteidigen - vielleicht erst denken - dann erst schreiben...

    • @Eva Kern:

      Dann gehen Sie Mal. Sie können sich dann im Baltikum anschauen, wie "geil" der Job ist.

      Offensichtlich haben diejenigen, die jetzt verweigern, etwas begriffen...

    • @Eva Kern:

      Haben Sie schon einmal davon gehört, dass man die Arbeitsstelle wechseln kann? Wenn die BW so toll ist, warum strömen dann nicht die Jugendlichen in Massen dahin? Liegt es vielleicht auch an der erwarteten Unterordnung und Eingliederung dort?

    • @Eva Kern:

      Wo und wann, haben Sie denn gedient ? Ich habe meinen Wehrdienst bei der Luftwaffe, in den Anfang 80er Jahre, aber ganz anders in Erinnerung.

  • Nur um den Vorgang zu verstehen, bzw. Richtig einzuordnen: Mit der Verweigerung wollen ehemalige Zeitsoldaten verhindern, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus dem freiwillig gewählten Militärdienst, für den sie (halbwegs gut) bezahlt wurden, im Krisenfall nochmal als Reservisten eingezogen werden können, was im Prinzip impliziter Teil der Abmachung als Zeitsoldat ist. Es geht hier also nicht um einen wirklichen Gewissensentscheid oder gar Pazifismus, sondern lediglich um Selbstoptimierung, also den Versuch der Abweisung einer Verpflichtung, die man für sich als ungünstig empfindet. Anders gesagt: Vorteile und Benefits mitnehmen - unangenehme Verpflichtungen und Verantwortung loswerden, wenn (bzw. bevor) es annähernd ernst wird. Thank you for your service, Schönwettermatrosen…

    • @hup:

      Einige Zeitsoldaten haben mit 17 schlicht eine dumme Entscheidung getroffen. Mit dem Alter waren sie nicht voll geschäftsfähig und auch nicht voll schuldfähig.

      • @Alex Bermann:

        ...viele Zeitsoldaten gelangen auch erst mit zunehmendem Alter zu der Erkenntnis, nicht so eine große Verantwortung, für das Leben ihrer Kameraden, übernehmen zu können.

    • @hup:

      Als ehemaliger Zivi kenne ich mich mit der Materie nicht aus. Muss man als ehemaliger Zeitsoldat als Reservist zur Verfügung stehen oder ist das freiwillig?

      • @Nansen:

        Freiwillig ist da nichts (sonst gäbe es auch die nachträglichen Verweigerungen nicht), aber zu Friedenszeiten haben früher schon die einfachsten Ausreden für einberufene ehemalige Soldaten gereicht, um die verlängerten Übungswochenenden zu umgehen (Arbeit, Familie, Studium).



        Nur: Im Ernstfall reicht das nicht mehr, da wird man dann eingezogen, weil man schnell reaktivierbare militärische Skills hat.



        Diese Wehrdienstüberwachung von Zeitsoldaten geht bei Unteroffizieren (das dürften die meisten Zeitsoldaten sein) bis zum 45. Lebensjahr, bei Offizieren sogar bis 60. (die sind aber meist eh Berufssoldaten bis zur Pensionierung). Witziger Weise galt das früher sogar für Zivis, wie ich auch einer war. Ich glaube bis zum 38. Lebensjahr hätte man auch als Zivi für Zivilschutz und Logistik wieder eingezogen werden können im Verteidigungsfall - nur gibt es heute halt keine „Zeit-Zivis“…

    • @hup:

      Wie hier BW plötzlich als so toll und mit riesigen Benefits dargestellt wird. Sind jetzt plötzlich alle neidisch, die diese "Vorzüge" nicht in Anspruch genommen haben?

    • 6G
      650228 (Profil gelöscht)
      @hup:

      Warum sollte ein ausgeschiedener Zeitsoldat später noch als Reservist zur Verfügung stehen?

      Und warum werden "implizite Abmachungen" immer nur zu Lasten des Arbeitnehmers erfunden?

    • @hup:

      1990/91 zu Zeiten des Golfkriegs gingen die Zahlen der nachträglichen Verweigerungen steil nach oben. Motto "Kein Blut für Öl." Zumeist waren es ehemalige Wehrdienstleistende, also 15 bzw. 18 Monate in Uniform. Z.Z. der Balkankriege, als die BW erstmals Auslandseinsätze mitmachte, waren es viele aktive Zeit- und Berufssoldaten die sich aus der Truppe wegen ihres Gewissens verabschiedeten. Kaum wurd es ernst, war das Hemd näher als die Hose.

      • @Lars B.:

        Bei einberufenen Wehrdienstleistenden hab ich damit kein Problem, richtig freiwillig war ihr Dienst nicht. Mich ärgert nur, wenn man gegen Geld kein Gewissensproblem hat freiwillig das Töten zu lernen, gar Unteroffizier zu werden - aber dann nachträglich nach dem Ende der Dienstzeit angeblich sein Gewissen entdeckt, wenn es darum geht persönlich unangenehmes zu vermeiden, wie das Einziehen im Krisenfall.

      • 6G
        650228 (Profil gelöscht)
        @Lars B.:

        "Kaum wurd es ernst, war das Hemd näher als die Hose."

        Das ist doch bei jedem so.

        • @650228 (Profil gelöscht):

          Nein, ist es nicht.

          • 6G
            650228 (Profil gelöscht)
            @Lars B.:

            Doch. Denn sonst wären sehr viel mehr Linke in vorderster Front bei Bundeswehr, Polizei, im Krankenhaus und in der Altenpflege tätig.

  • Hoffentlich müssen diese Verweiger dann auch 3 Monate Zivildienst machen. Ich musste 13 Monate Zivildienst statt 10 Monate Bundeswehr leisten, damalige Begründung war die eingesparten Zeit der Reservierungen.

    • @DiMa:

      Wäre zu klären, ob diese Leute vor 2011 in der Truppe waren oder erst danach.